Bedauerlicherweise, meine Damen und Herren, hat das Leben für meinen geschätzten Gefährten, den reizenden J., vor kurzem jeden Sinn verloren. Ach, all das Denken und Trachten des J., all sein – zugegeben begrenzter – beruflicher Ehrgeiz richtete sich auf ein einziges Ziel, und hart ist, oh Publikum, denn J. nun traurig, halt- und ziellos durch Berlin taumeln und mit verzweifeltem Blick die Wagen am Straßenrand mustern zu sehen.
„Der nicht.“, hört man ihn murmeln. „Der auch nicht mehr.“, und so in einem fort beklagt mein geschätzter Gefährte das baldige Ausscheiden der schönen, der alten, der massenweise feinstaubemittierenden Kraftfahrzeuge aus dem Berliner Straßenverkehr, und wenn man sehr nah an den J. herangeht, hört man ihn manchmal auch in vollkommen verkehrsfernen Situationen etwas von dem nun verlorenen Traum seiner Jugend röcheln: Der 72er Porsche.
Silbern sollte er sein mit beigefarbenen Sitzen, notfalls auch dunkelgrün, und in langen, mühseligen Stunden in der Universitätsbibliothek, in den unendlichen Fluren der Behörde als ein Rechtsreferendar, stetig, wenn auch schweigend, trieb die Sehnsucht nach einem solchen, dem J. als Krone kraftfahrzeugtechnischen Stilempfindens erscheinenden Wagen den Gefährten meiner Tage um.
Nun aber ist alles aus.
Alle Stadien der Trauer durchlief der J., und als einer jener Männer, die ihren Knabenträumen wahrhaft treu geblieben sind, kann und will der J. die Feinstaubrichtlinie nicht akzeptieren, sich nicht anfreunden mit dem drohenden Fahrverbot innerhalb des Berliner Rings für diese Fahrzeuge, plant Petitionen, gerichtliche Klagen auf Gewähr von Ausnahmegenehmigungen, Massendemonstrationen auf dem Alexanderplatz, und als letzten, allerletzten Ausweg die Anmietung einer Garage außerhalb des Berliner S-Bahnrings, Kauf und Verbringung des ersehnten Zuffenhausener Fahrzeugs in diese Garage, nächtlich-lustvolle Fahrten durch Brandenburger Alleen, und so werde ich, meine Damen und Herren, manchen Sonntag mit Tee und Torte vergeblich auf den J. warten, der währenddessen weit entfernt in obskuren Vororten zärtlich die Kühlerhaube seines Porsche mit einem weichen Tuch poliert.
„Der Porsche oder ich!“, werde ich wettern, wenn der J. Stunden über Stunden später wieder bei mir erscheint. Wegen Vernachlässigung der eigenen Freundin zugunsten eines Haufens Blech, voneinander entzweit durch die Feinstaubrichtlinie, wird der geschätzte Gefährte die dann nicht mehr gemeinsame Wohnung dauerhaft verlassen müssen.
Und schuld ist niemand anders als die Europäische Kommission.
Soweit
geht die Liebe dann doch nicht, in einen feinstaubbelastbaren Vorort zu ziehen, um dem geschätzten Gefährten den Besitz und Betrieb des geschätzten Gefährts zu ermöglichen?
Nicht nur das: Sie werden im Dunkeln sitzend Ihre Torte verspeisen müssen, während Sie auf den Gefährten warten. Oder unter einer dieser aggressionsfördernden, funzeligen Energiesparlampen.
Nicht das ich nicht die empfundene Tragik der mir hochgeschätzten Frau Melancholie Modeste nach empfinden könnte, aber mein Schmerzempfinden schlägt deutlich höher an beim beim Leiden des Herrn J. 😉
REPLY:
Herr Pathologe, ein Wort: Nein. An dem Tag, an dem ich wegen des Autofimmels des geschätzten Gefährten ein Haus in Lichtenrade oder Friedenau erwerbe, lasse ich mich wegen Persönlichkeitsverlust in die Geschlossene einweisen. Da sitze ich dann, beleuchtet von einer dieser Energiesparlampen, Herr Kid,und knirsche laut mit den Zähnen. Wie finden Sie sich denn, fällt mir da ein, mit dem Fahrverbot für Buckelvolvos ab? oder ist man an der Elbe da nicht so?
Und dass Sie mit ihm fühle, Frau Creezy, wird den J. freuen zu hören.
Autos mit mehr als 30 (oder waren es 35?) Jahren auf dem Buckel und „weitestgehend im Originalzustand“ können als Oldtimer zugelassen werden. Vielleicht gibt es für diese eine Sondererlaubnis?
REPLY:
Nicht in Berlin, DrNix. Deshalb grämt sich der geschätzte Gefährte doch so sehr.
REPLY:
Irgendwo verstehe ich diese Autogeschichten nicht ganz. In meinem ganzen Leben habe ich Autos gehabt, die von anderen abgelegt waren, Status verbunden mit Wagen verstehe ich einfach nicht. Als das mit den abgelegten Wagen vorbei war, habe ich Puntos geleast, war einfach am billigsten. Und jetzt? „Isch abe gar kein Auto!“. Auf der Pendelstrecke nach Hamburg kann das Auto der Bahn einfach nicht das Wasser reichen. Und sowohl in B als auch HH braucht man nun wirklich kein Auto. Und um einem Argument vorzubeugen: die wirklich schweren Sachen kann man für Heimlieferung im Internet bestellen. Wie man sieht, Auto wird einfach als Werkzeug gesehen…
REPLY:
Wie Frau Arboretum weiß, soll es in Berlin für alte Autos keine Ausnahme geben, Herr DrNix. Und was die Ansicht angeht, Autos seien ein gebrauchsgegenstand, so trifft dies, Herr Mouchi, letztlich natürlich auch für Kleidung, Geschirr oder Möbel zu. Trotzdem kaufen Menschen ein Kleid selten danach, ob es warm ist, eine Teekanne nicht nur danach, ob sie nicht leckt, und einen Tisch nicht nur, weil man etwas daraufstellen kann. Gutes Aussehen ist also Mehrwert an sich, egal, ob es um eine Tasse oder ein Auto geht. Ob man es braucht, ist dabei sekundär. Tatsächlich braucht der J. als Innenstadtbewohner natürlich keinen Wagen, hat deswegen auch keinen – aber wenn er einen hätte, dann hätte er gern so eine alte, schöne Schüssel.
REPLY:
Das ist doch die Geschichte meines verzauderten Lebens: Ehe ich mich mal zu etwas durchgerungen habe, ist es garantiert verboten.