Leider ist es offenbar einer mir bekannten, wenn nicht sogar befreundeten Dame auch diesmal nicht gelungen, den Mann fürs Leben zu finden. Dabei ließ sich alles gut an: Man lernte sich kennen. Man gefiel sich. Man zog – keine sechs Monate ist es her – sogar zusammen und kaufte gemeinsam einen Küchenschrank, eine Waschmaschine, mehrere Garnituren Bettwäsche und lebte alles in allem recht zufrieden selbzweit. Zwar war der Herr ein wenig stubenhockerisch veranlagt, die Dame glich dies indes auf eigene Faust aus, und am Sonntagmorgen lag man glücklich gemeinsam im Bett und las in der FAS.
Das alles ist nun vorbei.
Vor einigen Tagen erwachte also die Dame des Hauses mit einem Kratzen im Hals. Das Kratzen verstärkte sich, Husten trat hierzu, die Körpertemperatur stieg an, und auf eine Krankschreibung hin blieb die Dame – wir wollen sie R. nennen – zu Hause. Zwei Tage schlief die R. eigentlich den ganzen Tag. Am dritten Tage las sie ein bisschen in herumliegenden Illustrierten, am vierten fing sie an zu telefonieren, und abends surfte sie ein bisschen im Internet. Unter anderem suchte und fand sie eine Seite, auf der eine ortsansässige Hutmacherin eigene Kreationen feilbot, die ziemlich gut aussahen und gar nicht so teuer waren, wie man es von handgemachten Hüten generell glaubt.
Am fünften Tag fand die R. diese Seite aber nicht wieder. Sie versuchte es mit ein paar verschiedenen Suchbegriffen wie „Hut kreativ Berlin“ oder so, aber die Hüte waren weg und entzogen sich ihren suchenden Blicken. Die R. war enttäuscht und schlief noch ein bisschen. Am Nachmittag aber fielen der R. die Hüte wieder ein. Erneut öffnete sie den Rechner, erneut suchte sie nach den Hüten, und dann fiel ihr ein, dass die Wege des Herrn zwar unergründlich, die Wege der Sterblichen durch das weltweite Netz aber ziemlich gut dokumentiert sind. Sie öffnete also den Verlauf.
Die Hutseite fand sie schnell. Was sie aber außerdem fand, waren zahlreiche Besuche in irgendwelchen Foren, die etwas mit Spielen und Filmen zu tun haben, und manche Foren, deren Besuch gleichermaßen verzeichnet worden war, beschäftigten sich mit eigentlich nichts., zumindest mit nichts thematisch gebundenem. Ihr das Notebook außerdem und eigentlich hauptsächlich nutzender Freund verbrachte seine Freizeit offenbar ganz gern im angeregten elektronischen Gespräch.
„Das ist doch besser als auf irgendwelchen Seiten mit n*ackten Frauen.“, gebe ich zu bedenken. Die Welt habe schon von unangenehmeren Hobbies gehört. – Indes, wird mir entgegnet, sei das noch nicht alles. Denn natürlich habe die R. die Foren unverzüglich aufgesucht und zumindest teilweise gelesen.
Ziemlich schnell fand sie ihren Freund. Der Nickname war der seines alten Plüschhasen, die Daten der jeweils kommentierten Kinobesuche stimmten, und auch die Schilderungen aus dem gemeinsamen Leben spiegelten die Realität halbwegs zutreffend wieder. Der Zurückhaltung, die sie an ihrem Freund immer als eher schätzenswert erlebt hatte, schien dieser im Netz allerdings ganz und gar nicht in derselben Weise anzuhängen: Seine Beiträge als pointiert anzusehen, wurde mir berichtet, sei schon eher euphemistisch. Auch der Begriff der Polemik bringe es noch nicht ganz auf den Punkt. Ihr Freund, so die R., sei vielmehr ein Troll. Ein Forentroll in des Wortes wahrster Bedeutung.
Und mit einem Troll wolle sie nicht ihr Leben verbringen.
