Wo man in dieser Stadt gepökelte Kalbszunge bekommt, bleibt mein gut gehütetes Geheimnis. Während T. die Zunge so hauchdünn schneidet, wie die Metzgereigehilfen dieser Stadt es nicht für mich tun würden, hacke ich Zwiebeln und Ei und krame nach der Kräutermühle.
„Glaubst Du an die Dreitagesregel?“, frage ich den T. aus gegebenem Anlass. „An die was?“, fragt der T., der neue Bekanntschaften allerdings ohnehin selten zurückzurufen pflegt, wenn ich richtig informiert bin. „Erstes Date, drei Tage abwarten, dann anrufen.“, erläutere ich diese Regelung, die allerdings auch in meinem Leben keine größere Bedeutung hat als etwa buddhistische Bekleidungsvorschriften oder das schwedische Zivilprozessrecht.
T. schnaubt nur. „Glaubst Du überhaupt an Regelungen beim Kennenlernen?“, frage ich T. und nenne ein paar Beispiele wie etwa „Sex beim ersten Treffen mündet nie in eine Beziehung“, oder „wenn beim dritten Treffen nichts passiert, passiert nie was“.
„Meine Liebe,“, sagt der T., „ich glaube auch nicht an Oberregierungsräte, aber solange andere Leute an Oberregierungsräte glauben, muss ich ihre Existenz zur Kenntnis nehmen, und so tun, als ob diese Kategorien auch für mich Geltung hätten.“ „Du hältst dich also an solche Regelungen?“, frage ich nach. „Hängt von der Frau ab.“, sagt T. und schüttelt den Schnittlauch so energisch, dass dicke Tropfen auf den Boden fallen.
T.´s Argumentation leuchtet mir zwar unmittelbar ein, ein wesentlicher Punkt indes bleibt nach wie vor nebelhaft: Woher wissen die Leute eigentlich, wie die Spielregeln sind? Flüstern die besorgten Mütter dem Töchterchen vorm ersten Ausgang die Spielregeln verstohlen in die Ohren, und nur meine Mutter fand die Weitergabe dieser doch essentiellen Information übertrieben konventionell? Oder wurde die Kunst des Kennenlernens in den ersten Schuldstunden morgens unterrichtet, denen ich wegen einer lebenslangen Unfähigkeit, vor neun Uhr morgens aufzustehen, leider nicht beiwohnen konnte? Stehen die Regeln in der „Brigitte“, die ich zu Unrecht verschmähe, um statt dessen meine Zeit in Bars zu verbringen, wo ich entsprechend alles falsch mache, statt einfach mal einen Abend pro Woche der Lektüre dieser grundlegenden Fachzeitschrift zu widmen?
„Frag doch mal in deinem tollen Blog“, rät der T. „Die können mir ja viel erzählen.“, sage ich und bleibe, die ich bin.
Nachtrag
Mehr zur Drei-Tages-Regel bei der fabelhaften Frau Fragmente
Regeln wofür?
Es kommt doch immer drauf an, was beide jeweils wollen. Das einfachste zur Klärung dessen wäre wohl eine Erwachsenenvariante von „Papier Schere Stein“. Beide formen mit Zeige- und Mittelfinger der Rechten einen Kreis, zählen „Eins, zwei, drei!“, und führen dann entweder den Zeigefinger der Linken in den Kreis ein, halten mit der waagrechten Linken eine symbolisierte Untertasse oder erganzen die Figur zu zwei symmetrischen Kreisen. „Ficki, erquicki, verstricki“, oder so ähnlich.
Dabei gilt: „Ficki“ gewinnt immer, „Verstricki“ verliert immer.
Ansonsten gewinnt der Stärkere.
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Das mag für Sie neu sein, werter Herr Booldag, aber: es geht nicht immer nur ums ficken.
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Geht das nicht deutlich aus meinem Kommentar hervor?
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ich persönlich finde ja den ansatz, mögliche beziehungen aus-zu-schnick-schnack-schnucken ein kleines bischen unzeitgemäß, wenn auch sehr populär.
