Hosenwunder und Skeptizismus

Man muss sich das fast ein wenig unheimlich vorstellen: In Gesellschaft meines geschätzten ehemaligen Gefährten, des lieben J., betrete ich so gegen 17.00 Uhr den HUGO-Shop am Hackeschen Markt, eine lächelnde Verkäuferin kommt mir entgegen, und zehn Minuten später stehe ich in einer der wirklich sehr schönen, vollverspiegelten und riesengroßen Kabinen und nicke meinen vielen Spiegelbildern wohlgefällig zu. Die Hose passt.

„Die nehm‘ ich mit.“, übergebe ich der netten Verkäuferin das Hosenwunder und wühle in meiner Tasche nach meinem Portemonnaie. Besonders teuer sind die Jeans auch nicht, so verglichen mit anderen namhaften Jeansfachgeschäften, und mit dem neuerworbenen Kleidungsstück sauber eingeschlagen in dieses Knisterpapier, in das man normalerweise Hemden verpackt, und versehen mit einer glitzernden Karte, auf der sich das HUGO BOSS Imperium für den Einkauf bedankt, stehen wir keine halbe Stunde nach unserem Eintritt wieder vor dem Geschäft. Dem geschätzten ehemaligen Gefährten stand der Schweiß der Erleichterung sichtbar auf der Stirn: Noch einmal davongekommen.

„Ich kann’s gar nicht fassen.“, beschwor ich den Geist des Hosenwunders später über den Resten schwarzen und weißen Pressacks mit Bier im Weihenstephaner und zündete mir eine Zigarette an. „Da stimmt doch irgendetwas nicht.“ – „Was ist denn jetzt schon wieder?“, ächzte der J. und schickte verzweifelte Blicke an die Decke des Lokals.

„Warum geht es bei HUGO, und im Dieselstore führen sie meine Größe nicht einmal?“, sinnierte ich, und warf zweifelnde Blicke auf die Tüte, in der sich die Jeans verbarg. „Ist HUGO vielleicht, ohne dass sich mir dies erschlossen hätte, ein Label für nicht mehr ganz junge, schon etwas aus dem Leim gegangene Leute, und schon deswegen eigentlich untragbar für die Gruppe der wahrhaft lässigen und schönen Menschen, deren bevorzugte Jeans ich auch gerne tragen würde? Oder geht es HUGO schlecht, und man ist in Metzingen angewiesen auf den Mehrerlös aus dem Verkauf von Jeans an kleine, dicke Frauen mit Jeansgröße 29/32, und an den Hosen haftet der Geruch der Verzweiflung und Erfolglosigkeit? Lachen schöne und stylish dreiundzwanzigjährige DJ’s und Schauspielschülerinnen über meine Hosen? Bedeutet der Kauf dieser Jeans meinen endgültigen Eintritt in ein Erwachsenenalter, das den selbstverständlichen und entspannten Glanz der Jugend nur noch in Übergröße zu imitieren versucht?

Oder habe ich schlichtweg einen Schaden, und die Jeans sind okay?“

14 Gedanken zu „Hosenwunder und Skeptizismus

  1. Nun, da meinereiner secondhand kauft und sich weder Diesel noch Boss leisten könnte
    (zumindest nicht neu), würde ich sagen: Solche Probleme möchte ich mal haben!
    Ansonsten: Einfach über den schnellen Kauf freuen, pflücke den Tag!

  2. Ein Auftatmen geht durch die Blogosphäre. Aber in der Tat staune ich da. Hugo ist doch eher was für schmale Knaben und ich werde da seit Jahren nicht mehr fündig. Also Boss hätte ich verstanden, aber Hugo! Erstaunlich, da gehe ich auch mal wieder hin.

  3. REPLY:

    Ich wusste ja nicht, dass es überhaupt einen Unterschied zwischen Hugo und Boss
    gibt, aber da die mal als Uniformschneider angefangen haben (meines Wissens
    kleiden sie bis heute die Bundeswehr ein, der Edel-Couturier und Accessoires-Hersteller
    ist nur Nebenerwerb) denke ich mal, die Klamotten sind einfach userfreundlicher,
    praxisnäher.