Sprach’s und trollte sich von dannen?
tja, stille wasser sind oft tief. soll sie doch froh sein, daß er bei ihr so handzahm ist und nur virtuell die sau rausläßt.
frauen sind doch nie zufrieden…
Also …(siehe Kittykoma)
Man weiß ja nie so richtig, was man sich von draußen alles so reinschleppt…
In diesem Zusammenhang: Leseempfehlung:
Troll – eine Liebesgeschichte von Johanna Sinisalo
Erstaunliches Buch!
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DER Mann könnt mir auch gestohlen bleiben; für mich hat diese Persönlichkeitsstruktur nämlich weniger mit einem stillen Wasser als einem völlig verklemmten Naturell zu tun. Menschen, die hinter einer unauffälligen Fassade eine Befriedigung daraus ziehen, (anonym) Unfrieden zu stiften, gehe ich grundsätzlich aus dem Weg.
REPLY:
Naja, ich denke, gerade laufen ausführliche klärende Gespräche.
REPLY:
Ja, da teile ich auch eher Frau Walküres Meinung. Ich fände es auch schockierend, zu erfahren, dass unter der ruhigen Oberfläche noch andere, unangenehme Seiten vorhanden sind, zumal, wenn jemand diese dann auch so auslebt.
REPLY:
Hm. Ich fände das auch sehr, sehr merkwürdig.
REPLY:
Das, lieber Lucky, werde ich mir mal anschauen.
Auf dem Weg zum Einkaufen habe ich über diese Geschichte nachgedacht. Ich kann die Haltungen von Kitty Koma und Walküre durchaus verstehen. Wenn ich eine Frau wäre, könnte mir der Mann gestohlen bleiben, weil er DUMM ist. Er versucht einen Teil seiner Persönlichkeit zu verbergen, ohne daran zu denken, auch deren Spuren zu verbergen.
Ich kann nun nicht beurteilen, wie trollhaft sein Verhalten wirklich ist. Das lag ja in den Augen von Frau R.
Anonyme Trollerei kann ich ungefähr so gut abhaben wie Denunzianten zu allen Zeiten. „In der Wohnung neben mir lebt ein J…, der frisst kleine Kinder. Kann ich seine Wohnung haben, wenn Sie ihn abgeholt haben?“
Ich habe sehr früh die Erfahrungen gemacht, dass ich mit Frauen nichts zu tun haben will, die schlecht über ihre früheren Geliebten gesprochen haben. Die Erklärung erübrigt sich wohl.
Als Mann würde ich eine Trennung von Frau R. allerdings ebenso anstreben. Wenn sie mir aus der entsprechenden Schnüffelei einen Strick drehen will, handelt es sich für mich um die Benützung eines unzulässigen Beweises. Da es aber nicht um ein Gerichtsverfahren sondern um das Vertrauen zwischen zwei Menschen geht, die sich angeblich gut verstanden haben, erübrigt sich ein weiterer Austausch.
Etwas anderes wäre es, wenn er – darauf angesprochen – antworten würde: „Gut, dass Du es endlich herausgefunden hast. Ich wollte es dir schon immer sagen. Ich fühle mich auch nicht wohl dabei, aber es muss einfach heraus.“ Das entschuldigt zwar nicht den Tatbestand, aber es gäbe Hoffnung auf ein unterschiedliches Verhalten nach der Konfrontation.
Schließlich kann es sich ja auch um ein Überbleibsel aus der Zeit handeln, in der er ausschließlich frustriert das Glück von anderen Paaren genossen hat.
REPLY:
Ich bin mir auch nicht ganz schlüssig, wie sein Verhalten zu bewerten ist. Auf der einen Seite denke ich mir – wie wohl die meisten Leute – dass wir alle von Fehlern nicht frei, und dieser Fehler wohl nicht der Menschen größter sei. Auf der anderen Seite zeugt diese Trollerei von einer ganz eigentartigen Persönlichkeitsstruktur, die man nun auch wieder nicht gut zu Hause haben mag. Was aber meine Freundin angeht, so muss ich sie – und zwar nicht nur aus Freundschaft – von Vorwürfen freisprechen: Ich glaube ihr, dass sie wirklich nicht gezielt nach Merkwürdigkeite gesucht, sondern sie zufällig gefunden hat.