Sommersorgen

Sie, meinen lieber Leser, stelle ich mir ja als ein veritables Prachtexemplar vor, ein netter Mensch, der, sofern männlich, kein bißchen nörgelt, nur weil die Gefährtin Ihrer Tage doch deutlich mehr Zeit in den Umkleidekabinen diverser Bekleidungshäuser verbringt, als es Ihnen vernünftig erscheint. Selbstverständlich wissen Sie, dass ohne passende Oberbekleidung so ein Sommer keine Spaß macht, dass die Sandalen vom letzten Jahr dieses Jahr schon wegen der breiten Absätze schlicht gar nicht mehr gehen, und dass der Beginn derjenigen Jahreszeit, in der massenweise Frauen durch die Straßen flanieren, die alle Jahre jünger und schlanker sind als Ihre Freundin, nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf.

Niemals würden Sie, oh geschätzter Leser, daher die Grausamkeit besitzen, ihrer Begleiterin, selbst wenn es sich um Ihre Exfreundin handelt, die volle Wahrheit über ihr Abschneiden beim Beauty-Contest Kastanienallee zuzumuten, und etwa zuzugeben, dass Ihnen die circa zwanzigjährige Blondine mit dem roten Neckholder und der Freitag-Tasche vor der Buchhandlung „Schwarze Risse“ in diesem Moment viel besser gefällt als die ehemals geschätzte Gefährtin? Und die beiden maximal achtzehnjährigen Mädchen, die ziemlich knapp und ein bißchen ordinär bekleidet bei Napoljonska Eis essen, eine Figur haben, wie sie einer Endzwanzigerin vermutlich nie wieder beschert sein wird? Und dass von den Frauen vorm 103 mindestens zehn so verdammt gut aussehen wie wandelnde Titelblätter großer Modemagazine, die Kleidungsstücke anpreisen, die an ihrer Begleiterin vermutlich aussehen würden wie die Hülle einer Wurst. „Aber darum geht´s doch letzten Endes auch nicht.“, würden sie auch nicht hinterherschieben und auf die wahre Bindungswirkung tiefer Gefühle und eines guten Herzens hinweisen. „Nur darum geht´s“, würde Ihre in den Stürmen des Lebens zur Teilzeitzynikerin gereifte Begleiterin dann nämlich sagen, und hätte vollkommen recht.

Fragt Ihre Begleiterin Sie dann, ob sie auch ein bißchen abnehmen sollte, dann schütteln Sie natürlich energisch den Kopf, und beteuern, jedes einzelne der 62 Kilo schmerzlich zu vermissen, wäre es nicht mehr da. Ganz falsch wäre es allerdings, dann darauf hinzuweisen, dass Ihre Begleiterin, mag es auch bloß Ihre dicke Exfreundin sein, bei einer Größe deutlich unter Modelmaß, zu wenig Sport und ungefähr doppelt so alt wie die Grazien auf Klassenfahrt, die angestrebte Erscheinung ohnehin nie erreichen würde, und kulinarische Entbehrungen daher von vornherein als sinnlose Askese gelten müssten.

Denn dann, lieber Leser, müssten Sie die nächste halbe Stunden damit zubringen, einer schwer depressiven Person im schwarz-weißen Schlabberrock gut zuzureden, sich nicht auf der Stelle vor die Tram zu werfen.

Aber das wissen Sie bestimmt alles.

9 Gedanken zu „Sommersorgen

  1. Nicht die Bohne

    Nie würde ich, ein Freund des Buchladens Schwarze Risse, mit dem mich
    gemeinsame Projekte aus meiner wildbewegten Vergangenheit verbinden,
    eine wunderschöne Frau mit einem leicht asiatisch wirkenden Einschlag und
    einer wunderbar wohlklingenden Stimme, überhaupt mit irgendwelchen
    Junghühnern vergleichen wollen, die möglicherweise Modelqualitäten
    besitzen, aber der Ausstrahlungskraft des fleischgewordenen Gesamtkuntwerks
    Modeste nichts entgegensetzen können. Allerdings muss ich generalisierend
    sagen: Für das männliche Auge ist das momentan einsetzende Schöne-Frauen-
    Wetter ganz generell eine Weide.

  2. Frau Modeste, lassen Sie sich doch nicht von Ihrer Waage betrügen. Sie müssen von dem angezeigten Wert immer zehn Prozent abziehen. Damit liegen Sie bei ungefähr 56 kg, was bei Ihrem Idealmaß unbestritten Idealgewicht sein müsste. Der schwarz weiße Schlabberrock ist natürlich ein Problem. Vielleicht sollten Sie einen Kredit aufnehmen und den kommenden Samstag für Besuche in diversen Bekeidungshäusern frei halten. Wenn ich eine hätte, würde ich Ihnen auch gerne meine Kreditkarte auf dem Postwege zukommen lassen.

