Wie einfach es einmal war, sich zu verlieben. Sich auf einer Party zu küssen, am nächsten Tag miteinander Eis essen zu gehen, sich etwas zu erzählen über sich und alles, was man über die Welt weiß und denkt, und sich wieder zu trennen, wenn es sich nicht ausgehen wollte miteinander. Eine Woche traurig zu sein und dann wieder zu lachen.
Schwierig ist es geworden, sich kennenzulernen in den letzten Jahren. Soviel Vergangenheit klebt an der Haut von Leuten, die dreißig sind oder älter, und man kann sich kaum vorstellen, wie mühsam das Geschäft der Liebe sein muss, wäre man noch einmal zwanzig Jahre älter. Bis zu den Haarwurzeln steckt man in seinem Leben, seinen Ängsten, seiner Rolle, die man nicht mehr ablegen kann, man verlöre sich denn. Viel zu viel erwartet man nach wie vor von der Liebe, und die Statik einer Beziehung auszutarieren erscheint bisweilen so schwer wie die eines Hauses. Dies aber zu verfilmen scheint schwer. Dies so zu verfilmen, dass es gut aussieht, von einer leichten, nur ganz wenig schmerzlichen Melancholie fast unmöglich, und so verlasse ich die Kulturbrauerei nach Alle Anderen mit viel Hochachtung vor Maren Ade, die die Hymnen des Feuilletons, scheint mir, verdient hat.
Vordergründig handelt Alle Anderen von fast nichts. Chris (Lars Eidinger aus der Schaubühne) und Gitti (die großartige Birgit Minichmayr) machen Urlaub auf Sardinien im Haus seiner Eltern. Er ist Architekt, erfolglos und weich. Ein Mann, wie man viele kennt, die das Erwachsenwerden so lange herausgeschoben haben, bis sie über ihrer Unentschiedenheit zwischen vielen Möglichkeiten alle verpassen. Gitti dagegen, PR-Frau bei einem Musiklabel, erscheint tough. Burschikos, ein wenig zu laut, leicht ordinär, betont unkonventionell und dann doch in einem Maße auf die Liebe und Chris bezogen, das erschreckt: Bereit, sich an Erwartungen anzupassen, und dann doch nicht in der Lage, den Rollenwechsel durchzuhalten. Vibrierend vor Vitalität, die keinem anderen Zweck dient als der Liebe. Am Ende wird sie kaum einen Satz ausgesprochen haben, der nichts mit der Beziehung zwischen Chris und Gitti zu tun hat.
Es ist der erste gemeinsame Urlaub. Fast wolkenlos, verspielt und kindlich vor Sommer liegen beide im Ferienhaus. Dort, wo es brechen soll zwischen ihr und ihm, verlaufen feine, kaum sichtbare Markierungen, und erst als ein zweites Paar auftaucht, bröckelt es sichtbar, um dann mit einem hörbaren Krachen zu bersten. Ob und wie es sich wieder zusammenfügt, bleibt offen.
Das zweite Paar zu verabscheuen, liegt nahe. Er ist ein großspuriger, lauter und ungleich erfolgreicherer Kollege von Chris, in dessen Gegenwart Chris wie ein Bub erscheint, kaum männlich zu nennen. Sie ist gepflegt, feminin und konventionell, und himmelt ihren Mann auf eine durchaus etwas quälende Weise an. Man kennt derlei Paare, die man gleichzeitig verachtet und denen man sich unterlegen fühlt für Dinge, denen man doch nicht so gleichgültig gegenübersteht, wie man es gern täte.
Chris reagiert ähnlich ambivalent. Erst versucht er, die Begegnung zu vermeiden, dann lässt er sich in eine Art Kumpanei verwickeln und verrät darüber seine Freundin wie seine Mutter, die das Haus auf eine gleichermaßen komische wie mitleiderregende Weise mit Porzellankatzen und Glasvögeln eigerichtet hat. Ein wenig verachtet man diese Rückgratlosigkeit, bemitleidet Gitti für eine Weile, um dann doch ein wenig genervt zu reagieren ob ihrer theatralischen Seiten, ihrer Hyperaktivität und dieses stetigen Viel-Zuviel.
