Unter Paaren

„Eigentlich,“, sagt meine blondlockige Freundin, und schlingt ihren Arm noch ein wenig fester um ihren Freund, „wollten wir ja schon im Juli noch eine Woche weg.“ Der Freund nickt und ergänzt die unüberwindlichen Hinderungsgründe in Gestalt des Referatsleiters mit drei Kindern, dem bei der Urlaubsplanung leider der Vortritt gelassen werden musste. „Wir“ hätten also keinen Urlaub bekommen. Jetzt also solle es im Oktober losgehen, Portugal oder Sizilien, und „wir“ würden dann eine Woche mit einem Mietwagen herumfahren und anschließend eine Woche baden. – „Das hört sich aber nett an.“, sage ich pflichtschuldig, und beide Köpfe des eng umschlungenen Paares nicken eifrig und begeistert. Mit einem entschuldigenden Schwenken meines leeren Glases eile ich davon.

„Ja, hallo – Modeste!“, spricht mich vor dem Kühlschrank ein anderer Gast der Party an, und zieht mich in den Korridor, um mir seine neue Freundin vorzustellen, die klein, dünn und hennafarben an ihrer Bierflasche saugt. „Freut mich.“, sage ich, schüttele Hände, und plaudere ein bißchen über Art und Güte des Buffets, die Herstellung eines perfekten Käsekuchens, und woher ich die Gastgeber eigentlich kenne. „Wir haben uns ja in der Referendars-AG kennengelernt.“, strahlt die neue Freundin. „Noch jemand ein neues Bier?“, fragt mein Bekannter, küsst seine Freundin auf beide Wangen, um sich für knappe drei Minuten zu verabschieden, und drängelt sich durch den Türrahmen in die übervolle Küche.

„Schatz?,“ ruft eine hohe, weibliche Stimme aus dem Wohnzimmer. „Schaaatz?“, woraufhin sich ein blonder, schlaksiger Jüngling aus einer unter der Last der Weltpolitik wogenden Gruppe vor dem Buffet löst, und dem Rufen folgt. „Schaaatz“ und Freundin, so erfahre ich, seien nur noch zu Besuch in Berlin, und hätten sich in Hamburg gerade eine Wohnung gekauft. „Wir überlegen ja auch, zu kaufen.“, berichtet eine mir unbekannte Kollegin der Gastgeberin, und auf der Stelle beginnt eine längere und lebhafte Diskussion über den Kauf von Immobilien am Prenzlauer Berg, geeignete Quellen für den Erwerb antiker Kacheln, notwendige Bestandteile eines Badezimmers und die Tapetenfrage.

„Ich muss los.“, verabschiede ich mich von der Gastgeberin und erwähne meine unglaubliche Müdigkeit sowie meine außerordentliche Arbeitsbelastung. „Wohl gestern lange unterwegs gewesen?“, lacht die Gastgeberin: „Wir gehen ja gar nicht mehr so häufig aus.“ – Jaja, denke ich, und versuche mich zu erinnern, ob die Gastgeberin eigentlich zu irgendeinem Zeitpunkt eine Freundin der langen Nächte von Mitte war, und kann mich eher nicht erinnern. „Lass´ uns demnächst mal frühstücken gehen,“, schlage ich vor, „vielleicht im Nola´s? Oder im drei?“ „Gern,“, sagt meine Freundin. Nur nächstes Wochenende, da sei es schlecht. „Unsere Eltern kommen.“

„Melde dich einfach.“, sage ich, laufe die Treppe hinab und sage dreimal ganz laut „Ich“, zu der Frau in den Spiegeln im Treppenhaus.

23 Gedanken zu „Unter Paaren

  1. REPLY:

    Allein schon die Vorstellung, Frau Arboretum eines Tages „Meinefrau“ zu heißen, rechtfertigt ja chronische Ehefeindschaft.

    Ich hoffe ja immer noch, Herr Bandini, dass „erwachsen“ und „alt“ nicht ganz deckungsgleich sind.

  2. REPLY:

    Für diesen Namensverlust muss man nicht einmal verheiratet sein, Frau Modeste, eine längere Beziehung mit Schaaatz genügt oft schon. (Mit mir funktioniert sowas ja nicht, Schahatz sagen, meine ich.)

  3. Exzellent beobachtet

    und treffend beschrieben, liebe Frau Modeste. Ich habe mich angesichts dieser Sorte von Pärchen in meinen langen Solo-Jahren dann auch immer gefreut, nicht unter dem Personalpronomen „wir“ subsumiert zu werden. Auch als Ehemann kann ich mir bisweilen die Rückfrage nicht verkneifen: „Wer ist wir?

  4. REPLY:
    Liebe Modeste

    In meiner Gegend sagt man ja häufig statt „meine Frau“, was ich ja noch okay finde, häufig „die Frau“, was ich nun gar nicht mehr okay finde. Ob auch Frauen „der Mann“ sagen, weiß ich nicht. Natürlich sind erwachsen und alt vollkommen neutrale Beschreibungen und durchaus auch positiv. ABer diese Art zu reden ist dumm und wird gerne mit erwachsen oder alt verwechselt.

  5. REPLY:

    Es gibt nicht viele Menschen, die naiv genug für den Versuch sind, mich mit Geschichten über Windelservices und Pekip-Gruppen zu amüsieren. Diejenigen Menschen, die dieser ohnehin zahlenmäßig vernachlässigbaren Gruppe angehören, versuchen das in aller Regel auch nur einmal.

  6. „Wenn der kommt, kommen wir nicht!“

    So äußerte sich mal die „beste Freundin“ einer Freundin und sprach für ihren Freund offenbar gleich mit. Es ist ein Schaudern, das meinen Rücken erfaßt.

