Das Auto mit dem Verkaufsangebot in der Beifahrertür war wirklich schön: Ein alter, dunkelblauer Saab, gut erhalten, sichtlich gepflegt, und zu einem Preis, der sogar annähernd berufslosen Personen den Erwerb nicht völlig abwegig erscheinen lässt. Auf dem Bürgersteig vor dem Wagen tippte ich die angegebene Telephonnummer schnell ins Handy und ging weiter Richtung Markt.
„Was willst du mit einem Auto?“, fragt mit dem unverkennbaren Unterton einer heftigen Irritation der geschätzte ehemalige Gefährte einige Stunden später nach. „Nur so zum Rumfahren.“, beschreibe ich meine Pläne, male Ostseewochenenden aus, und spreche von ersparten Aufwendungen für Taxifahrten in entlegene Stadtteile. „Du hast nicht mal einen Führerschein.“, protestiert der J. weiter gegen den Kauf des Fahrzeugs. „Na und?“, widerspreche ich, und lege meine Pläne zum völlig legalen Erwerb einer Fahrberechtigung im osteuropäischen Ausland ausführlich dar. Am anderen Ende der Leitung stöhnt der geschätzte ehemalige Gefährte einige Male ebenso schmerz- wie geräuschvoll in den Hörer.
Einen Führerschein, so weit war dem geschätzten ehemaligen Gefährten zuzugeben, hatte ich tatsächlich nie besessen. Einige Zeit vor meinem 18. Geburtstag hatte ich zwar tatsächlich mit der Absicht, einen Führerschein zu erwerben, eine Fahrschule aufgesucht, und es lag nicht an mir, dass aus diesen Plänen lange vor der avisierten Fahrprüfung nichts werden sollte.
Als entschiedene Anhängerin der Vorzüge der Theorie gegenüber der Praxis, verliefen die ersten Theoriestunden noch halbwegs friedlich, und auch die erste Fahrstunde gab zu wenig Ärger Anlass, zumal der rein technische Vorgang des Autofahrens mir nicht völlig unbekannt war. Dass der fließende Verkehr zu Problemen mit meiner ausgeprägten Links-Rechts-Schwäche führen würde, war gleichfalls zumindest für mich nicht wirklich erstaunlich, der Fahrlehrer jedoch, bar jeder heiteren Gelassenheit, die solchen Personen eigentlich zu eigen sein sollte, fuhr den Wagen nach einigen Minuten rechts auf einen Parkstreifen und brüllte mich an. Mit geschwellten Adern, rot wie ein roher Schinken, und generell von jener teigig-pickeligen Beschaffenheit, die ehemalige Unteroffiziere auszeichnet, die nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr ihre Abfindung in eine Fahrschule investieren, bramarbassierte die erbärmliche Existenz auf dem Fahrlehrersitz irgendetwas, in dem in auch aussprachetechnisch eher ungepflegtem Deutsch eine ungewöhnliche Konzentration von Kraftausdrücken meine keimenden Fahrkünste diffamierte. Mundgeruch und Speichel ergossen sich über mein Gesicht, und ich stieg aus, um zu Fuß nach Hause zu gehen. Nie wieder, schwor ich mir, würde ich jene Fahrschule betreten, und einen Führerschein bräuchte ich gleichfalls eigentlich überhaupt nicht. Mein Vater, der einer autofahrenden Tochter ohnehin mit einiger Sorge entgegensah, bestärkte mich in diesem Glauben, und versprach ständige Fahrbereitschaft.
Zehn Jahre lang trat die Versuchung nicht an mich heran, und der Daueraufenthalt in großen Städten löste das Fortbewegungsproblem, ohne dass es überhaupt in nennenswerter Weise in meinen Fokus geraten wäre. War doch einmal ein Kraftfahrzeug zu bewegen, so stand der jeweilige Gefährte, jeweils Inhaber von Fahrberechtigung wie Fahrzeug, hilfreich zur Seite.
„Ich kann dich auch weiterhin fahren.“, verspricht der geschätzte ehemalige Gefährte, und verweist auf kurze Distanzen und die seltenen Gelegenheiten, in denen der Besitz eines Autos erforderlich sei. „Ich stelle mir ein eigenes Auto aber irgendwie netter vor.“, maule ich ein bißchen weiter. „Und wenn du einen Führerschein machst, dann bitte auch in Berlin.“, bohrt der J. „Auf keinen Fall!“, rege ich mich auf und stelle mir mit Grauen die Berliner Version des widerlichen Fahrlehrers vor.
„Wenn du dir einen tschechischen Führerschein kaufst und Auto fährst,“, kündigt der J. an, „dann rufe ich deinen Vater an.“ – Elende Petze, ekelhaftes Miststück.“, beschimpfe ich den Herrn, welcher den Status des Exfreundes, wie mir auf einmal wieder überdeutlich vor Augen steht, ja nicht ganz grundlos erlangt hat, und lege empört auf.
