Ich habe drei Nachrichten auf dem Samsung und vierzehn auf dem Blackberry. Von den vierzehn sind allerdings neun an mehr als drei Leute gerichtet und daher erfahrungsgemäß nicht so besonders wichtig. Von den übrigen fünf beschäftigen sich zwei mit dem Mittagessen, eine Bekannte will Informationen von mir, die ich auch nicht habe, und nur zwei Nachrichten bedeuten Arbeit. „Bin Dienstag wieder da.“, schreibe ich zurück, damit sich die Leute nicht wundern, die mir Nachrichten schicken, und diejenigen, die mit mir ungefähr jetzt in Kreuzberg Mittag essen möchten, bekommen Mails, ich sei auf dem Weg nach Barcelona.
Tatsächlich und genau genommen bin ich allerdings erst irgendwo zwischen dem Alex und dem Flughafen Schönefeld, und dieser Umstand ist es, auf den die drei Samsung-Nachrichten abzielen.
„Wo bist du?“ lautet die erste noch recht harmlos.
„Das Boarding schließt in acht Minuten!“, klingt schon deutlich nervöser, und die Mitteilung, man habe mir auf die Mailbox gesprochen, kann nur eine sehr ungemütliche Nachricht ankündigen. Entsprechend rufe ich die Mailbox gar nicht an.
Stattdessen lasse ich es bei der J. klingeln. Diese steht seit fast einer halben Stunde an der Sicherheitskontrolle. Ich habe noch nie einen Flug verpasst, will ich die J. gerade beruhigen, da fällt mir ein, dass das nicht nur nicht stimmt, sondern die J. die genauen Umstände dieser Panne auch kennt. „Ich bin auf jeden Fall pünktlich!“, behaupte ich stattdessen etwas unbestimmter und versuche mich zu erinnern, wie lange man von Rummelsburg bis Schönefeld braucht. – Ich bin gegen einen Großflughafen am Ende der Welt, schießt es mir durch den Kopf.
Neben mir tippt ein dicker Mann schnaufend SMS in ein baguettebrötchengroßes Telephon. In der Aktentasche einer bleichen Frau in einem erdbeerrote Kostüm klingelt es alle paar Minuten, und als wir fast am Flughafen sind, nimmt sie das Telephon aus der Tasche und in die Hand und sieht es versonnen an. Einfach so, ohne abzuheben. Dann packt sie es wieder ein.
Nicht nur die Distanz zwischen Mitte und Schönfeld ist länger als ich es für richtig halte. Auch die Distanz zwischen der S-Bahnstation und den Gates ist lang, länger, am längsten, und ich laufe, laufe so schnell, wie es möglich ist, wenn man hochhackige, schmale Stiefel trägt, einen Koffer hinter sich her zieht, und ein Kleid anhat, das eigentlich eher zum Ganz-gut-Aussehen im Stehen gemacht ist.
In meiner Handtasche (verdammt, die passt nicht zu den Schuhen, fällt mir auf) klingelt es weiter. Erst ruft das Samsung nach mir, dann läutet der Blackberry, den alle Freunde nur benutzen, wenn das Samsung nicht geht, und kurze Zeit klingeln sogar beide. Die C. ist, scheint’s, eingetroffen, und ich werde nun zweifach vermisst.
Einmal fällt mir der Koffergriff aus der Hand, und ich muss halten. Ein zweites Mal bleibe ich stehen, weil ich nicht weiß, wo ich himuss. Ich sollte öfter zum Sport, sage ich mir, schon ganz außer Atem, und frage mich, ob es Sportarten gibt, bei denen man zu Trainingszwecken schwere Rollkoffer hinter sich herzieht.
Schließlich komme ich an. „Aha.“, werde ich empfangen, was in diesem Kontext ungefähr so etwas wie „na endlich“ heißen soll, und durch die Glastür geschoben. Fünf Minuten später schließt sich hinter mir der Bus. „Ich bin jetzt weg.“, tippe ich eine letzte Nachricht am Boden.
Um 13.53 Uhr schalte ich aus.
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