Ob das Universum unendlich ist, oder ob man nicht doch, flöge man immer geradeaus, irgendwo an eine Wand stoßen würde, hinter der es nicht weitergeht, mag mein grauhaariger, magerer Physiklehrer mit den schiefsten Zähnen der westlichen Hemisphäre irgendwann einmal erzählt haben, auch diese Information ist indes an meinem für Naturwissenschaften aller Art extrem wenig empfänglichen Gehirn komplett vorbeigegangen.
Selbst für den Fall, dass sich das Universum als endlich erweisen sollte, ziemlich lange wäre man doch unterwegs, stelle ich mir vor, würde ich heute nacht von der Brüstung meines Balkons im vierten Stock mit ausgebreiteten Armen immer höher hinauf fliegen. Dünner würde die Luft, kalt würde mir, und ich würde bedauern, nicht noch einen Pullover angezogen zu haben, und vielleicht doch die Barbour-Jacke statt des grünen Jäckchens mit den Goldknöpfen, das ich in Budapest gekauft habe letzte Woche. Einigen Flugzeugen würde ich ausweichen, mich auf einem Satelliten ein wenig ausruhen, weil das Fliegen eine anstrengende Sache ist, und für ein paar Minuten, eine Zigarettenpause lang, hätten die Berliner einen hundsmiserablen Fernsehempfang und würden mit der flachen Hand ein wenig ärgerlich auf das Gerät klopfen, bis ich weitergeflogen wäre, aber das wissen die Fernsehzuschauer ja nicht, da unten auf ihren Sofas. Am Mond käme ich vorbei und an der Sonne, an den anderen Planeten und dann immer weiter, vorbei an Himmelskörpern, die man von Berlin aus gar nicht mehr sehen kann, bis ich irgendwo angekommen wäre, wo nicht einmal die NASA mehr weiß, wie es da ausschaut.
Wenn das Universum aber tatsächlich unendlich, oder doch zumindest fast grenzenlos sein sollte, dann wird sich unter den unendlich vielen Himmelskörpern doch auch eine unendlich große Zahl von Sternen befinden, die menschlichem Leben genauso zuträglich sind wie die Erde? Und auf einer Reihe dieser Sterne hätte auch das menschliche Leben ungefähr die selben Bahnen wie hierzulande beschritten? Auf einigen dieser Planeten, denke ich mir, hat sich die menschliche Zivilisation natürlich völlig anders entwickelt, auf einigen Sternen ist man noch im Jahre 1512 und auf anderen bereits im Jahre 80080 – und auf einigen Sternen ist irgendetwas schiefgelaufen, Hermann Göring III. wäre ein veganer Erbmonarch, irgendwo anders hätte die Russische Revolution gesiegt, und ganz woanders wäre Berlin eine hässliche, dreckige und kaputte Stadt, in der keiner leben mag, der´s vermeiden kann.
Die Hälfte von unendlich, so höre ich meinen Mathematiklehrer knarzen, sei immer noch unendlich, und so müsste ja auch ein kleinerer Teil von unendlich immer noch unendlich sein, und in einigen dieser unendlich vielen Welten sind die Abweichungen von dieser Welt alles in allem eher unbedeutend: Irgendwo, wo man schon recht lange hin unterwegs wäre, würde man dort seinen Urlaub verbringen, wäre eigentlich alles so wie hier, nur das Bürgerliche Gesetzbuch wiese einige kleinere Abweichungen auf. Oder die Kastanienallee wäre Fußgängerzone. Und in einem noch kleineren Teil dieser unendlich vielen Welten würde auch ich herumsitzen, aber hätte etwa Germanistik studiert oder wäre Krankenschwester.
In einem noch kleineren Teil wäre ich zwar, wie ich bin, aber hätte damals, 15 Jahre ist´s her, den G. bekommen. Oder den E. nicht geküsst, oder den J. behalten oder hätte im Frühjahr meine Sachen gepackt und wäre nach Wien gezogen. In einer dieser vielen Welten habe ich mir die viele Arbeit gar nicht aufnötigen lassen, die mir diese Woche zäh und mühsam die Tage füllt, und säße gerade im „Visite ma tente“ beim Wein herum mit der C., oder mit dem B. im „Lass uns Freunde bleiben“ beim Tannenzäpfle statt daheim beim Tee, oder würde mit dem J.² irgendwo in Friedenau auf die Kinder seiner Kollegen aufpassen wie verabredet.
