Entgegnung in einer abgeschlossenen Debatte
Wie man weiß, sprechen Frauen ja vorwiegend, wenn nicht die ganze Zeit, über Privates, und die meisten Männer meines Bekanntenkreises mutmaßen mit einer Prise durchaus belustigten Grauens, die Frauen ihres Lebens sprächen beim Italiener um die Ecke vorwiegend über sie. Alles Wissenswerte über Körperbehaarung und Lebensgewohnheiten würden die Damen, mit denen sie ihr Dasein teilen, zwischen Crostini und Panna Cotta auf den Holztisch werfen, und die Freundinnen ihrer Freundin wüssten über sie ebenso gut Bescheid wie die Freundin selbst.
Etwas reizend Triviales, so wissen die meisten Herren ganz genau, schwebt über jenen Tischen, an dem die hübschen Damen sitzen. Chloe oder Versace, ins Hartmanns gehen oder im Jolesch bleiben – dies seien die Entscheidungen, die beim Crémant unter Frauen mit einer dem Manne fremden Ausführlichkeit getroffen würden, und so stehen diejenigen Männer, die stolz darauf sind, zu wissen wie der Hase läuft, einem Abend unter Damen mit einer gewissen amüsierten Jovialität gegenüber. „Die M. hat heut‘ Weibertratsch.“, heißt die zu dieser Gemütslage passende Auskunft, wo sich die geschätzte Gefährtin gerade befände. Frauen, kurz gesagt, plaudern, quatschen oder tratschen über Handtaschen und Waschbrettbäuche, den Kauf goldfarbener Ballerinas und gepunkteter Jackenkleider, die Brigitte-Diät und die beste Blutwurst Berlins.
Männer, weiß man ebenso genau, neigen nicht zum Tratsch. Stumm, mit von der Last des Lebens zerfurchter Stirn, reiten Männer einsam durch die ausgedörrte Prärie, schießen Kojoten und sprechen am Lagerfeuer bei ungeschlachten Brocken blutig gebratenen Fleisches über die Dinge, die im Leben wirklich zählen, die harten Fakten hinter der schillernden Oberfläche, die Schrauben, die die Welt im Innersten zusammenhalten sozusagen, und so wird dort, wo Männer zusammensitzen, nicht über Handtaschen geplaudert, nein, hier konferiert man über technische Innovationen, schnelle Autos beispielsweise, datenverarbeitungstechnische Weltwunder für den Privatgebrauch, und es versteht sich von selbst, dass Männer sich nicht ein X für ein U vormachen lassen, sondern Fakten, Fakten, Fakten sprechen lassen, und ihre Zeit nicht mit Gesprächen über Lidschatten vertändeln, sondern Unternehmenskennzahlen und Produktentwicklungslinien analysieren, dass es eine wahre Lust ist.
Diese Konzentration auf die, wie jedermann weiß, wirklich wichtigen Dinge des Lebens kennzeichnet auch Männer, die ein Blog unterhalten. Statt über Dinge, die man nicht essen (oder zumindest verkaufen) kann, blogt der Mann zielgerichtet über Datenverarbeitungsprogramme, die nicht funktionieren, sagt der Politik einmal deutlich seine Meinung oder teilt der Welt seine Ansicht über die Entwicklung dieses oder jenes Unternehmens mit. Damit leisten Männer einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, und so ist es quasi folgerichtig, dass dort, wo die großen Jungs Fußball spielen, Frauen nur als Cheerleader vorkommen: Mulier taceat in ecclesia, so hallt des Apostels Donnerruf durchs world wide web.
So nimmt es denn kein Wunder, dass jenes nachsichtige Zwinkern des Mannes gegenüber dem Weibertratschabend seiner Freundin einem bisweilen auch online begegnet. Mit leicht öliger Galanterie konzediert der eine oder andere wohl sogar den Eigenwert des Dekorativen, um sodann zurückzukehren dorthin, wo es um wirklich wichtige Dinge geht, und statt über eine Handtasche für 2.000 Euro über einen Computer für denselben Preis gesprochen wird, und statt von Glück oder Unglück, Liebe und Tod, Schmerzen und Sehnsucht von dem einen oder anderen Wechsel an der Spitze einer Aktiengesellschaft oder der Entwicklung der öffentlichen Haushalte geschrieben wird, denn Männer, muss ein schwaches Weib bewundern, wissen, worum sich die Welt wirklich dreht, und ernten für dieses Distinktionsvermögen verdientermaßen die Aufmerksamkeit, wenn nicht die Anerkennung, anderer Blogger.
Man kann das natürlich auch anders sehen.
Die Beiträge, auf die sich dieser Text bezieht, habe ich nicht mehr präsent; einer findet sich hier.
Sehr treffend.
Fast möchte ich Sie dringend auffordern, den letzten Satz ersatzlos zu streichen!
Männer schauen in die Welt, Frauen in den Spiegel.
Nicht die Zeitschrift.
Aber bitte, verehrte Modeste, die beste Blutwurst Berlins würde ich dann doch gerne probieren, bevor ich mich dann wieder zurück an mein Pult stelle und ebenso lauthals wie wichtig klarstelle, wie die Welt wieder zurechtgerückt werden kann.
Wenn Sie also so gut wären…
REPLY:
Bisher – und eigentlich stets zu meiner Zufriedenheit – habe ich die Boudin Noir im Lafayette gekauft, das eine wirklich angenehme Lebensmittelabteilung hat, habe aber letztlich vernommen, dass die beste Blutwurst Berlins tatsächlich in Neukölln (!) am Richardplatz erworben werden kann, und zwar beim Blutwurstritter Herrn Benser. Ich bin gespannt.
REPLY:
Allerbesten Dank für die schnelle Information. Ich nehme mir fest vor, in der kommenden Woche beide Lokalitäten aufzusuchen.
küsschen
Bramarbasieren
genau, liebes Fräulein Modeste, über jenes Wort gelangte ich zu Ihnen. So führt der Zufall Regie, und das an einem regnerischen Pfingstnachmittag. Unglaublich. Dessen unbenommen darf ich sagen: die Visite lohnt. Kompliment, Sie haben es sehr hübsch hier.
Ihr Erdge Schoss
Auf meiner Blogroll stehen 16 Frauen und 12 Männer, wobei die nur einen Ausschnitt der Blogs darstellt, die ich regelmäßig lese. Andererseits vermute ich, daß die öligsten, gönnerhaftesten Top-Blogger die Mehrzahl ihrer Links von Frauen bekommen. Vielleicht hat das doch was mit der (behaupteten) Größe der Mammuts zu tun, die der eine im Vergleich zum anderen nach Hause bringt. Bei mir reicht es ja gerade dazu, die bereits toten Tiere einzusammeln.
REPLY:
Hmm, schwer zu sagen. Dafür lese ich zu wenig Blogs aus dem Umfeld der Business- oder Technik-Fraktion, deren Bemühungen, drängen sie sich einmal bis an den Rand meiner Wahrnehmung, mich in aller Regel mit ihrem fast putzigen Drang, auch einmal ein bißchen große Medienöffentlichkeit zu spielen, eher belustigen. Dass Frauen hier das Gros der Claqueure abgeben, kann ich mir fast nicht vorstellen. Zwar gibt es unbestritten einen weiblichen Hang zu Anbetung der großen Jungs, aber zu den großen Jungs, die die Herren mit den großen Plänen gern einmal wären, fehlt es denn doch zumeist erkennbar am Erfolg und, wenn man das aus der Entfernung so sagen darf, am Format.
(Was das Verhältnis angeht, so stehen Sie aber deutlich paritätischer dar als ich mit 6 zu 16).
REPLY:
Und zurück. Danke auch an Frau Fragmente und Herrn oder Frau Erdgeschoss. Ich antworte derzeit wenig auf Kommentare, das heißt aber nicht, dass ich sie nicht lese und mich freue.
REPLY:
Und solange Frauen die „Für Sie“ lesen, und Männer das „Manager Magazin“ wird zu recht nie eine Frau Bundeskanzlerin werden.
REPLY:
der war gut! der war richtig gut!
Ich dachte schon, es geht um Lanu und den Award. Hm, ich mag diese Kategorisierungen überhaupt nicht. Aber immerhin nehme ich die Anregung mit, endlich mal wieder ins Jolesch zu gehen.
REPLY:
Ich kenne weder noch.