Vorfreude oder: Modeste geht einkaufen

Angeblich sind die Dänen, wie letztlich mal in der Zeitung stand, die glücklichsten Menschen der Welt, und das glaube ich seit einem Ausflug nach Kopenhagen letzten Sommer sogar ohne empirischen Nachweis. Die Dänen sind aber nicht nur sehr glücklich in ihrer mordsaufgeräumten Hauptstadt und anderswo, sie sind auch sehr gut angezogen, auf eine minimalistische und stilvolle Weise aktuell, und ihre Oberbekleidung können sie rechts und links in ihrer ja sowieso nicht besonders großen Hauptstadt kaufen. Man kann eine Menge Geld ausgeben in Kopenhagen.

„Schau,“, sagte ich damals zu meinem Begleiter und zupfte an samtenen Röcken und double-layered Organzaoberteilen herum, „die Dänen tragen die Mode der letzten Schauen tatsächlich.“ Der Begleiter zuckte die Achseln, sprach mir vom geliebten Berliner Dreck, sprach äußerst abfällig über die gesunde Schönheit der Däninnen und erinnerte sich sehnsüchtig der artifiziellen Lässigkeit der Kastanienallee.

Ich warf noch ein paar Sehnsuchtsblicke, der Begleiter murrte und schwor, aus Dänenhass nie wieder bei SØR zu kaufen, und mit fast nichts im Gepäck kehrte ich heim. An den anderen Tischen der Cafés von Berlin trugen die Menschen Camper an den Füßen, oder wildlederne Schuhe von adidas in gelb und grün, die Oberkörper pressten selbst reife Frauen um die dreißig in ausgewaschene T-Shirts mit unoriginellen Aufdrucken, und die ganze Welt bestand aus Baumwolle: Jeans, T-Shirts, Kleider, die wie lange Spaghettiträgertops aussehen mit den drei Streifen an der Seite.

Zehn Jahre. Und nun ist es wohl vorbei.

Ich will hier gar nicht von diesen Stiefeln sprechen, deren besonderes Verdienst es ist, auch schlanke Beine plump erscheinen zu lassen. Und auch nicht von der Tatsache, dass der Berliner Straßenbelag eigentlich keine Schuhe erlaubt, die nicht über eine sehr dicke, sehr massive Sohle verfügen, und keinesfalls Absatz haben dürfen. Ich trage deswegen gegenwärtig im wesentlichen immer die selben Schuhe – die derbsten, die ich habe. Aber die süßen Tussenschuhe, die Stiefelchen mit dem nach innen gebogenen Pfennigabsatz, die Sandaletten des nächsten Sommers mit koketten Seidenschleifchen seitlich am Riemchen – der nächste Sommer wird der Sommer der Diminutive.

Auch die T-Shirts in den Schaufenstern wirken auf einmal alt, nichts weiter als Souvenirs provinzieller Berlinbesucher, letzte Käufer der Logoshirt-Restposten. Die Stoffe schimmern wieder. Ein Etuikleid mit Pailletten? Ein knielanger Rock bei „parapluie“ in Pfeffer-und-Salz mit seidenen Applikationen? Ein gerafftes Oberteil mit Rüschen oder Puffärmeln, ein gepunktetes Cocktailkleid bei „Fame and Glory“?

Ach, wir werden schweben diesen Sommer, das Kellybag überm Arm, wer sich traut in dem verschatteteten Pastell des Rokoko. Wir werden schöner sein als die Däninnen in ihrer robusten Gesundheit. In diesen türkisfarbenen, seidenen Mary Janes am Hackeschen Markt mit den feinen Applikationen Ton in Ton werden wir über den zerbrochenen Beton, den Dreck, den lauten Stolz und die geborstenen Träume dieser Stadt steigen und noch einmal schön sein.

13 Gedanken zu „Vorfreude oder: Modeste geht einkaufen

  1. Na sieh mal einer an! Zufällig plane ich Ende März einen Trip dorthin.
    Habe von jenem Freund, der dazu angeregt hat, schon vernommen, daß Kopenhagen sich zur veritablen Modemetropole entwickelt. Bin gespannt…

  2. REPLY:

    Berlin ist ein gräßliches Einkaufspflaster. Auf der anderen Seite gibt es hier die ganzen absolut-non-profit-Läden irgendwelcher Modedesignabsolventen, die zum Teil sehr, sehr schöne Sachen für ruinös wenig Geld verticken. Frau Schnatter, für Einkaufstouren bin ich meistens zu haben, schlicht wie ich bin. Allerdings komme ich meistens mit Sachen nach Hause, die so ähnlich aussehen, wie das, was ich schon habe. Aber was soll´s.