  3. Darum bezeichnet eine Freundin von mir die Kastanienallee auch als die Castingallee. Und dann wirft sie den Kopf so neckisch hin und her, wie es sich auf den Laufstegen der Welt gehoert. Alsbald tauscht ein Laecheln den vom Beauty-Contest erzeugten verkniffenen Gesichtsausdruck aus. Und alles laesst sich mit weniger Hormonattacke in Augenschein nehmen.

  4. Frau Modeste,…

    …Sie bieten doch wenigstens einen Anblick, der sich lohnt. Auch aus Männersicht. Denn welcher Mann auch schon immer mal mit einer Hungerziege verbandelt war, weiß, wie unangenehm Einladungen zum geschätzten Italiener (Türken, Chinesen etc.) ausfallen. Da wird hier ein kleiner Salat geordert, nackt und unangemacht, da vielleicht noch ein Stückchen trocken Brot, aber ohne Butter, der Kalorien wegen. Dann wird lustlos im Essen gestochert, der nervöse Blick zuckt zur Packung mit den nikotingefüllten Beruhigungsstangen, die Erwartung, dass der einladende Gefährte doch endlich, bitte, endlich mit der Nahrungsaufnahme fertig sei, man möge eine rauchen, zerstört auch noch den letzten Hauch einer guten Stimmung. Finden Sie diesen Zustand anstrebenswert? Ja? Und wundern sich über die Männlichkeit, die sich enttäuscht und frustriert abwendet?

    Nein, Frau Modeste, das sollte nicht Ihr Ziel sein. Der Mann als solcher schaut zwar gerne die Modelartigen an, aber er genießt danach das Erreichbare. Dieses Verhalten ist übrigens bei Kraftfahrzeugen ähnlich. Geschwärmt wird zwar für Porsche und Ferrari, aufgrund der unerreichbarkeit dieses Traums wird allerdings auf Bewährtes zurückgegriffen.

    Ich, Frau Modeste, würde Sie in dieser Situation fragen, ob Sie noch eine heiße Schokolade, wahlweise auch mit Süßstoff (BÄH!), wollten.

  5. Das war der Kerl ohne Waschmaschine, gell? Ich sag‘ doch, Kerle ohne eigene Waschmaschine gehen gar nicht!

    Sollen wir ein Rollkommando zusammenstellen, das den Kerl mal frisch macht? 🙂

  6. Ach ja, folgenlose Tröstungen. Ich gehe jetzt raus, die Kastanienallee hoch und setze mich auf den Helmholtzplatz. Und wenn immer noch keiner guckt, ergeb ich mich dem übermäßigen Genuss von Sahnetorte, denn dann ist es ja auch egal. Sie dagegen schreiben mir alle eine Frankreichgeschichte, nehme ich doch mal stark an?

    Die Sache mit den 10 % und der Waage, Herr Superralfi, finde ich sehr interessant. 56 Kilo würde ich sehr gerne wiegen, allerdings wären auch dann die Mädchen auf der Kastanienallee immer noch unendlich dünner. Über den Rock denke ich nochmal nach.

    Was die Fütterung durch Männer angeht, bin ich ja Esserin wie Raucherin, da ist also für jeden was dabei. Aber wie Sie, Herr Pathologe, darauf kommen, dass ich mir in die tasse schütte, das wüsste ich wirklich gern! Sehe ich etwa so aus?!

    Was meinen geschätzten ehemaligen Gefährten angeht, muss man zu seiner Ehrenrettung sagen, das er bis vor einigen Monaten ja auch wenig Anlass hatte, sich eine Waschmaschine zuzulegen, derweilen die Maschine in meinem Bad zu diesem Zeitpunkt noch gemeinsamer Nutzung unterlag. Tun Sie ihm also nichts.

  7. DAS

    ewige Geheimnis der Frauen.Warum das Model als „Ideal“bild ansehen und es gleichzeitig verdammen,weil ja niemand in Askese leben will.
    Ich bevorzuge-wenn ich es mir denn aussuchen kann-auch etwas schlankere Damen,aber eben nur wenn sie sich nicht knechten und dadurch völlig lebensunlustig sind.
    Ansonsten gilt:jeder wie er mag,aber dann auch ohne Jammerei.
    Natürlich ohne Ihre hervorragende Geschichte als Jammerei zu bezeichnen:-)

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