I.
Nach dem Essen, wenn um den Tisch herum sich schwer atmend zurück gelehnt wird. In diesen schweigsamsten Minuten des ganzen Abends, kurz bevor der Kaffee kommt, und die Kellnerin die Dessertteller abräumt und fragt, ob man die letzten Weinreste noch trinken werde. Träge den Kopf zu schütteln, halblaut und eher allgemein in die Runde gerichtet das Essen zu loben: Das Lauchzwiebelsüppchen mit Stubenküken zu einem Riesling, von dem ich mich fortan ernähren möchte. Das Bärlauchpurée zum Milchzicklein, von dem man mehr hätte essen mögen, als da war. Die säuerliche Frische des Spargelsalats mit der Jacobsmuschel. Dagegen das etwas zu alltägliche Dessert, und die Freunde nicken, schweigen, loben ihrerseits. Schwer hängt der Friede eines wirklich guten Essens dickbäuchig von den Balken unter der Decke des Lokals.
Herrschende sollten keinen Eintopf essen, denkst du bei dir und preist stillschweigend die Harmonie nach gutem Essen. Krieg und Frieden, Schmitt und Kelsen, Thomas Mann und Thomas Bernhard – ermattet rühren die Gegensätze Zucker in ihren Kaffee, und der weiße Rauch des Friedens verschleiert den Raum.
II.
Nachts. Auf irgendeinem Sofa sitzen, in irgendeiner Bar, und du und die Bar und das Sofa sind vollgesogen mit Nikotin. Jeder Hohlraum in dir, jede Zelle deines Körpers, ist angefüllt mit weißem, träge sich drehenden Rauch, und in dem Aschenbecher auf der Lehne des Sofas liegen die Leichen aller Zigaretten dieser Nacht wie abgeplatzte, gekrümmte Larven.
Zum Reden bist du längst zu müde. Mit halbgeschlossenen Augen, den Kopf nach hinten auf die Lehne des Sofas gelehnt, sitzt du da und schweigst, lässt dir Musik vorspielen und rauchst, rauchst, rauchst. Was dein Nachbar erzählt, kannst du kaum mehr hören vor Müdigkeit und Musik, und so lässt du ihn reden, lächelst ihm zu, und siehst den Schwaden nach, die langsam, graziös und sehr, sehr weiß nach oben steigen.
III.
Morgens. Wenn das Licht schmerzt beim Verlassen der falschen Nacht eines Clubs und brennt dir Löcher in die Haut. Eine ganze Schachtel musst du geraucht haben, nein, mehr, und der kalte Rauch umgibt dich wie eine nächtliche Aureole aus Aussatz und Schmutz, die dich von den frischgeduschten fremden Leuten trennt, die neben dir zur U-Bahn laufen.
Niemals gehörst du mehr der Nacht als in diesen Momenten, und auf den Rand des nächsten Blumenkübels gelehnt steckst du dir eine letzte Zigarette an, gewöhnst deine Augen an Morgen und Helligkeit, und holst dir die Nacht zurück für ein paar Züge.
IV.
Nachmittags. Freitag Nachmittags. Im ICE in die Freiheit.Wieder nur ein Raucherplatz, da das Frühbuchen dem Pendler auf Zeit noch nicht zur Gewohnheit geworden ist. Umgeben von lärmenden Proleten (im Raucherabteil sitzen immer Proleten), eingehüllt in Nebenschwaden wie bei der Rauminhalation, der brechreizerregende Pesthauch kalten Rauchs aus den Aschenbechern, der sogar millimetertief in das PVC der Sitze eingedrungen sein muß, überlagert von beißenden Schwaden in dieser qualmenden Hölle, in die sich selbst die meisten Raucher aus den anderen Abteilen nur gelegentlich wagen, um sich mit der Frage „Darf ich mich kurz dazusetzen?“ und ohne die Antwort abzuwarten, schnell ihrer Sucht frönen, um sofort danach wieder in die erlösenden Gefilde der Nichtraucherabteile zu verschwinden.
Die neugierige Frage, ob bei einigen der bräunlich-gelben Insassen inzwischen schon Teerschlieren den Stoffwechselendprodukten beigemengt sind, sodaß der herkömmliche Toilettenreiniger ohne Teerentferner nicht mehr ausreicht. Erinnerungen an den Nordseestrand der Achtziger Jahre. Schwarzverkleisterte tote Vögel. Menschliche Aschenbecher.
REPLY:
Natürlich, gerne Häme ausschütten über die, die sich in den wenigen, immer mehr reduzierten Raucherabteilen zusammendrängen müssen. Ähnlich wie die ungelüfteten Glaskästen mancher Flughäfen, in denen die Aschenbecher bewusst nicht geleert werden, der Raum offensichtlich nie gereinigt: Seht doch, wie eklig, diese Schweine wollen es doch so.
Solch lächerlichen Petzen ist es natürlich eine große Genugtuung, dass demnächst im ICE wie in allen Zügen sämtliche Raucherabteile verschwinden werden. Dumm nur: da müssen sich die nichtrauchenden Arroganzlinge was Neues ausdenken, um mit dem Finger auf die Proleten zeigen zu können.
REPLY:
Touché! 😀
Ich will nicht mit dem Finger auf Proleten zeigen, ich will sie nur einfach nicht sehen müssen. Und nie wieder am Freitagnachmittag die Wahl zwischen Verbleiben im Rheinisch-Westfälischen und Körperverletzung (immer noch das kleinere Übel) haben.
Das ist alles.
V. Italien.
Irgendwie raucht da keiner mehr in der Öffentlichkeit. Sehr diszipliniert. Die Tabacchiläden machen ohnehin mehr Umsatz mit Spielzeugautos und Parkscheinen. Qualmfrei, auch in Restaurants. Ausser den Mädchen, die auffällig an der Landstrasse stehen und das zwecks Erklärung ihres Standes tun. Aber auch schon lange nicht mehr alle.
Und überhaupt – das da oben klibgt nach einem Fall für Super-Holgi, dem Rauchwegmacher.
REPLY:
Tja, Italien ist ok, aber bis September bekenne ich mich, ein Prolet im Raucherabteil der DB zu sein. Danach ist aber ok.
Wenn mir der Staat in diesem, unserem Kindergarten, solche Verbote erteilt, höre ich eben auf. Werde dadurch fünfzehn Jahre älter, kassiere fünfzehn Jahre länger Rente, nehme all die schweren Krankheiten mit, die sich im hohen Alter einstellen und deren Kosten die Sozialversicherung belasten. Und für die Demenz im Altersheim gibt es ja noch die Pflegeversicherung.