  3. REPLY:

    Herr Pathologe, erinnern Sie mich nicht an die schwärzesten Momente meines Lebens. Von der Rückkehr ds Designs zur verspielten Weiblichkeit erhoffe ich mir natürlich auch eine Rückkehr zur bekleidungstechnischen Leitkultur der weiblichen Figur. Übrigens habe ich inzwischen wieder Jeans, wie ich darin aussehe, ist allerdings Ansichtssache.

  4. REPLY:

    Ende März stelle ich mir Kopenhagen fürchterlich feucht und dunkel vor, aber die Stadt ist wirklich und überraschenderweise nicht halb so öd, wie man südlich des Mains so vermutet. Die einheimische Küche könnte ansprechender sein, immerhin schmeckt der Kuchen.

  5. REPLY:
    Bekleidungstechnische Leitkultur der weiblichen Figur

    Aha.
    Da kann ich mir nun aber mal gar nichts drunter vorstellen. Sie wollen aber nicht wirklich zu den hüft- und hinterngestopften Kleidern des ausgehenden 18. Jahrhunderts zurück, oder?

    Indes, gegen geschwungene Kurven an weiblichen Körpern habe ich nun mal gar nichts einzuwenden. Besser jedenfalls, als diese Hungerhaken, die ein gutes Risotto verschmähen. (Wobei mir gerade das Rezept für Sahnehähnchen in den Sinn kömmt…)

  6. REPLY:

    „Da kann ich mir nun aber mal gar nichts drunter vorstellen.“
    Auch wenn es Deine Vorstellungen sprengt: es gibt tatsächlich viele Jeansträgerinnen, die etwas drunter anhaben.

    Scherz beiseite – wie dem auch sei: ich fände eine Abkehr von der allzu strikten Jeansuniformierung – gerade in Mitte – auch sehr reizvoll.
    Und was so normalerweise Kleid oder Rock trägt, ist noch weniger der Beschreibung würdig. Schlimm ist die Unsitte, Jeans unter dem Sommerkleidchen zu tragen. Das verlangt schon eine sehr attraktive Trägerin, um darüber hinwegzusehen.

  7. REPLY:

    Aber nein, ich bin mir sicher, dass mich ein Cul de Paris verunzieren würde. Nein, ich hoffe auf das Auslaufen dieses Schönheitsideals von 50 kg bei 1,75 stolzer Größe und Körbchengröße A.

    Und wie war das mit dem Sahnehähnchen?

  8. Scheinbar…

    …eine Perle im Netz gefunden…das ist schön.

    Ich werde mich hier durchlesen und vielleicht finde ich dich bei mir wieder.

    Dein Stil erinnert mich an mein Früher…behalte ihn dir.

    damaris

    mondkussl.antville.org

  9. REPLY:
    Das mit dem Sahnehähnchen

    ist schon wieder in den Tiefen der Ganglien entschwunden. Bin ich doch stets bemüht, neue Hosen in der gleichen Größe zu kaufen wie die alten. Gelingt indes nicht immer.
    Aber eingelegte Schnitzel, das muss ich demnächst mal wieder machen. Man isst Weißbrot dazu, trockenes, wegen der Linie. Und damit man die Soße besser auftunken kann. Salat lasse ich meist weg, den krieg ich einfach danach nicht mehr runter.

    @Booldog: Allein die Vorstellung, was da meine Vorstellung sprengen könnte, übertrifft bereits alle dagewesenen Vorstellungen. Wobei manch blutjunges Mädchen sich an diesen Sprengungen unbewusst beteiligt, speziell im Bereich Bauchfrei-T-Shirt und Hüfthosen, allerdings in einer Konfektionsgröße, die denn eher an die Verpackung einer aufgeplatzten Leberwurst erinnert anstatt aufreizend zu wirken..
    Womit wir wieder beim Thema Essen angekommen wären. Man sieht, es dreht sich in der männlichen Gedankenwelt wirklich immer nur um Eines.

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