Nun, seien wir ehrlich: Zumindest Teile der Hölle finden in Strandhotels statt. Schwere Vergehen werden durch den Daueraufenthalt in Backpackerabsteigen gesühnt, in denen den ganzen Tag Bob Marley singt, und blonde, sonnenverbrannte Schweden mit T-Shirts, auf denen Bierwerbung abgedruckt ist, mit zerlumpten Einheimischen um den Gegenwert von fünfzig Cent feilschen. Nachts amüsieren sich die Schweden mit laut kreischenden australischen Mädchen, und verwickeln anderntags harmlose Passanten in lange Gespräche über den unglaublichen Spirit des Landes, in dem man sich gerade aufhält.
Für andere, nicht weniger schwere Sünden, kommt man in Clubs. Auch hier läuft den ganzen Tag laut Musik, aber statt selbstgerecht-alternativer Studenten sitzen die Sekretärinnen aller Länder am Pool, zeigen einander ihre Tätowierungen, und ihre missratene Brut springt mit größtmöglicher Intensität in den chlorstinkenden Pool. Jeden Abend gibt es dasselbe Buffet.
Andere, geringere Sünden – lassen sie uns von den weniger geräuschvollen Verbrechen sprechen – werden in Hotels wie diesem geahndet. Der Bestrafungscharakter des Aufenthalts ist hier weitaus subtilerer Natur. Jeden Morgen der Ewigkeit wacht man also auf, die Sonne scheint, das Hotelpersonal ist von undurchdringlicher, unverwüstlicher Freundlichkeit, die Hotelanlage ist preisgekrönt geschmackvoll, und das Frühstücksbuffet bietet alles, was man auch nur potentiell morgens essen will. Der Strand ist lang und weiß, der Spa gepflegt, rundherum kann man sehr gut dinieren, und die ersten Tage denkt man tatsächlich, so schlimm könnten die kleinen, lässlichen Sünden des eigenen Lebens nicht gewesen sein. Man liest jeden Tag ein Buch und abends trinkt man Gin Tonic oder frische Säfte.
Nach wenigen Tagen aber beginnt die Idylle an den Nerven zu zerren. Die Ereignislosigkeit befördert eine gewisse Nervosität, man wird unruhig, und dass einen die Sehenswürdigkeiten des Umlandes nicht so besonders interessieren, macht die Sache natürlich auch nicht besser. Man engagiert einen Fahrer, der einen umsichtig und unaufdringlich überallhin bringt, wo man hin möchte. Tag für Tag steht man vor irgendwelchen Tempeln, die alle gleich aussehen, man könnte Märkte besuchen, bei denen es kunsthandwerkliche Produkte kaufen, die man zwar nicht braucht, die aber ganz hübsch aussehen, und man könnte – wollte man das – Kurse belegen, bei denen man einheimisch kochen, surfen, segeln oder tauchen lernen kann. Ganz Verzweifelte könnten auch irgendwelche Kreativkurse buchen, um Fertigkeiten zu erlernen, die ich zumindest noch nie im Portfolio meiner Fähigkeiten vermisst habe.
Abends liegt man im Bett und stellt sich mit von Nacht zu Nacht wachsender Intensität vor, man säße im LassunsFreundebleiben. Oder in der 103 Bar. Oder im fluido. Ganz gern, stellt man fest, würde man das KaDeWe durchstreifen, vielleicht in der Gemäldegalerie am Potsdamer Platz Bilder betrachten, die einen im Gegensatz zu den hierzulande ausgestellten Gemälden auch interessieren, und außerdem hätte man gern weniger Leute, die irgendwie unsympathisch wirken, um sich herum, und dafür die eigenen Freunde, die zwar auch Krach machen, aber wenigstens nicht dazu neigen, am Strand halbnackt minderwertige Bücher von Danielle Steel oder Dan Brown zu konsumieren. Man fängt an, sich vor den sonnenbadenden Menschen im Hotel zu ekeln, und stellt sich manchmal, schließt man die Augen, vor, statt des Meeres würde die Torstraße rauschen.
Nach einer Woche zählt man die Tage, doch statt irgendwann erfreut den weiteren Verbleib mit „fünf“ durchaus überschaubar beziffern zu können, wäre man – wäre das hier die Hölle und nicht nur ein Strandhotel – verdammt in alle Ewigkeit und verloren in der Perfektion.
Es gibt hier nichts auszusetzen. Aber partiell es ist schwer erträglich.
Mein Mitleid hält sich in Grenzen :)))))))))))) – wir können gern tauschen. Hier gibt es schöne Plastikjalousien und Neonröhrenlicht, und bevor der Kopf vor Langeweile auf die Tastatur aufschlägt ist es auch schon wieder Zeit für ein Statusmeeting.