  7. REPLY:

    Klingt so. Ist ja auch nicht leicht, sich gegen den Pöbel zu stemmen.

    (Übrigens ist die andere Variante „Da muß ich erst meinen Mann/meine Frau fragen“ auch nicht viel verlockender…)

  8. REPLY:
    Zuwenig, zuviel

    Natürlich, Herr Kid, gibt es zu wenig wir in mancher Beziehung ebenso wie zuviel wir woanders. Und dass das wir zuweilen nicht nur als defensive Wagenburg gegen die Umwelt, sondern auch als Offensivformation fungiert – wer wollte das bezweifeln…

  9. REPLY:

    Anstrengende Abende unter Paaren kennt auch, wer einen Partner hat („Also, WIR finden ja schon, dass…“ Gnnnnnnn…).
    Stellen Sie sich mal vor, Sie würden ständig im Plural angesprochen: „Und was macht IHR am Wochenende?“ („Öh, also ICH wollte ins Kino gehen und Dias sortieren.“) Oder dass Sie plötzlich von Ihren Freundinnen im Plural eingeladen werden: „Habt IHR nächste Woche Zeit?“ („Äh, ich hatte nicht den Eindruck, dass Du und der Mitbewohner besonders aneinander interessiert wärt.“) Gerne auch: „Habt IHR schon Urlaub geplant?“ („ICH wollte mit meiner Mutter eine Polenrundreise machen oder einen Französischkurs in Südfrankreich.“)
    Zu kompletter Verwirrung reicht ja schon, dass ich meinen Partner nicht automatisch in Schlepptau nehme, wenn ich irgendwo eingeladen bin. Das führt dann zu herzerfrischenden Begrüßungen an der Wohnungstür der Gastgeber: „Hallo!“ (Blick sofort an mir vorbei ins Treppenhaus.) „Ja wo ist denn Dein Mitbewohner?“

  10. REPLY:

    Da blinken doch alle Wiedererkennungseffekte – sehr schön auch die besorgten Nachfragen, „Ich will mich da ja nicht einmischen – aber ich habe den Eindruck bei euch läuft´s gerade nicht so gut?“, wenn man häufiger mal alleine auftaucht und die Symbiose offensichtlich verweigert.

    Zum schlechten Ende dann das auguren Lächeln, derer, die es schon immer gewusst haben.

  11. REPLY:

    Als Single-Frau fliegt man ja zum Glück bei einer ganz bestimmten Sorte Leute meist früher als später aus dem Bekanntenkreis, wenn die sich verpaart haben. Sie laden dann nämlich vorzugsweise nur noch andere Paare ein. Auf diese Weise bleiben einem solche Abende erspart.

  12. ich wurde

    vor vielen jahren mal von einer paarparty verwiesen. eine paarparty ist ja gerne ein abendessen, denn man hat es ja nicht mehr so mit der lauten musik, was ich an sich ganz angenehm finde. die damen geben sich in der küche auch meist mehr mühe als ich.

    ich kam pünklich und suchte mir einen hübeschen platz am tisch. es gab keine tischkärtchen. noch vor der vorspeise kam ein paar, dass gerne nebeneinander und auf meinem platz sitzen wollte. ich bin ein netter mensch und setzte mich einen platz weiter. während der vorspeise kam ein anderes paar, dass gerne nebeneinander sitzen wollte, was zwei weitere paare dazu veranlasste, ihre vollen teller zu nehmen und sich umzusetzen. ich schlug gegenüber-sitzen vor, weil ja blickkontakt auch sehr schön wäre und man ja unter dem tisch ein wenig füßeln könnte. dieser vorschlag wurde kopfschüttelnd abgelehnt. es war ja auch nicht nötig. ganz selbstverständlich hatten sich die anderen paare schon umgesetzt.

    während des hauptganges, als ich gerade eine kunstvoll beladene gabel zum mund führte, kam ein anderes paar, dass gerne nebeneinander sitzen wollte. ich ignorierten den wunsch und belud weiter meine gabel kunstvoll, weil wenn ich etwas gesagt hätte, dann wäre es sehr unflätig geworden. ich hatte also gerade den mund ziemlich voll, als das tischgespräch auf mich kam. das zuletzt gekommen paar (bei der hauptspeise! es gab noch keine kinder, die als ausrede für das zuspätkommen hätten herhalten können) fummelte hysterisch aneinander herum, als wäre es das letzte mal. der rest der gesellschaft liess sich über frustrierte singles im allgemeinen und die häufigkeit meines geschlechtsverkehres in letzter zeit im speziellen, sowie die angeblichen auswirkungen auf meine laune, aus.

    ich kaute und hörte mir das eine weile an. das essen war vorzüglich. ich fand es aber etwas unbequem zu essen, während der krieg neben mir tobte. die damen wurden etwas lauter. diese hohen töne wirken sich unschön auf meine magenschleimhaut aus. aber es war sehr lecker. wer weiß, wann ich wieder so etwas bekommen würde, also kaute ich langsam und speichelte gut. erst als ich mich einigemaßen gesättigt fühlte wurde ich unflätig. daraufhin wurde ich des tisches verwiesen. glücklicherweise klingelte in diesem moment das telefon. es war ein verehrer, dem ich die telefonnummer gegeben hatte, um sich zu erkundigen, wann er mich abholen könnte, um sich nach der pflichtveranstaltung gemeinsam ins singelige nachtleben zu stürzen. ich durfte noch telefonieren aber ich wurde nie mehr eingeladen.

  13. REPLY:

    Herrje, Frau .meike – das klingt ja richtig fies. Hört sich nicht nach Leuten ein, bei denen man bedauert, nicht mehr eingeladen zu werden. Eine gute geschichte, aber einen netten Abend stellt man sich wirklich anders vor.

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