Ach, Frau Modeste, soll er doch den Vater anrufen. Auf dessen Ansichten würde ich in diesem Falle nicht allzu viel geben.
Die Fahrprüfung in Berlin allerdings war die Grauenhafteste, die ich je absolvieren musste. Die Prüfer sind allesamt ältere Ausgaben der Fahrlehrer. Allerdings: Das einzig Positive war meine Fahrlehrerin, die mit ihren männlichen Kollegen glücklicherweise so gar keine Gemeinsamkeiten hatte.
Sie und Ihr geschätzter ehemaliger Gefährte sind wirklich ein tolles (Ex-)Paar. Ich glaube, es wäre ein vorzügliches Vergnügen mit ihm mal ein Bier zu trinken und über die Damenwelt zu schwadronieren. Bitte organiseren Sie das doch mal für mich. Sie müssen dann aber leider weiter ziehen, ich kann sie aber auch mit dem Auto schnell irgendwo hinfahren.
Autofahren in Berlin ist angenehm und macht Spaß, also nur Mut. In der Anklamer Straße ist eine „Fahrschule in der Weiberwirtschaft“, die damit wirbt, geduldig zu sein. Vielleicht verrät Ihnen aber auch Frau Kirschrot, wo sie es erlernt hat.
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Das stimmt übrigens: Berlin ist prima. Breite Straßen und man darf fast überall abbiegen. Komische Regeln wie rechts vor links sind äußerst selten anzuwenden. Die schwierigste Stadt dafür ist übrigens nicht Frankfurt, die jedoch für seine meilenweite Unmöglichkeit des Linksabbiegens gefürchtet ist, sondern die beschauliche Regierungsbezirkshauptstadt Darmstadt. Dort nämlich müssen angeblich die Fahrlehrer ihre Prüfung ablegen.
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Ja, aber dafür pöbelt und hupt der Berliner Autofahrer auch bei jeder Gelegenheit (ich nehme mich selbst nicht aus).
Und, ich muss das ja mal sagen: Am Schlimmsten fand ich München. Einbahnstraßen und kein Ende (München-Bashing, Teil II).
Meine Fahrschule wird Frau Modeste nicht zusagen, die liegt viel zu weit südlich. Ich weiß auch gar nicht, ob es die noch gibt.
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Bin ich verrückt, und gebe meinem geschätzten ehemaligen Gefährten Gelegenheit, die deutsche Blogosphäre von meinen offenbar manchmal anstrengenden Wesenzügen zu informieren?
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Geduld? Geduld habe ich selber nicht, ich will den Führerschein sofort und ohne große Umstände. Ich dachte auch eher weniger an Berlin als an Eger, da sstelle ich mir recht geeignet vor, und schnell geht es auch.
nur keine Bange
Ein Fahrschüler kann fahren wie es ihm in den Sinn kommt. Die Verantwortung trägt allein der Fahrlehrer. Das ist für den Schüler eine sehr beruhigende Tatsache.
Einst, wie schnell die Jahre wohl vergingen, absolvierte ich meine Ausbildung bei einem Fahrlehrer, von dem ich nun weiß, dass er früher Unteroffizier in der Army war.
Ich bat ihn mit mir eine Ausbildungsstunde über den Großen Stern, die damals berüchtigte Kreuzung von ganz Berlin, durchzuführen. Der Große Stern war zu jener Zeit noch nicht mit Ampeln innerhalb des Kreisverkehrs ausgerüstet.
Der gute Fahrlehrer hatte sich inzwischen schon eine goldene Nase an mir verdient, weil wir Fahrstunde für Fahrstunde durch die dreißiger Zonen des ihm wohlbekannten Stadtbezirkes Friedrichshain zogen. Das schien kein Ende zu nehmen.
„Muss das sein?“ fragte er mich und seine Stimme bebte und sein Blick flackerte, als ich mein Verlangen nach dem Großen Stern zum Ausdruck brachte.
„Ja.“
„Dann“, er bedachte mich mit einem schiefen Blick, „brauchen wir aber eine Doppelstunde.“
Und so geschah es.
Wir fuhren von allen fünf Straßen in den Kreisverkehr hinein und wieder heraus. Ich verließ mich auf den Selbsterhaltungstrieb der anderen Fahrteilnehmer. Mein Fahrlehrer konnte nicht eingreifen, wir schwammen in einem reißenden Strom von Fahrzeugen. Die quietschenden Bremsgeräusche der anderen Teilnehmer klingen mir noch heute in den Ohren.
Ein Seitenblick belehrte mich, dass der ehemalige Unteroffizier inzwischen schweißgebadet war, stier starrte und sich mit beiden Händen an den Sitzkanten festkrallte.
Endlich parkte ich in einer Seitenstraße.
„Zigarettenpause?“
Er nickte ergeben.
Seine Hände zitterten, als er sich seine Zigarette anzünden wollte und die Flamme erlosch dreimal, weil er so einen starken Mundgeruch hatte.
