Manchmal sieht man Hunden zu, die ganz versunken in Wirbel und Geschwindigkeit dem eigenen Schwanze nachjagen, um dann auf einmal stehenzubleiben, verlassen von dem rauschhaften Schwung der letzten Sekunden und winselnd vor Verlorenheit. Man möchte dann niederknien, das Tier zu sich rufen, an beiden Ohren tätscheln und kräftig klopfen, bis die Spannkraft in den Hundekörper zurückkehrt, und der Hund fröhlich wedelnd von dannen zieht: So, eben so, geht es mir an manchen Wochenenden, nur kommt keiner (ach, wer sollte das auch sein) zu mir und klopfte mir gütig die Seiten.
Ein bißchen ausgeleiert komme ich mir dann vor, leicht schwankend vor zu viel freier Zeit, und lauter dumme Gedanken steigen in mir auf wie die Blasen im Sumpf. Dass jedes hübsche, dumme Huhn mehr Anerkennung und Zuneigung erfährt, als sie mir zuteil wird, etwa. Dass alle meine hart erkämpften Erfolge nicht nur sub specie aeternitatis, sondern schon unter den Augen der schönen, lachenden, langbeinigen Mädchen in den Journalen am Kiosk lächerlich wirken. Dass die Fähigkeiten, die ich besitze, ein wenig sehr alltäglich sind, und die Talente, die ich gern besäße, mir nicht gegeben. Ein bißchen traurig bin ich dann, ein wenig wie der verlorene Hund, und diese Traurigkeit (auch dies dem Hunde vergleichbar) erscheint mir dann wiederum zum Lachen und ganz und gar unwürdig eines vernünftigen Menschen.
Um nicht den ganzen Tag die eigene Irrelevanz zu beweinen, stehe ich dann auf. Ich brauche ein neues Kostüm, das ich Stunden später bei Filippa K. in der Alten Schönhauser Straße kaufe, fahre zu diesem Zweck erst zum Kudamm, laufe durch den Tiergarten zurück und freue mich an den grün verhangenen Wegen. Bei Filippa K. stehe ich schließlich vor dem Spiegel, eine Frau Mitte dreißig in einem grauen Kostüm, und schaue mir einen Moment in die Augen. Ich sehe, stelle ich fest, meiner Vorstellung von gutem Aussehen rein gar nicht ähnlich. Um verschüttete Milch soll man nicht weinen, schärfe ich mir ein, bezahle ein Kostüm und zwei Oberteile, laufe erst heim und später mit dem J., der I. und dem R. zum Essen, vergesse für einen Moment, dass ich schon nachmittags bei Barcomi zwei halbe Stück göttlichen Kuchen hatte, esse noch mehr Süßes in Form eines Birnenstrudels und sitze schließlich zu Hause, und erinnere mich mit Bedauern an zwei glatte, schmucklose, steinerne Gedichte von Nossack, die ich nicht auswendig kann, und – wie feststelle – auch nicht besitze.
Das mit den Fähigkeiten – in einer Runde Group-Coaching, in der ich ein organisatorisches Problem zu lösen suchte, fragte mich der Coaching-Lehrer aufmunternd und eigentlich rhetorisch, ob die Firma es denn spüren würde, fiele ich ganz aus. Ein Dolchstoß, denn wenn ich ganz ehrlich bin, sind meine Fertigkeiten komplett ersetzbar, dafür muss man nicht mal studiert haben. Anders als zum Beispiel in Ihrem Fall.
(Die Welt bewegen können lange Beine und Schönheit allerdings auch nur ganz, ganz selten.)
REPLY:
Über die eigene Unersetzlichkeit sollte man sich generell keinen Illusionen hingeben, und das, was ich tue, könnten andere auch, vielleicht um Nuancen besser oder schlechter, aber natürlich bräche – wie fast überall – der Bereich nicht zusammen, wenn ich heute mittag überfahren werde. Das ist halt gut bezahltes Handwerk, nicht mehr, und ein ordentliches Surrogat für die Dinge, die nicht zu können oder zu haben man nicht mehr bedauern sollte.
Eine der Fähigkeiten, welche Sie besitzen, ist allerdings keineswegs alltäglich:
Jene, so zu schreiben, wie Sie schreiben.
REPLY:
Danke. Ich wünschte, es würde weiter tragen, und finde mich gerade damit ab, dass das nicht der Fall ist.