Ein wenig traurig trotz der vielen Sonne und der bisweilen komischen Sequenzen lässt der Film mich am Ende zurück: Wie schwierig doch die Liebe geworden ist. Und bisweilen: Wie unmöglich, sich so zu lieben, wie man es gern möchte, aber vielleicht (wer weiß das) gar nicht kann.
Alle Anderen
Deutschland 2009
schön beschrieben, den muß ich wohl sehen. vielleicht verstehe ich irgendwann auch mal, warum das bei einigen so schwierig ist mit der liebe.
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Es lohnt sich.
„Man kennt derlei Paare, die man gleichzeitig verachtet und denen man sich unterlegen fühlt für Dinge, denen man doch nicht so gleichgültig gegenübersteht, wie man es gern täte.“
Das, werte Frau Modeste, ist einer jener Sätze, deretwegen Ihr Blog für mich das gewisse Etwas besitzt, welches deutlich in die Nähe eines Suchtfaktors einzuordnen ist.
Ein wenig traurig trotz der vielen Sonne und der bisweilen komischen Sequenzen lässt der Film mich am Ende zurück: Wie schwierig doch die Liebe geworden ist. Und bisweilen: Wie unmöglich, sich so zu lieben, wie man es gern möchte, aber vielleicht (wer weiß das) gar nicht kann.
Mit diesem Fragezeichen bin ich auch aus dem Film gegangen, obwohl ich ihren Text vorher schon gelesen hatte, der im übrigen sehr genau und auf den Punkt gebracht, die Charaktere beschreibt. Deswegen noch einmal ein großes Lob.
Was ich allerdings auch gesehen habe, ist, wie die beiden sich versuchen aneinander anzunähern, in dem sie diese diversen Rollen ausprobieren – sie kämpfen um ihre Beziehung und das fand ich schon mehr als wertvoll und gar nicht so wahnsinnig schwierig. Zumal man täglich als Individuum „im Werden“ sich begreift – jeder Tag verändert mich, nicht nur eine Beziehung und die Entscheidungen von Gitti, den Rollenwechsel auszuprobieren empfand ich nicht als ihre persönliche Selbstaufgabe, sondern als Versuch, zu schauen, ob sie in dieser Rolle vor sich selbst grade stehen könnte – klappte natürlich nicht.
Ich glaube letztendlich, dass man nach jeder erreichten Etappe, ein wenig mehr sich selbst akzeptiert und dann dieser Perfektion einer gedachten Liebe insoweit nahe komme – als dass man merkt – es gibt sie nicht.
Vielleicht funktioniert es so … vielleicht auch nicht
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Vielleicht unterliegt man einem Fehlschluss: Die Liebe müsse einfach sein, mitreissend und selbstverständlich wie jeder Zauber.
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Danke. Und ein Kompliment zurück: Sie gehören zu den beständigsten Kommentatoren. Ich finde es immer etwas schade, wenn kaum Feedback kommt, man schreibt dann in so ein schwarzes Loch hinein. Als rufe man in einen Raum, und niemand antwortet.
Danke für diese Kritik: Ohne sie hätte ich den Film sehr wahrscheinlich völlig übersehen, obwohl ich den Vorschau mehrmals gesehen hatte (er hatte mich nicht gerade angesprochen), und ich hätte einen wirklich guten Film, mit sehr guten Besetzung, verpasst.
Dieser Blogeintrag ist übrigens der Erste, den ich hier gelesen habe, denn auf den Blog bin ich erst diese Woche durch der Kaltmamsell aufmerksam geworden. Nach einem so guten Anfang werde mit Sicherheit regelmässig vorbeischauen. 🙂