Und irgendwo, in einem noch kleineren Teil der unendlich vielen Himmelskörper, gäbe es natürlich auch eine Blogosphäre. Und mein Blog. Und diesen Eintrag.
Lesung
in einem dieser kleinen universen weiss ich von einer kommenden lesung,
ein aphrodisierendes menue begleitend,
inhalt der lesung aber noch unbekannt 😉
und ich bin froh…
…dass ich gerade auf diesem infinitiven, kleinen Himmelskoerper lebe, zwar doch endlich entfernt, aber dennoch das Glueck habe, hier lesen zu koennen und zu duerfen. Dankeschoen!
Warten Sie noch fünf Minuten bevor Sie losfliegen. Ich schmiere Ihnen noch schnell ein Butterbrot.
REPLY:
Woraus, liebes Zoe, besteht – Sie als Experten gefragt – eigentlich ein aphrodisierendes Essen? (Außer aus Torte natürlich). Und ist – zumindest in dieser Galaxie – etwas dran an den Gerüchten bzgl. Austern etc.?
Na, Herr Pathologe, andernorts, da wären Sie ja auch Leser der anderen Modeste, die von mir ja nur dadurch unterscheidet, dass ich nicht „ich“ zu ihr sage, sondern „die da“.
Und was die Butterbrote des Herrn Gibsmir angehen, so bedanke ich mich recht schön und beiße einmal herzhaft zu.
Glaube
zitat:
„Liebe beginnt im Kopf. Wer nicht an die Wirkung verschiedener Aphrodisiaka aus Mutter Natur glaubt, der sollte sie auch nicht ausprobieren. Denn streng wissenschaftlich gesehen, gibt es kaum Beweise für lustfördernde und potenzsteigernde Liebesspeisen und Küchenkräuter. Aber wie ein altes Sprichwort sagt: Liebe geht durch den Magen. – Und der Glaube versetzt Berge“
„und ganz woanders wäre Berlin eine hässliche, dreckige und kaputte Stadt, in der keiner leben mag, der´s vermeiden kann. “ Da warte ich jetzt förmlich auf den Don Alfons Unk. Das ist ja eine Steilvorlage.
Hätte ich die P. bekommen, sähe meine Freundin zwar aus wie Hilary Duff, ich dafür aber wie der Monaco Franze in der letzten Folge.
REPLY:
Also auch auf dieser Front, liebes Zoe, wieder keine Möglichkeit, die eigene (oder fremde) Natur zu überlisten.
Und was den Herrn Monaco Franze angeht, Herr Burnston, weiß ich jetzt gerade so gar nicht… wie sah der nochmal aus? Und in der letzten Folge? Drastische Beschreibung oder bildhafter Link, Sie stoßen auf eine Bildungslücke.
REPLY:
Das Hätte ist wie ein großer, fetter Burger. Ungesund, überflüssig, manchmal giert man danach, braucht ein Weilchen zum Verdauen, und anschließend kann man es eine ganze Zeitlang nicht mehr sehen. 😉
REPLY:
Ha, ICH weiss, wie der Burns als Monace Franze aussieht, Frau Modeste. Darf ich´s veröffentlichen, JC B.? Ich schätze, die Antwort ist nein. Und ich tue es natürlich auch nicht, weil der Burns noch ein As in Form einer MP3 im Ärmel hat, welches die Blogosphäre ebenfalls niemals hören/sehen dürfte… 🙂
Aber er schaut gut aus, der Burns als Monaco Franzl!
Und ich bin froh, in eben diesem Teil mit den unendlich vielen Himmelskörpern gelandet zu sein, denn sonst wäre mir schlimmstenfalls die Blogosphäre, Ihr Blog und dieser Eintrag verwährt geblieben!
Lieber ohne Ende als ohne Mitte?
Wenn die Physikanten mit ihrer so gar nicht(?) religiösen Idee der Unendlichkeit etwa gegen die archaische Angst vor dem einstürzenden Himmel von Asterix gekämpft haben. Wenn die Physikanten in echt nur Leute sind, die mit schlau gegen alte Ängste angehen?
Dann wäre ein Flug durch viele Universen und viele Himmels mit tausenden Ichs gar kein Problem. Vielleicht hat ja Bataille recht und wir kriegen jeden Morgen beim Aufstehen ein neues Ich. Das wäre eigentlich ein Grund für ein anständiges Brötchen mit viel leckerem Miel. Und selbst wenn das alte Etikett von gestern dran klebt. Heute schmeckte dasselbe Brötchen vom selben Bäcker mit dem gleichen Honig eben etwas sonniger obwohl draußen Nebelpamp war. Vielleicht ist das All ja ein unmittiges. Vielleicht ist auch die Person oder das Ich ein unmittiges und wenn man es tausendmal teilte, wäre es noch immer unmittig.
das gute an der unendlichkeit ist weiterhin, dass alles was war ist und sein wird sich in der unendlichkeit wiederholt. also werde ich wohl in unendlich vielen jahren wieder hier sitzen und mühsam die zeilen runtertippen und mich freuen, über die unvorstellbare unendlichkeit.
Und irgendwo, in einem noch kleineren Teil der unendlich vielen Himmelskörper, gäbe es natürlich auch eine Blogosphäre. Und mein Blog. Und diesen Eintrag.
Da bin ich froh, mich in diesem kleinen Teil aufzuhalten und ihr Blog lesen zu können, sonst wüsste ich wohl nicht, was mir gutes entgeht.
Und immerhin kann es auch tröstlich sein, dass andere ähnliche Gedanken haben.
Hätte, wäre, könnte
Vielleicht wäre man ein Arschloch geworden.
REPLY:
Die Gefahr ist nicht nur im Irrealis allgegenwärtig.
REPLY:
Das Hätte verliert doch viel an Reiz, wenn das Ist auch ein ganz netter Zustand ist, Herr Booldog. Heute abend allerdings wäre mir eine Welt, in der ich ohne Lasten und Pflichten einfach durch die Bars und Clubs herumstreunen könnte, um ein Vielfaches lieber.
In dieser Welt, Herr MC, gäbe es natürlich auch eine Blogosphäre und ich hätte Zeit und Lust, das Blog morgen früh mit einer reizenden Geschichte zu befüllen, die ich diese Woche leider nicht erleben werde zu Hause am Schreibtisch.
Und das ein solcher Flug, Herr (?) Moravagine, kein Problem sein dürfte, das freut mich natrlich besonders – auch wenn ich gerade gar nicht weiß, was man denn anziehen sollte… und ob Herrn Gibsmirs Bitterbrot als Proviant reicht.
Und auch die Frau Modeste in grauer Zukunft wird sich über Ihren Kommentar, Frau Frank und Frau Klugscheißer, freuen, und beim Beantworten in einen Apfel beißen.
Und was die Arschlochgefahr angeht, Herr Kid und Herr Burnston, ist es doch schön, das wir alle so ausnehmend reizende Leute geworden sind.
Un-endlichkeit
Irgendwie komisch..man ist nie zufrieden, das Universum ist gigantisch und nicht einmal die Meere oder die Urwälder sind ganz erforscht.
Und trotzdem hinterlässt die Behauptung das das Universum endlich sei ein eigenartiges Gefühl. Das es vielleicht irgendwann einmal zuende sein könnte mit den Entdeckungen.
Nein Unendlichkeit hat da doch einen größeren Reiz…
Ich denke nicht das sich auf anderen Planeten sich ähnlich wie auf der Erde abspielt (natürlich ist die Möglichkeit dazu unendlich groß *g*), aber die Quantenmechanik sagt das es Unendlich Viele Paralleluniversen gibt, in denen du diesen Eintrag nicht geschrieben hast.
Nebenbei gesagt ist das „Ist“ selten ein netter Zustand, was auch als Grund für Kunst und Erfindungen gelten mag, es sei denn man trainiert dafür, ein ganzes Leben. Das tun Buddhisten und andere.
Das „hätte“ ist ganz nett für „was wäre wenn“ überlegungen, doch das „könnten“ ist am interessantesten.