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Man hat ja ohnehin bisweilen den Eindruck, die menschlichen Beziehungen seien seit dem Ausscheiden aus dem Kinderladen nicht einfacher geworden. Andererseits: Wer möchte nachts an öffentlichen Orten lauter Menschen in halbwegs jugendlichem Alter bei idiotischen Kinderspielchen beobachten?
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@ booldog
korrektur, letzter satz: Ansonsten gewinnt DIE Stärkere. 😉
@ modeste
nächtens und tagsüber sowie vor allem auch im öffentlichen blograum belausche ich überwiegend jene kinderspielchen. 😉 (wobei es auf jugendlichkeit nur wenig ankommt, das hält sich lange, verwächst sich mitunter nie, wird aber brutaler mit der zeit.)
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Ich glaube, diese Regeln haben dieselbe Funktion wie Astrologie: Manche Leute fühlen sich damit sicherer, weil sie keine eigenen Entscheidungen treffen müssen. Ist ja auch in Ordnung. Brenzlig wird es, wenn diese Leute die Kenntnis dieser Regeln für Grundwissen halten.
Ich musste 35 Jahre alt werden, bis ich erfuhr, dass es als klares Signal für einen Ausklang des Abends mit Sex gilt, wenn eine Frau eine Mann anschließend an einen Kneipenabend mit heim nimmt. Wenn nicht, wäre sie statt dessen mit zu ihm gegangen (weil sie dann nämlich jederzeit gehen kann). Kam mir sehr kompliziert vor, zumal ich in erster Linie das sehr anregende Gespräch in der Kneipe auch nach Ladenschluss unbedingt fortsetzen wollte und eine Terasse mit atemberaubendem Ausblick über die sommernächtliche Stadt hatte. Glücklicherweise fühlte sich der Herr, der mich nachträglich über diese Regel informierte, nicht gezwungen, über mich herzufallen.
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@ kaltmamsell: Das ist ja alles irrsinnig verwickelt – Wer denkt sich solche Regelungen überhaupt aus? Nimmt man einen Mann mit in seine Wohnung, ist bestimmt was am Start; geht man mit in seine Wohnung passiert vielleicht was? Und wenn keine solche Pläne bestehen, dann muss man das ansagen? Oder gilt das nicht? Und ist es nicht etwas peinlich, sich anlasslos vor einem Herrn aufzubauen und zu sagen: „Gerne noch bei mir weiterquatschen, aber das ist es dann auch!“?
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„Wer denkt sich solche Regelungen überhaupt aus?“ ist die nächstliegende Frage. Doch echte Gläubige werden Ihnen vermutlich versichern, dass das doch in der Natur von Männern respektive Frauen liege.
(Ich würde mir eher den kleinen Finger abbeißen, als auf „aber das ist es dann auch“ hinzuweisen. Das wäre doch für beide Seiten beschämend.)
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Heureka
Ich habe darüber nachgedacht: Vermutlich gibt es irgendwo in einer benachteiligten Randlage der Republik eine Art Bundestag des Liebeslebens. Abgeordnet sind die Damen, die Beziehungsratgeber schreiben, Redakteure von Frauenzeitschriften, Psychologen, Geistliche und andere Knalltüten, die mehrmals jährlich die Regeln per Mehrheitsbeschluss formulieren. „Anrufen erst am dritten Tag – wer ist dafür? 124 Stimmen dafür, 66 dagegen, eine Enthaltung. Der Antrag A 26 mit den Änderungsanträgen A 29 – 35 ist beschlossen“ Natürlich gibt es auch Fraktionen wie etwa den „Zirkel zur Förderung romantischer Mauerblümchen“, „Mehr Chancen für dicke Naturwissenschaftler“ etc.
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Miss.Glückt auch andersrum: Ich habe erst spät erfahren, daß man mir nach Kneipenschluß nicht unbedingt wirklich nur „noch einen Kaffee“ bei der Dame daheim anbieten wollte. Sagte ich schon, daß ich zuweilen sehr naiv bin?
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Oh Gott, Herr Kid, da haben Sie vermutlich versehentlich in netten Personen unauslöschliche Minderwertigkeitskomplexe ausgelöst. Sie glauben, einen Kaffee abgelehnt zu haben. Und die Dame glaubt, Sie fänden sie aufdringlich, häßlich und dick.