Das Abgeordnetenhaus und ich

Ich persönlich interessiere mich ja dermaßen wenig für Politik, dass ich im Nachhinein nicht einmal werde behaupten können, keinerlei Verantwortung für was-auch-immer zu tragen. Statt dessen werde ich vermutlich den Frager, falls mal einer vorbeikommt, um herauszufinden, wie eigentlich alles so kommen konnte, wie es gekommen sein wird, aus großen Augen anschauen und ein wenig herumstottern, weil es mir in diesem Moment vermutlich ein bißchen peinlich sein wird, dass ich keine Ahnung habe, wovon er redet.

Vielleicht gebe ich auf bohrende Nachfragen sogar zu, dass ich nicht nur keinen Fernseher besitze, sondern auch kein Radio, die Tageszeitung aus Desinteresse abbestellt habe, und nur noch die ZEIT ins Haus kommt, die ich aber nicht lese. Nachrichten im Internet verfolge ich auch nicht, weil ich dazu nicht komme, und die wenige verfügbare Online-Zeit vollständig dabei draufgeht, nachzuschauen, was denn die virtuellen Nachbarn so treiben, wer umzieht oder wer sich mit wem trifft und so, und was Leute machen, die ich gar nicht kenne, also nicht einmal virtuell, das ist mir eigentlich – also so wirklich….. also das ist mir eigentlich egal.

„Aber Fräulein Modeste!“, wird der politisch besorgte Frager sich die Haare raufen. Das könne doch nicht sein, dringende Probleme warten unruhig mit den Füßen scharrend darauf, bewältigt zu werden. Zum Beispiel wird die Welt immer wärmer, die Polkappen schmelzen die ganze Zeit, die Deutschen schicken ihre Kinder ohne Frühstück in die Schule, und auf den Stränden der Welt liegen japsende Wale. Unschuldige Ziegenhirten werden in ausländischen Kellerverliesen so lange an die Decke gehängt, bis sie demokratisch werden, während islamistische Maschinenbaustudenten eines Tages die U 2 in die Luft sprengen werden. – „Kann ich ja ohnehin nichts….ist auch nicht mein Job.“, murmele ich dann und versuche, mich dem unangenehmen Gespräch zu entziehen. „Sollte man mal…habe ich aber keine Lust zu.“, winde ich mich ein wenig, dann aber, dann wird die Macht der Erinnerung über mich kommen, und ich werde dem Frager die Wahl 2006 entgegenhalten. Denn die Politik und ich, trumpfe ich auf, das häte nur schiefgehen können, und er könne ganz froh sein, dass ich mein destruktives Potential rein privat auslebe.

Die Abgeordnetenhauswahl 2006 also. Als Friedbert Pflüger regierender Bürgermeister werden wollte. „Friedbert wer?“, wird der Frager insistieren. – „Nicht wichtig.“, winke ich ab, weil mein Gedächtnis auch nicht das Beste ist. – „Und was war mit der Abgeordnetenhauswahl?“, wird der Frager weiter fragen, und ich werde mich räuspern. „Hm.“, sage ich dann. Und dann murmele ich etwas vom Wahlomaten.

„Wahlomat?“, wird der Frager nachhaken, und ich erkläre, dass das so ein internetgestütztes…also so eine Website, da gibt man ein – also, man kann da seine Meinungen eingeben, und dann wirft der Wahlomat aus, was man wählen soll. – „Und?“, wird der Frager seinen Bleistift zücken, und ich druckse noch ein bißchen herum. „Tja.“, sage ich dann, und gebe zu, den Wahlomaten aus laiuter Langeweile bedient zu haben. Ein Ergebnis ist natürlich auch dabei herausgekommen, und ich hatte schon fast ernsthaft vor, doch mal wieder wählen zu gehen, wenn das nun doch so einfach geworden ist mit der politischen Meinung, aber dann, dann hätte ich auf dem Weg zur U-Bahn ein riesengroßes Plakat mit dem riesengroßen Kopf des Chefs der ganzen Truppe drauf gesehen, die ich wählen sollte, und es mir spontan anders überlegt.

„Die kriegen meine Stimme nicht!“, schwor ich morgens um acht angesichts des zähnebleckenden Herrn und seiner parteibefreundeten Kollegen, und vergaß Wahlomat wie Abgeordnetenhaus auf der Stelle.

