Aber ich bitte Sie. Wie denn? Ich bin 33, nicht gerade das, was man eine gute Futterverwerterin nennt, und meine Kämpfe um die ja nun objektiv nicht gerade ambitionierte Kleidergröße 38 sind durchaus, das muss man so sagen: qualvoll und erbärmlich. In der Welt der schönen Frauen existiere ich sozusagen nicht mal am Rande. Ein entspanntes Verhältnis zur Nahrungsaufnahme besitze ich daher nicht mal im Ansatz und beneide jene, die von Natur aus und ohne irgendetwas dafür zu tun mit einer Abneigung gegen fette oder süße Speisen gesegnet sind. Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich von Kuchen leben.
Dass Disziplin beim Essen schnell auch etwas wunderliche Blüten treiben kann, höre ich daher stets mit einer gewissen Mischung aus Mitleid und Neid. Jene fünfzig Kilo leichte Dame, welche als Kollegin meines lieben Freundes J.2 seit Beginn ihrer Berufstätigkeit immer leichter wird, mag objektiv möglicherweise an den Rand des Pathologischen gehören. Ihre Figur jedoch stellt ein schwer zu widerlegendes Argument für eine Störung dar, welche man unter dem Namen „Orthorexie“ kennt: Die krankhafte Angst, etwas Falsches zu essen.
Als Studentin war das offenbar kein Problem. In der Mensa aß besagte Dame Salat. Am Abend kochte sie sich leichte Curries oder Suppen aus Biogemüse. Auf Parties nippte sie an Weißweinschorlen, trank ausreichend Wasser dazu, und so fiel die wohl schon seit Jahren bestehende Störung schier gar nicht auf. Dann aber wurde die Dame berufstätig. Sehr berufstätig sozusagen, siebzig Stunden die Woche, die sie fast ausnahmslos außerhalb Berlins verbringt.
Mit Kochen war da natürlich Schluß. Mit gesundem Essen eigentlich auch, denn wie jeder, der einer Berufstätigkeit nachgeht, weiß, ernährt sich der Dauerinsasse stetiger Meetings vor allem von Schnittchen und Keksen, um abends mit den – in diesem Fall beratenen – Kunden langwierig und viel an öffentlichen Orten zu essen.
Bio war da nicht drin. Nach ein paar Wochen gab die Dame ihren Widerstand gegen die Erzeugnisse der konventionellen Landwirtschaft zumindest soweit auf, dass sie auch Käse und Vollkornsemmeln ohne das ersehnte Prädikat nachhaltiger Erzeugung zu sich nahm. Gab es nur Weißmehlprodukte, aß sie eben nichts. Oder nur vom Obstteller. Bei abendlichen Essen bestellte sie Salat mit Dressing extra. Am Frühstücksbuffet im Hotel löffelte sie Magermilchjoghurt. Gab es das nicht, blieb es bei ein paar Äpfeln. Ansonsten reist die Dame stets mit Reiscrackern, die sie sich Samstags kauft.
Natürlich nahm sie ab. Während alle anderen Berufsanfänger im ersten Jahr mächtig Gewicht machen, wurde sie als Einzige des Einstellungsjahrgangs 2008 immer dünner. Es hagelte Komplimente. Mehrere Kollegen und zwei Kunden verliebten sich in sie, weil bekanntlich fast nichts mehr von überwältigenden inneren Werten zeugt wie eine gute Figur. Als alle Kollegen aus ihrer zweite Generation Anzüge herauswuchsen, ärgerte sie sich über den Umstand, dass es bei Hosenanzügen keine Größe Null gibt.
Inzwischen macht sich ihr Teamleiter ernsthafte Sorgen. Zwar ist es ihr gelungen, durch die mitreisenden Vorräte einer gesundheitsgefährdenden Abnahme offenbar vorzubeugen. Indes sind Zwistigkeiten im Team zwischen den sich stetig verbreiternden Kolleginnen und der Orthorektikerin ausgebrochen, bei denen, wie man hört, die Sympathien der männlichen Kollegen eher auf Seiten der schlanken Person zu verorten sind, die – so sagt man – wenigstens auf sich achte.
(Bevor ich vor lauter Widespruch platze, lasse ihn raus: Sie, gute Frau Modeste, sind mir nun schon mehrfach unter die Augen gekommen, und sind selbst bei bösestem Willen nicht anders als eine Weide für dieselben zu bezeichnen. Finden Sie sich damit ab. Ich prognostiziere hiermit halsbrecherisch, dass Ihre Augenweidenqualitäten mit ansteigendem Alter sogar mehr werden und sich selbst durch ein bis zwei Dutzend Kilo zusätzlich nicht ausmerzen lassen. So. Herr glamourdick, sagen Sie doch auch was!)
Bionussmischungen, empfehlen Sie der Dame für unterwegs Bionüsse. Machen satt, sind gesund und schützen vor zu starker Abmagerung.
