Was auch nicht geht (4)

„Es sieht schlecht aus, meine Damen.“, resumiert die C. ein wenig vor sich hin und zerbröckelt einen dieser italienischen Kekse zwischen den Fingern, die man verpackt kaufen kann in herrlich bunt bedrucktem Papier. „Und ansonsten gibt das Angebot nichts her?“, frage ich, und versuche mich an andere Herren zu erinnern, die man bei Gelegenheit an öffentlichen Orten kennen zu lernen pflegt. „Naja…“, unterbricht die J. meine Gedanken. In weiten Kreisen der Bevölkerung erfreue sich eines gewissen Bekanntheitsgrades ja auch noch…

Die Canaille

Fragt man einen beliebigen netten Herrn nach demjenigen Freund, den er am meisten beneidet, so wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weder den Wohlhabendsten nennen noch den Erfolgreichsten, und noch nicht einmal den, der am besten ausschaut. Der vielbeneidete, weil vielgeliebte Freund jedes Mannes entspricht vielmehr einem Typus, dessen Anziehungskraft auf Umständen beruht, die nur als wahrhaft dunkel zu bezeichnen sind: Es geht um die Canaille.

Der Erfolg der Canaille beruht zumindest teilweise zwar zweifellos auf seiner Unverschämtheit. Auf die Idee, irgendjemand wolle sich nicht mit ihm treffen, kommt die Canaille nicht einmal, und so spricht auch die arbeitslose, haarlose und übergewichtige Canaille nur diejenigen Frauen an, die jeder ansprechen würde, wenn er denn den Mut besäße. Die Canaille würde auch etwa Kate Moss zu einem gemeinsamen Bier auffordern, die Dame zahlen lassen, und sich nach erfolgreichem Treffen einfach so drei Wochen nicht melden.

Die Canaille hält vielleicht einer alten Dame die Tür auf, junge Damen jedoch, so nimmt es die Canaille an, seien auf seine Hilfe nicht nur nicht angewiesen – sie wären unverschämt, Hilfe zu erwarten, und so taucht die Canaille alle paar Monate auf, frisst den Kühlschrank leer, verschwindet mitten in der Nacht, weil das Telefon klingelt, und sagt nicht, wer angerufen hat. Vielleicht borgt sich die Camaille noch Geld, vielleicht lässt sie sich aber auch nur ein paar Hosen bügeln – jedenfalls ist von der Canaille außer Ärger nichts zu erwarten, und so nimmt es rein nach den Gesetzen der Logik wunder, dass das Telefon der Canaille trotzdem immerzu klingelt.

Frauen würden geradezu schlecht behandelt werden wollen, zieht so mancher Mann seine Schlüsse aus dem unglaublichen Erfolg der Canaille, und versucht es seinerseits mit ein wenig schlechtem Benehmen. Indes scheint außer Rücksichtslosigkeit und einem ungehobelten Wesen die Canaille noch über einen zusätzlichen, schwer zu benennenden und absolut imponderabilen Charme zu verfügen, denn nicht jedem ist es gegeben, von Frauen für sein mieses Betragen geliebt zu werden.

Dass von der Canaille vor diesem Hintergund nur abgeraten werden kann, versteht sich beinahe von selbst. Versuche, die Canaille zu bessern, aus einem solchen Herrn aufrichtige und nachhaltige Gefühlsbezeugungen, Geschenke, die von Herzen kommen oder ähnliche angenehme Dinge herauszupressen, sind daher schon vom Anfang an zum Scheitern verdammt.

Und selbst wenn es gelänge: Was unterschiede die Canaille dann noch von einem normalen Mann, und würde sich nicht vielleicht sein Reiz in diesem Moment ins Nichts verflüchtigen?

„Es sieht wirklich nicht gut aus“, knurrt die C., und öffnet eine letzte Flasche Wein.

16 Gedanken zu „Was auch nicht geht (4)

  1. Diese Sorte Person soll auch schon unter weiblichen Erdenbürgern gesichtet worden sein. ManN kann sich C. also mit ruhigem Gewissen anschließen: Es sieht wirklich nicht gut aus. Weiter mit Musik: Manic Street Preachers * Be Natural.

  2. ich habe mir, mit verlaub, die canaille immer als schmuckes exemplar (was für’s auge) vorgestellt. und so. damit ließe sich einiges erklären. aber wie sie hier vorgestellt wird, riecht sie vermutlich nicht mal gut?

  3. Erstaunlich

    Sehr gut geschrieben, liebe Modeste! Ihre Form- und Fabulierkunst ist einfach schön zu lesen.