„Was ist denn nun dabei heraugekommen?“, wird der Frager eine letzte Frage stellen, aber da werde ich abwinken, und gehe schnell woandershin, denn einige Dinge – nicht wahr – sind und bleiben einem ja ein wenig peinlich.

17 Gedanken zu „Das Abgeordnetenhaus und ich

  1. zu recht…allein schon der bloße kurze gedanke, daß man sowas wählen könnte…
    schämen Sie sich… war der wahlomat auf der homepage der unchristlichen partei?
    edit (edith? oweh, ich habs mal ausprobiert, und bin auch bei einer partei gelandet die ich auf gar gar gar keinen fall wählen werde… so shame on me 2…

  2. ich persönlich sehe so ca einmal die woche nachrichten, aber ohne sport , regionalteil und wetter. das reicht völlig aus um in der frühstückspause mitzuschwadronieren. und wenns ins detail geht, geh ich aufs klo… noch hat keiner was gemerkt 🙂
    menschen mit betonfrisur und colgatelächeln traue ich nicht für 5 pfennig und sind somit für mich ebenfalls unwählbar!

  3. auch hierzulande

    dräuen angesichts der im herbst bevorstehenden nationalratswahlen verkrampft grinsende gesichter von plakatwänden und verschrecken in historischen stadtzentren harmlose touristen (die einheimischen sind schon abgehärtet und reagieren deshalb weniger entsetzt auf wahlwerbung in dieser form). das beste an den wahlen ist die tatsache, dass kurz nach ihrer beendigung die ganzen plakate wieder verschwinden …

  4. Bestimmt hat der böse Wahlomat so Schröcklichkeiten wie Linke oder gar – brrr, horribile dictu – Sozialdemokraten als Kreuzchenvorschlag gegeben, stimmts? Muss Ihnen wirklich nicht peinlich sein. Verweisen die erbosten Nachhaker einfach auf Ihr Blog, dann ist die freidemokratische Liberalitas gleich wieder zurechtgerückt und niemand wirds Ihnen krumm nehmen, dass Sie keine Zeitung lesen.

    (Und wenn Sie mir jetzt immer noch gern die Hand schütteln wollen – in echt bin ich ja auch gar nicht soooo böse – ich werde ich sicher irgendwann noch einmal Berlin bereisen, dann erledigen wir das bei einem Stückchen Kuchen.)

  5. Nein, Lucky, die waren’s nicht, und, Herr Rationalstürmer, es waren auch weder die WASG noch die SPD. Die will ich auch nicht wählen, aber das Dilemma habe ich ja schon geschildert. Ob Herr Mukono diesen Laden tatsächlich wählen würde, würde mich ja schon interessieren, und was Darkrond anders gemacht hat als ich, dass seine Wahlvorschläge brauchbar waren, will ich auch wissen. Immerhin beruhigt es mich, Frau Mimmelitt, dass ich mit dem Problem offenbar nicht allein dastehe.

    Meine Kollegen, Frau Echse, sprechen zum Glück selten über Politik, immerhin ist es, Frau Walküre, recht beruhigend, dass das Gesicht der Politik offenbar überall gleich hässlich ausschaut, ohne dass das politische System deswegen irgendwie Schaden nimmt.

  6. REPLY:
    ja

    wenn es Sie interessiert, Madame Modeste, hätte der Laden auch nur die geringste Chance die absolute Mehrheit zu gewinnen, würde ich meine Faulheit überwinden und zum Wahllokal gehen.
    Schon, weil dieses forsche und nette Gesicht der Spitzenkandidatin der WASG auf den Wahlplakten irgendwie an Pippi Langstrumpf erinnert. Die hätte ich gern als Regierende Bürgermeisterin.
    Meine Frau mag ja den Klaus, als Ausländerin spricht sie diesen deutschen Namen begeistert gern und oft aus. Deshalb mag ich den Kerl wohl nicht, lasse mir aber deshalb nicht eine Homophobie unterschieben

  7. der wahlomat

    setzt unsinnigerweise darauf, dass 1. die wahlversprechen auch eingehalten werden und 2. man nicht wissen würde, welche haltung die parteien zu irgendeinem beliebigen thema einnehmen. von daher ist das dingen irgendwie völliger blödsinn.