Gruß
Mukono
http://www.herbscafe.istim.net
Diese „Stolz und Vorurteil“-Sprache liest sich wunderbar bei diesem Thema. Dieser sehr gelungene Text macht richtig Spaß. (Keine Ironie meinerseits)
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Liebe Frau Modeste, stellen sie sich nur einmal vor, sie steigen dann mit dem neu erworbenen Führerschein aus Tschechien in ein Auto in Berlin, sie werden angehupt und angepöbelt, während sie das erste Mal ausparken. Meinen Sie wirklich, sie sind darauf vorbereitet, sich nicht zu ärgern und gar ein zweites Mal in Ihrem Leben in Ihr neues Auto zu steigen und herumzufahren. Wenn ja, dann machen Sie es. Wenn nein, dann weiß ich auch keinen Rat.
Aus der Reihe: Vokabeln, die ich in meinem ganzen Leben noch nirgendwo gelesen oder gehört hatte, bis ich anfing Modeste zu lesen: „bramarbassierte“
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Ich nutze hier ja auch öffentliche Verkehrsmittel und bin die Berliner Umgangsformen insofern gewöhnt, dem sehe ich mit einiger Ruhe entgegen. Ich denke, ich werde das machen, erwerbe zur Sicherheit aber erst den Führerschein. Wenn ich den nicht mal in Tschechien bekomme, dann lasse ich es vieleicht wirklich besser bleiben.
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Fahrlehrer, Herr Mukono, werden anscheinend alle im selben Nest ausgebrütet, und ich verstehe zunehmend, was junge Männer an der Bundeswehr so abstoßend fanden, dass selbst ein Zivildienstjob im Altersheim dagegen noch als pures Gold erschien.
Dass es Ihnen, Herr Konradin, hier bisweilen doch gefällt, freut mich natürlich besonders, und Herrn Burnstons Wortschatz zu bereichern wird mir stets eine außergewöhnliche Ehre sein.
Ja, machen Sie unbedingt den Führerschein. Dann
klauenschnappen Sie sich ein Auto und fahren irgendwohin, von wo es sich lohnt eine Postkarte zu schreiben und mir zu schicken. Ich warte nämlich immer noch auf den Gewinn vom Paris-Berlin-Wettbewerb 😉schöner scherz. hab sehr gelacht. 😉
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Aber bitte vor dem endgültigen Memorieren ein „s“ streichen 😉
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Wobei mir allerdings die Verwendung des schönen Wortes bramarbasieren im obigen Zusammenhang nicht ganz einleuchtet, denn mit den Fahrkünsten von Frau Modeste wird jener Herr kaum geprahlt haben.
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Nein, jener Herr prahlte vielmehr mit seinen eigenen Fahrfähigkeiten sowohl als Fahrer als auch als Lehrer, und teilte mir mit, er habe nie, nie eine unbegabtere Schülerin als mich gehabt, und ich sei nicht würdig, auch nur einen Rasenmäher zu fahren.
Herr Kid hat wie immer recht.
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Scherz? Wieso Scherz? Du wirst mich vorfahren sehen, verlass‘ Dich drauf.
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Wie peinlich. Frau Klugscheisser, Sie können es sich aussuchen – Berlin (sofort) oder Tel Aviv (Mitte Januar). Berlin ist schöner.
immer in die vollen! FS in berlin machen! danach überleben sie auch paris und rom! 😉
http://flensblog.blogspot.com/
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Die ideale Stadt zum Autofahren: Kassel. Immer schön an der Wilhelmshöher
Allee orientieren, dann klappt das schon. Die absolute Kür: Cairo. Bitte
nicht auf die Farbe der Ampeln achten, das ist bei denen so eine Art Lichtorgel
zur Unterhaltung. Lyon und Nimes sind auch nicht schlecht. Spezialtipp:
Salobrena an der Costa Tropical, wo ich mal mit beiden Seiten eines Opel Corsa
in einer Gasse klemmen geblieben bin, die für Eselkarren gebaut war.
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okay, ich werd dich vorbeifahren sehen. soweit kann ich mir das vorstellen. aber wer fährt? 😉
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… ich sei nicht würdig, auch nur einen Rasenmäher zu fahren.
Sagen Sie das nicht, Frau Modeste! Ich hätte da etwas für Sie. Ich lasse Sie auch mal ans Steuer – aber nicht die Gartenzwerge umfahren, die können ja auch nichts dafür!
Es ist nie zu spät für Visionen! 🙂 Aus eigener Erfahrung rate ich bei der Prüfung aber: Mind the Scheibenwischer!
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Dann entscheide ich mal zugunsten von Berlin 😉
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Geht heute raus, befeuert von ohnehin fälligen Postbesorgungen und schlechtem Gewissen.
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In Berlin, Flensman, besuche ich jedenfalls keine Fahrschule und verlasse ich fest auf mein angeborenes Talent zum Autofahren, das sich selbstverständlich, Ole, auch auf den Scheibenwischer bezieht. Hoffe ich.