    Wenn ich ein wenig über diese Typologisierung nachdenke – solche Männer in Reinform gibt’s ja nur selten -, dann sagt das doch eher was über die Damen um die dreißig aus als über die Männer, die sich nach kurzem Intermezzo die Schultern straff ziehen und nasgerümpft von dannen eilen. Die Damen um die dreißig also, die alle Typen in den unterschiedlichsten Kombinationen schon hatten, teils mehrfach hintereinander, teils abwechselnd, um sich mit dem einen vom anderen zu erholen.

    Nun sitzt sie da, etwas überreif und den bislang erfolgreich bekämpften Kinderwunsch langsam abschreibend, hat alles schon gehabt, alles schon probiert, ist erwählt worden, hat erwählt, ist ersetzt worden und hat ersetzt – und kann aus dem reichen Schatz ihrer Erfahrungen eine fundierte Grundtypologie auf 4 Exemplare zurückführen, die alle nicht gehen.

    Durch den Paravent der Großstadtwelt, die ich hier immer mal wieder amüsiert auf mich einwirken lasse, quillt doch auch immer wieder eine große Einsamkeit und Lebensuntüchtigkeit, die für sich längst festgestellt hat, dass das Leben der anderen dafür verantwortlich ist, dass das eigene nicht rundläuft. Trotz des Trubels kommt immer wieder diese schwarzsüchtige Grundtraurigkeit über andauernd verpaßte Gelegenheiten durch, die an einem vorbeigeeilt sind wie Chairos: Haare, Bart und Mantel nach vorn, weil man ihn nur entgegenkomend fassen kann, nie abwartend.

    Hm. Aber das hier ist ja ein Blog, das erheiternd feuilletonieren soll, nichts sonst. Lassen wir’s dabei und interpretieren nicht rum, das bringt nichts. Das Leben geht weiter (vorbei, weil man immer weiß, was nicht geht).

  4. Frau Modeste, es fehlt noch der Typ No 5: Das ist der Mann, der in Blogs von Frauen das Ausdrucksvermögen der jeweiligen Verfasserin lobt, es dabei aber stets schafft, dieses Lob wie ein gönnerhaftes Schultertätscheln wirken zu lassen – alternativ kritisiert er aber auch ganz gern oberlehrerhaft-herablassend -, um dann im nächsten Absatz mit der psychologischen Interpretation zu beginnen. So gut wie jede Bloggerin wird früher oder später von einem solch glitschigen Exemplar heimgesucht, Sie anscheinend sogar noch etwas häufiger als andere.

    So etwas, meine Herren, geht auch gar nicht. Da wird Bloggerinnen beim Lesen schlecht. Aufrichtige Komplimente werden hingegen gern entgegengenommen. Aber um Aufrichtigkeit geht es diesem Exemplar ja gar nicht, sondern nur ums eigene erhabene Ego und … na, Sie wissen schon.

  5. KUMPANEI UNTER KERLEN…

    ist es nicht allein, was mich bei dem Beitrag von Herrn Reuter zunächst beifällig nicken lässt,…. immerhin eine Premiere…

    (Das Wörtchen ‚überrreif‘ ist natürlich bös ungalant und gebietet ebenso wie „schleimig bei Frau Arboretum eine entsprechende Distanzierung…)

    Das Mannsbilderquartett, welches Sie, liebe Frau Modeste, mit uns spielen,
    ist naturgemäß von einem weiblichen Blick geprägt, und so nimmt es keineswegs Wunder, dass diesem Blick eben in seinem immer wieder erstaunenswerten ‚Detaildelirium‘ ein hohes Maß an Wiedererkennungswert eignet:

    „So einen hab ich auch gehabt“/“nicht gehabt“
    „Drei von vier richtig“
    „etc“

    Allein, was ist damit gewonnen…? Ich meine über die vergnügliche Lektüre hinaus…?

    Was geht?

    Wenn ich die Anregung aufgreife und diese Frage an mich selbst richte,
    hat der Kerl in mir inklusive Anima nur eine Antwort: Alles geht!

    Alles, solange in einer Liebesbeziehung jeder im anderen sich selbst genug sein kann!

    Wenn das nicht geht, geht überhaupt nichts!

  6. REPLY:

    Grundsätzlich möchte ich dem Walhalladada hier mal heftig kopfnickend zustimmen – mit der einschränkenden Bemerkung, dass im gelebten Leben eben vieles real nicht geht, andernfalls gäbe es keine Beziehungsprobleme. Banal, aber wahr.

  7. REPLY:

    Wer will schon nur gemocht werden…?
    Aber abgesehen davon:
    Ist diese Art ‚Selbstgenügsamkeit‘ überhaupt
    auf der weiblichen Seite zu finden?
    Selbstgenügsam im beschriebenen Sinn
    heißt wohlmerklich nicht : Stagnation

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