Was für eigenartig bizarre Parallelwelten es doch gibt: Die der Strandhotels würde ich persönlich nicht mal für geschenkt aufsuchen wollen! Danke für die Bestätigung, meiner Art des Urlaubs treu zu bleiben, in der weder Hotels noch Pensionen noch Herbergen noch Buffets noch überhaupt viele andere Zweibeiner am Schlafplatz vorkommen. Ich will mich ja schließlich in der Sommerfrische von der Menschheit erholen! 😉
Man könnte sich ja auch mal für die Lage der Einheimischen interessieren, wenn man schon mal da ist. Vielleicht mal rauskriegen, wie sich die Dörfer organisieren, die immerhin den so ziemlich größten Reisanbau Indonesiens stemmen. Oder Hahnenkämpfe abhalten, obwohl das offiziell verboten ist. Aber jedes Dorf hat seine Hahnenkampfarena, hauptsache, es gibt Bakschisch für den örtlichen Bullen. Es gibt eine Krankenversicherung, die aber nicht viel taugt, wenn es kompliziert wird; gleiches gilt für das öffentliche Nahverkehrssystem, das in allen Reiseführern so blumig empfohlen wird. Deshalb fahren die da alle Mofas, und die pflegen die auch sehr, weil die für die Einheimischen wirklich unentbehrlich, aber auch teuer sind. Ein Abzahlungssystem, dessen Modalitäten ich vergessen hab, macht es jedem möglich, schnell so ein Ding zu fahren, aber dann zahlt man auch zwei oder drei Jahre ab…so man seinen Job behält.
Eine Arbeitslosenversicherung gibt es nicht, aber eine Art Kastensystem, was die Entlohnung angeht. Mitgekriegt, wie zeitig die Hotelangestellten anfangen? Und wann sie aufhören?
Die Rolle der überall herumspringenden Hunde hatte mich interessiert…bis ich mal versuchte, in einen der hintersten Bauernhöfe zu wandern…dort braucht man keine Türschlösser, die Viecher sind besser als jede Alarmanlage…Aber ich wurde freundlichst empfangen…
Der Fischmarkt hinterm Flughafen sieht aus wie ein eine Art Fischflüchtlingslager, stinkt wie die Hölle, aber genau dort versorgen sich die Hotelküchen. Mal die Fischer fragen, wo sie das Zeug herholen und gleich mal gucken, wie sie leben. Direkt am Meer. Balinesen mögen das Meer nicht, das fischen überlassen sie Völkern anderer Inseln…Es gibt auch Rassismus am anderen Ende der Welt…
Was noch schreiben…du bist doch da.
Die Tempel kannst du dir sparen, ehrlich.
Und wenn du was erleben willst, lauf einfach am Strand entlang in die Dämmerung hinein. Da trifft man Typen, denen man kaum mit Berlin-Mitte-Allüren imponieren kann.
Und jetzt schimpf nicht gleich, ich habs nicht böse gemeint.
Jetzt hätten wir aber auch noch gern ein Geständnis, für welche weniger geräuschvollen Verbrechen Sie dort gelandet sind.
schon ein bisserl snobistisch, frau modeste. aber jede wie sie mag.
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ich habe das mit den fernreisen auch schon länger ad acta gelegt. als alien fremde welten zu
okupierenerkunden hat mit der zeit was tendenziell pathologisches.REPLY:
Nein, nein – schlecht ist es nicht. Ich bin nur schlecht aufgestellt für Strandtage und bekomme immer schnell einen Urlaubskoller.
REPLY:
Ich fahre eigentlich gern weg, aber Badeorte sind nichts für mich.
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Derlei Sozialstudien wären für mich wohl eher unerfreulich, und für die Betroffenen wenig hilfreich. Ich bin von der Ungerechtigkeit der meisten Verhältnisse überzeugt, aber es ist nicht an mir, dies zu ändern. Zudem: Ich fände es reichlich distanzlos, bei irgendwelchen Leuten einfach so aufzutauchen. Ich wäre mehr als befremdet, stände auf einmal bei mir im Prenzlberg jemand vor der Tür, um einfach einmal herauszubekommen, wie ich denn so lebe. Meine Neugierde auf andere Leute hält sich in Grenzen.
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Wenn ich mir die Leute hier so ansehe, dann müssen es irgendwelche belanglosen White-Collar-Crimes gewesen sein. Ich schwöre aber, ich kann mich an nichts erinnern.
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Um den ersten Preis in Bodenständigkeit habe ich mich nie beworben.
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Ha ha, das sagen sie hinterher immer alle.
Manche würden für einen solchen Urlaub töten.
Und diese Leute passen dahin.
Sie könne sich stundenlang über die unterschiedlichen Hotels unterhalten, das Wasser, die Kellner und die Cocktails.
Fahren Sie einfach anderswohin , das nächste Mal.
Paris oder Schottland.