  4. Oh, werte Frau Modeste,

    und eingeschlagen in dieses Knisterpapier, in das man normalerweise Hemden verpackt, versehen mit einer glitzernden Karte, auf der sich das HUGO BOSS Imperium für den Einkauf bedankt, stehen wir keine halbe Stunde nach unserem Eintritt wieder vor dem Geschäft.

    Das hätte ich zu gerne gesehen.

  5. REPLY:

    Oooops….unabsichtlicher Brüller. Das hat man davon, wenn man beim Frühstück so zwischen Zeitung und erster Tasse Tee irgendwas in die Tasten haut. Das ändere ich aber noch. Wer diesen sprachlichen Lapsus dann noch entdecken will, muss in die Kommentare steigen. Puh.

  6. REPLY:

    Nein, Herr Workingclasshero, da überschätzen Sie die finanziellen Aufwand, der erforderlich ist, um eine solche Hose zu erstehen. Bei Diesel an der Weinmeisterstraße sind lausige Jeans geschlagene € 60,– teurer, das muss man sich auch mal vorstellen.

    Dass die Jeans passen, Herr Bandini, wundert niemanden mehr als mich. Es gab das Modell (schmal geschnitten, jeansblau, Waschung, tiefer Bund) sogar noch größer. Vielleicht hat Che recht, und man orientiert sich bei den praktischen Schwaben doch ein wenig mehr an real existierenden Leuten.

  7. Wie wunderbar ! Herzlichen Glückwunsch ! Die Größenangabe sehe ich als schmal im Bund und normal in der Länge. Bei mir mindestens 5 Lichtjahre her, dass ich da reingepasst habe…Deshalb die Flucht zu E*pr*t. Ich glaube seit circa 4 Jahren führen sie tragbare Jeans.

    Um die Frage zu beantworten, ich denke die Jeans sind okay !

  8. …nicht dass stylishe Schauspielschüler und DJanes viel Energie für Dinge ausserhalb ihres unmittelbaren Gesichtsfeldes verschwenden würden. Auf nichts, das älter als 25 wäre jedenfalls. Ausser: promi. Oder seeeeeeehr stylish. Und 29/32 – na ja. Grüner Bereich, oder?

  9. Danke, Frau Lore. Das wollte ich hören. Man ist sich bei Jeansgrößen ja nie so besonders sicher, was dass jetzt zu bedeuten hat; anders als bei den normalen Konfektionsgrößen, wo man halt weiß, was die magische Differenz zwischen 36 und 38 zu bedeuten hat.

    Ihren Hosenkauf, Herr Kid, habe ich noch gut in Erinnerung. Leider gibt es von der Lesung in Frankfurt ja keine MP3`s, so dass Ihre persönliche Interpretation Ihres Hosenkaufs mir verschlossen bleibt. Sehr schade – Sie müssen mal in Berlin lesen. Dann machen wir eine ganze Hosenlesung, und setzen uns zu diesem Zweck bei HUGO ins Schaufenster. Vielleicht beeindrucken wir dann auch, Frau Chamäleon, die stylish DJ’s und Schauspielschülerinnen in ihren Jeans Größe 26/34 oder so.

    (Das Grässliche an diesen Leuten ist ja, dass man nicht einmal, als man selber einmal 25 war, so aussah, dass man der Nichtachtung durch die Schönheit ein lässig gemurmeltes Vanitas und auch ich, als einst im Mai…. entgegensetzen könnte. Man fällt im Angesicht göttlicher Schönheit ja sozusagen völlig zu recht aus dem Wahrnehmungsbereich, aber das ist eine andere Sache.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sie möchten einen Kommentar hinterlassen, wissen aber nicht, was sie schreiben sollen? Dann nutzen Sie den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken