Die C. geht nach Brüssel. Wenn man macht, was sie macht, sei das der logisch nächste Schritt, und zudem strenge es sie an, die ganze Zeit gefragt zu werden, wieso sie keine Kinder habe mit inzwischen 36, höre ich mit Bedauern. Rund um die C. herum wimmelt es gerade vor kleinen Kindern und schwangeren Frauen.
Im Fleury laufen gleichfalls Kinder en masse herum. Lauter lässige, gut gekleidete Mütter mit teuren Sonnenbrillen und den Tuniken, die im Lafayette kürzlich nicht gekauft habe, weil der J. sie nicht mag, schieben ihre Kinderwagen zwischen den engen Tischen hindurch. Hübsche Kinder haben die fremden Frauen, lockige, kleine Prinzessinnen im Mini-Trenchcoat und blonde Buben im Fischerhemd, die schon mit drei irgendwie pfiffig und sehr, sehr gut gewaschen aussehen, und einen Moment frage ich mich, was man wohl macht, wenn man einsehen muss, dass das eigene Kind optisch deutlich hinter den anderen zurückbleibt, aber wahrscheinlich ist das Quatsch.
Rechts und links kommen und gehen Leute. Die C. und ich sitze fünf Stunden am Fenster im Fleury, bestellen ab und zu etwas nach, ziehen uns die weiß-blauen Kissen so hin, dass wir auf der Bank mehr liegen als sitzen, und sprechen über unsere Jobs, die Männer unseres Lebens, gutes Essen und Reisen und unsere Mütter. Als es aufhört zu regnen, brechen wir auf.
Im Kauf Dich Glücklich essen wir Waffeln. In den letzten Jahren hat das provisorisch anmutende Interieur mancher Cafés etwas Steriles angenommen, fällt mir auf. Die Sperrmüllmöbel haben ihren unschuldigen Charme verloren und wirken nun, als handele es sich um Teile einer ganz besonders raffinierten Inszenierung, und vielleicht ist das auch wahr. Vor uns sitzt eine Handvoll Nachwuchspolitiker der FDP, junge Männer Mitte dreißig in den gekrempelten Hemden der Juristen außer Dienst. Das gut Gewaschene haben sie mit den kleinen Jungs aus dem Fleury gemeinsam, fällt mir auf, aber ich weiß nicht, wie ich das Verbindende benennen kann und lasse es deswegen bleiben. Die C. und ich verabreden uns auf morgen abend oder Sonntag und brechen auf, jeder nach Hause. Inzwischen ist es sieben.
Im fluido drei Stunden später gibt es keine Kinder. Überhaupt hat von meinen engen Freunden niemand ein Kind, aber die M., wie ich höre, überlegt das zu ändern. Ihr Job sei langweilig und ein Jahr Auszeit gar nicht schlecht. „Nicht gerade der beste Grund für Nachwuchs.“, höre ich mich sagen, und der J. und der M. nicken energisch. Der M. habe zudem kein Interesse an dem zusätzlichen zeitlichen Aufwandsposten, fügt er hinzu.
Vielleicht ist es gar nicht das Kind, überlege ich mir und trinke hintereinander einen Tijuana Sling und einen Jaffa Smash Royale und einen Sekt auf Eis. Vielleicht ist es der Neuanfang, den die Leute suchen, die Kinder haben. Vielleicht ist es auch die Pause, das Sabbatical, und die M. ist nur ein bißchen ehrlicher als andere. Vielleicht haben auch andere Leute ihr Leben satt, vielleicht langweilen sich alle Leute über 30 in ihren festgefügten, ordentlichen Existenzen. Vielleicht wachen alle Leute morgens auf wie ich nach manchen Nächten, und fühlen sich leer, weil alle Anfänge längst verbraucht sind, und nichts Neues mehr kommt, was sich nicht anfühlt wie etwas längst Bekanntes. Vielleicht bekommen die Anderen vor lauter Angst vor den ewigen Wiederholungen und der Langeweile Kinder, und dann sehen die Kinder doch nur wieder aus wie die jungen Männer von der FDP.
…und dann sehen die Kinder doch nur wieder aus wie die jungen Männer von der FDP.
…und noch ein Grund warum ich kinderlos bleibe!
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Es muss ja auch noch Kinder geben, die nicht aussehen, als wäre das Staatsexamen quasi mitgeboren, aber vermutlich wohnen die woanders.
„ … und fühlen sich leer, weil alle Anfänge längst verbraucht sind, und nichts Neues mehr kommt, was sich nicht anfühlt wie etwas längst Bekanntes …“
Kein Gott, an den man glaubt, das Yoga bringt doch nicht die erhoffte Erleuchtung, Einkaufen macht keinen Spaß mehr, gereist ist man so viel, ist auch nicht mehr so dringend. Von Essen wird man dick und von Alkohol und Kippen grau im Gesicht. Vom Kater und den Falten ganz zu schweigen. Oder Schlimmerem. Und eigentlich steht man sogar ganz gerne früh auf inzwischen.
So eine tiefe spirituelle und einzigartige biologische Erfahrung. So eine bedingungslose Liebe. Und endlich eine echte Aufgabe. Und ich kann es sogar verstehen. Dieses sich Sinn stiften.
„…vielleicht langweilen sich alle Leute über 30 in ihren festgefügten, ordentlichen Existenzen.“
oh, ich würde mich manchmal freuen, über eine feste (aber nicht festgefahrene !) existenz beruflicher natur. als freie journalistin lebt es sich gut, ohne kind. aber wo ein wille, da ein weg. oder so.
meine kinder sähen übrigens wohl eher aus wie eine mischung aus karlsson vom dach und pipi langstrumpf 😉
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… auf jeden Fall nicht in Pregnancy Hill.
Hohenschönhausen, Marzahn, Oberschweineöde …?
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Dabei sollte ich es wohl belassen.
Doch der Satz ist zu schön:
„— vielleicht langweilen sich alle Leute über 30 in ihren festgefügten, ordentlichen Existenzen. „
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Ich kenne auch in Berlin Menschen über 30, die sich nicht langweilen. In meiner unmittelbaren Umgebung, Familie, Kinder (zwei davon schon über 30) und Berufsleben, könnte ich das von niemandem behaupten.
Allerdings werden die Leben auch nicht von Malediven, Seychellen und Clubbings bestimmt.
Der Artikel stimmt traurig. Ich kann leider nicht sagen, dass er falsch ist, denn er trifft schon eine statistische Mehrheit. Aber es muss nicht so sein.
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Ich wünsche den Müttern immer, dass es auch hinhaut. Manchmal schaut es danach aus, in anderen Fällen scheint es daneben gegangen zu sein.
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Ja, der richtige Zeitpunkt für eine Familiengründung kommt bekanntlich nie. Man will oder will halt nicht.
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Das hört sich niedlich an und nicht nach einem kleinen Friedrich oder Carl Maria, der aussieht, als habe die Junge Union jetzt auch eine Kleinkinderabteilung.
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Sicher nicht, aber herauszufinden, wie man leben will und kann, ist schwierig, und ob es sich nun an der Bar oder im Garten am besten lebt – wer kann das schon sagen.