Journal :: 05.06.

Einfach so und vorwarnungslos kippe ich um. Es ist morgens, viertel vor acht. Als habe jemand das Licht ausgeschaltet, wird es dunkel. In meinem Hinterkopf sammelt sich alles Schwere an, was ich in mir trage, und reißt mich zu Boden. Ein paar Sekunden später wird es dann wieder hell. Auf dem Boden sitzend robbe ich aus dem Bad wieder zu Bett. Ich bin schweißnass.

Ins Büro fahre ich heute nicht. Ich rufe an (oh, das Sprechen ist mühsam), es werde zumindest später, und dann schlafe ich auf der Stelle ein. Ich habe gestern weder viel getrunken, noch etwas gegessen, das diesen Zustand erklären könnte, ich war auch nicht später im Bett als sonst, aber als ich wieder erwache ist es mittags um zwölf. Auf dem Nachttisch sitzt mein Kater und schaut mich unverwandt an.

Eigentlich geht es mir ganz gut, aber gut ging es mir auch heute morgen. Ich vertraue meinem Wohlbefinden nicht mehr, denn was, frage ich mich, würde wohl passieren, säße ich auf einem Fahrrad, wenn die Verdunkelung erneut einsetzte? Falle ich dann auf die Schönhauser Allee und bin tot? Auf der anderen Seite nützt es nichts, sich nun ins Ungefähre zu schonen, und so rufe ich wieder im Büro an. Man möge mir meine Akten schicken, sage ich und warte.

Ganz perfekt ist die Lage noch nicht, stelle ich später fest. Der Weg die Treppe abwärts ist rutschig und steil heute mittag. Beim Einkaufen gegenüber bedrückt mich auf einmal die viele leere Luft zwischen mir und den Wänden. Als ich wieder zu Hause bin, lege ich mich erst einmal wieder hin. Dann kommt der Bote.

Es geht mir ganz ordentlich, so ab heute nachmittag. Ich arbeite und komme voran. Vielleicht geht es sogar etwas besser als im Büro, wo immer jemand anruft, vorbeikommt oder per Mail schnell etwas abstimmen will. Ich arbeite mit einer Tasse Tee auf dem Schreibtisch, die Katze auf dem Schoß, und als der J. kommt, fühle ich mich fast wie immer. „Lass uns was essen.“, sage ich und schleppe den J. bis zum Helmholtzplatz. Chirashi-Don bestelle ich, eine California Inside Out und einen Nachtisch.

Ich bin wieder fit, sage ich dem J. und mir und spüre der Schwärze hinterher, die so plötzlich gekommen und verschwunden ist. Vielleicht aber hat sie sich nur versteckt, misstraue ich dem Frieden dieses kühlen Abends. Vielleicht streicht mir die Dunkelheit schon um die Rippen, vielleicht tut es mir leid in drei Wochen oder drei Jahren, heute nicht zum Arzt gegangen zu sein, aber hingehen werde ich nicht.

Es wird schon nichts sein.

11 Gedanken zu „Journal :: 05.06.

  1. Was spricht gegen einen Arztbesuch? Falls solche eine Synkope http://de.wikipedia.org/wiki/Synkope_(Medizin) nochmals auftritt, würde ich dir raten, diesen Gang zu tun. Ich laboriere seit Wochen an mitunter auftretenden Schwächezuständen mit Schwindel, kaltem Schweiß und Zittern und schiebe das auf eine nicht auskurierte Erkältung. Wenn aber nicht? Als Hypochonder ein gefundendes Fressen und Anlaß, mal wieder ordentlich um mich selber zu kreisen. Was du nicht vorhast. Sehr verständlich!

    Ich kenne dein Blog seit zig Jahren, bin aber erst jetzt (Tagebuchbloggen) so richtig angefixt worden, nachdem Anke Gröner dich verlinkt hat. Dolle Sache. Sollte ich auch machen. Bei mir als selbst inzenierendem Bibliomanen würde es allerdings mehr so ein Konglomerat aus Lese- und „normalem“ Tagebuch. 🙂

  2. Ob man da die Kenntnisse eines Doktors braucht? Vielleicht eher ein bisschen Küchenpsychologie. Schon bei Ihrem Tambour auf den Rippen hab ich gedacht: oh, Herzrhythmusstörungen. Es geht mich ja nichts an, aber wenn Ihr Journal die Wahrheit spricht, ist bei Ihnen selten Leerlauf + Ruhe. Gönnen Sie sich doch mal ein bisschen Langeweile, kann auch sensationell sein 🙂

  3. REPLY:
    Denke auch das extrem schnell wechselnde Wetter macht mir aktuell auch zu schaffen, Kreislauf spielt verrückt und ab und zu auch die Seele….der Sommer kommt noch und dann wird alles wieder stabiler.

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