  8. REPLY:

    zu 1. hab ich mich schon geäußert. das ist in der tat die große schwachstelle des wahl-o-maten. anber stell dir mal vor, ein computerprogramm würde berechnen können, was die damen und herren politiker nach einer wahl machen… hm…

    zu 2. menschen, die nicht wissen, welche haltung die parteien zu irgendeinem beliebigen thema einnehmen. genau um diese menschen geht es beim wahl-o-maten. so geht es übrigens den meisten menschen. wie viele wahlprogramme der parteien werden vor wahlen an ständen mitgenommen oder im netz runtergeladen? und noch viel krasser: wieviele werden auch tatsächlich gelesen? real ist es doch so, dass vor wahlen von den parteien auf eins bis max. drei kernentscheidungen zugespitzt wird und der rest hinten runter fällt. alles andere ist stimmung und laune für den bauch.

    zu 3. aber der wahl-o-mat hat durchaus auch seine schwachstellen. z.b. wird er von menschen gemacht, die durchaus auch eine eigene meinung haben und mit dieser meinung auswählen, welche themen verwendet bzw dann auch gewichtet werden. so hab ich das ding auch zur bundestagswahl benutzt, und siehe da: es gab keine einzige frage zu hartz iv! und das war nun wirklich ein wichtiges thema für viele menschen. und die ablehnung von hartz iv war ein kernthema und alleinstellungsmerkmal der linken im bundestagswahlkampf. als dann linke bei der bpb nachgefragt haben, hieß es bloß, ach, dafür habe man ja das wahlrecht ab 16 drin, das sei ja auch eine forderung der linken…

  9. Ich bin ja zugegebenermaßen jemand, der nur sporadisch in so einen blog reinliest und kenne daher auch kaum die Personen, die dahinter stehen. Hier interessiert’s mich allerdings schon: arbeiten Sie so (SOOO, SOOO und SOOOgar am Wochenende) viel und/oder wie füllen Sie ihre Freizeit (so ein paar Stündchen am Tag)?

  10. zu zweit könnte man dann ja rein rechnerisch schon eine selbsthilfegruppe gründen. sehr gut. das gibt mir hoffnung in der pein. der spezifische inhalt des – äh – gesamten textes spricht mich ganz ungewöhnlich an. quasi.

  11. Stimmt, Herr Mukono, reizend schaut die Kandidatin aus. Das macht ihr Programm nur leider auch nicht besser. Und natürlich, Herr Haase, hat man so eine ungefähre Ahnung, wer da was verlangt, aber wenn man nicht nach den Programmen geht, bleibt ja außer den Nasen der Damen und Herren gar nichts über.

    Dass diejenigen, die so ein Programm zusammenstellen, auch eine Meinung haben, Herr Darkrond, kann man ihnen kaum verdenken, und es ist vermutlich auch nicht ganz einfach zu eliminieren, was man selber für wichtig hält. Wie auch immer – ganz neben der eigenen Ansicht liegt man wahrscheinlich nicht. Es ist halt die Frage, ob die inhaltiche Nähe dann auch reicht, tatsächlich in eine Wahlentscheidung zu münden. Ich würde ja einige der Parteien, deren Kernaussagen ich mittragen würde, niemals wählen, und so geht es wohl vielen. Frau Gaga als Mitstreiterin ist mir natürlich ganz besonders lieb, und Lob vom Ole freut mich immer.

    Und ja, Herr Motowns, ich arbeite derzeit vielleicht ein bißchen viel. Vielleicht ginge es auch alles, täte ich nichts anderes, aber das möchte ich noch weniger als diesen Zustand stetiger Übermüdung.

  12. REPLY:

    werte frau modeste,

    da haben sie genau den punkt angesprochen. die wahlentscheidung findet nur minimal im kopf statt. hauptsächlich wählt der bauch. oder auch das herz, wenn es romantischer klingen soll. auf dieses problem ist auch rokkermur gestoßen. er trägt es mit gleichmut. 🙂

    p.s.: und ja, frau redler sieht sicher für eine politikerin ganz passabel aus. aber wählbar finde ich sie auch nicht. (jetzt ist es raus. 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sie möchten einen Kommentar hinterlassen, wissen aber nicht, was sie schreiben sollen? Dann nutzen Sie den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken