Mon Minotaure

Ob wohl die Sieben und Sieben, die man dem Minotaurus schickte, wussten, was auf sie wartet? Ob auf dem Schiff etwa, bei Nacht unter Deck, einander zugeflüstert wurde, was vermutet wurde, vielleicht auch in Athen?

[Ein Monster. Pasiphaë selbst. Halb Mensch. Halb Tier.]

Dass am Ende der Reise die Opfer ehrenvoll empfangen wurden, denke ich mir und sehe eine Gesandtschaft der Minoer, wartend am Hafen. Den Minos selbst erkenne ich, Glanz und Gleichmaß der Göttersöhne, und sehe ihn aufatmen beim Anblick der Segel, denn bliebe das Schiff aus, so müssten die eigenen Söhne und Töchter der Stadt ins Labyrinth hinab, einen Hunger zu stillen, dem Sklaven etwa, wohlfeil in jenen Jahren, nicht zu genügen vermochten.

Letzte Bankette stelle ich mir vor. Schweren, schwarzroten Wein, Fleisch und die Gier derer, die wissen, dass diese Stunden reichen müssen für das Glück eines Lebens. Blasse Lippen und kalten Schweiß. Ein kurzes, hastiges, krampfverschlungenes Glück in der Nacht, vielleicht, einen bleichen, entzündeten Morgen. Tränen und Angst.

Weiße Gewänder und offenes Haar. Einen einsamen Abschied am Eingang zur Unterwelt denke ich mir, denn was wollte der Stiermann mit 14 Totern auf einmal. Die mitleidigen Blicke des obersten Priesters, und dann die geöffnete Tür. Rauhe, unverputzte Treppen. Gestank stelle ich mir vor, und das Schillern von faulendem Fleisch. Den Weg durch das Dunkel auf feuchten, glitschigen Böden.

Das Warten. Zu schreien. Holt mich hier raus. Das tagelange Umherwandern, Minuten von kurzem, angsterfüllten Schlaf. Die Furcht vor dem eigenen Herzschlag. Sind das nicht Schritte? Ein nächtliches, blutzersetzendes Schnauben. Der fremde, tierische Atem. Und dann, am Ende, der rote Leib. Glänzend gespannte Muskeln, schlanke, starke, sehnige Hände und der haarige Kopf mit den goldenen Hörnern, den schwarzen, offenen Nüstern, und den großen, feuchten und traurigen Augen der Kühe.

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