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Oje, Frau Kaltmamsell, keineswegs wollte ich hier nach Komplimenten fischen. Gleichwohl freue ich mich natürlich über dieselben. Indes – meinen aktuellen Versuchen, die magische Grenze von sechzig Kilo doch noch einmal dauerhaft zu unterschreiten, war bisher kein Erfolg beschieden. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen, und noch mühsamer nimmt es die angefressenen Extranüsse – Bio oder nicht – wieder ab.
(aber ich gebe den Tipp weiter)
Mal ohne Lyrik Madame, Frau Kaltmamsell hat recht, recht und nochmals recht …
.. >60kg …pfff, Schmarrn!
Da kann ich mich nur Frau Kaltmamsell anschließen. Habe sie ja auf der Lesung letzten Dezember in Neukölln gesehen. 🙂
Meine Dame,
vor fünf Jahren, ich war etwa so alt wie Sie, und mein Sein kreiste um das mühsame Halten der Kleidergröße 38, bekam ich aus heiterem Himmel die Diagnose MS. Seit etwa vier Jahren spritze ich mir jeden Tag eine Prophylaxe und habe in etwa 15 Kilo zugenommen, in Folge von Unglück, Nebenwirkungen und angstvoller Erstarrung. Und ich schwöre Ihnen: Ich bedaure unter allen Aspekten jeden Tag, den ich mit meinem tadellosen Körper haderte, weil ich mir einbildete, tonnenschweren Ballst auf meinen Hüftknochen zu tragen.
Als ich neulich bei meiner Neurologin über die Gewichtszunahme jammerte, fragte sie mich:“Wollen Sie schlank sein oder gesund?“ Ich hoffe für Sie, dass Sie diese Wahl nicht treffen müssen. Seien Sie außerdem versichert, selbst Männer sind nicht so saublöd, dass die dürre Kollegin ausschliesslich deshalb die Symphathiern für sich verbucht. Und glauben Sie mir, das Gefühl zu dick zu sein ist völlig unabhängig vom eigentlichen Gewicht. Gehen Sie raus, flirten Sie, springen Sie, vögeln Sie herum und vermiesen sich nicht alles durch diesen Quatsch. Oder gehen Sie zu den Weight Watchers und nehmen 10 Kilo ab, dann ist ja erst mal Ruhe. So, entschuldigen Sie das Tantenhafte. Es nützt eh nix, dass weiss ich noch. Aber ich konnte gerade nicht anders. Ihnen zugewandt,
Montez
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Ihre Obsession mit dieser 60-Kilo-Grenze ist mir ja schon länger ein Rätsel… ich kann mich Frau Kaltmamsell nur anschließen.
Hat jene 50-Kilo-Dame, die in Größe Null hineinpasst, eigentlich irgendwelche weibliche Kurven? So ein Besenstecken ist nämlich auch nicht jeder Manns Fall.
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lebe lieber sinnlich oder if you seek amy winehouse
frau kaltmamsell, ich gebe Ihnen natürlich recht. die betreibern dieser webseite ist äußerst attraktiv von gesicht und gestalt und besonderns in hellem pelz gekleidet geradezu atemberaubend. ich würde soweit gehen zu sagen, dass ein gott, wenn es einen gibt, für sie die pastellfarben ersonnen hat. nicht, dass sie in schwarz nicht auch eine gute figur machen würde, aber ich sehe sie gern in zarten farben. zu gerne würde ich jetzt hier dieses schöne dekolleté-foto veröffentlichen, aber das gehört sich nicht.
einerseits beneide ich menschen, die es vollbringen dünner statt dicker zu werden um ihre disziplin. aber bekanntlich sind diese kasteier nicht sehr unterhaltsam. und die, die das gewicht dank koks und crystal runterkriegen sind auch nicht entertaining, wenn man selbst nicht auf den gleichen drogen ist, was auch nicht gesund ist.
frau modeste, jetzt habe ich lust bekommen, etwas sinnliches mit lebensmitteln und getränken anzustellen. wir sollten uns mal wieder sehen! champagner für alle!
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Oh ja. Unbedingt. Champagner und Petit Fours. Und Musik, die den grauen März vergessen lässt.
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Das hört, Frau Montez, hört sich nach einem harten Schicksal an, vor dem ich mit meinen Kleckerproblemen ein wenig beschämt stehe. Ich wünsche Ihnen Kraft und gute Zeiten. Und vielen Dank für die warmen Worte.
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Herr Foxxi, Roulette: Dankeschön. Es ist mir etwas peinlich, ich bekomme gern Komplimente, reagiere aber stets fast etwas backfischhaft verlegen.
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Nö, so schlimm ist es nicht, noch lässt sich alles prima bewegen. Nur schlimm genug, um seine Prioritäten neu zu setzen und nicht mehr so viel Zeit zu verplempern. Und man lernt auch sonst allerhand. Im Moment versuche ich es damit, nicht dauernd darüber nachzudenken, was ich hätte alles anders oder überhaupt machen sollen. Aber na klar, hinterher ist man immer schlauer.
Ihre, sich in Diät befindende Montez
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Ja, die Zeit, die einem davonläuft. Immer und immer, und immer hätte man sie besser nutzen können. Im Nachhinein.