Pailletten

Weißt du, es war doch der charming Herr Glam. Das goldfarbene Paillettenkleid, das ich anziehen durfte auf seiner Party letztes Jahr, und sah damit großartig aus, hätte das Kleid anbehalten wollen die ganze Nacht und überhaupt immer. Wahrscheinlich hätte ich sogar singen können in diesem Kleid und Kunststücke mit wilden Tigern, und wenn ich mit dem Kleid auf die Straße gegangen wäre, wären die Passanten auf die Knie gefallen und hätten mich und das Kleid umjubelt und photographiert.

Ein eigenes Paillettenkleid aber hatte ich nicht. Ein eigenes Paillettenkleid hätte ich niemals gekauft, denn ich führe kein Leben für Paillettenkleider, ich kann nicht singen, ich kenne keinen einzigen Tiger, und wenn ich auf die Straße gehe, dreht sich nicht einmal die Müllabfuhr um. Das Kleid aber, Herrn Glams goldenes Kleid, hat mich behext.

Ein goldfarbenes Paillettenkleid aber gibt es nirgends zu kaufen. Übers Jahr vergaß ich also das Kleid, hängte grau und grün, lila und blau, Tweed und Wolle in den Schrank, dachte nicht an Gesang und nicht an die fehlenden Tiger, und dann hing es da doch: Schwarz zwar, und nicht golden. Kurz zwar, und nicht lang, aber gerade, eng, ziemlich ausgeschnitten für meine Verhältnisse und ganz und gar besetzt mit Pailletten. Ich habe das Kleid sofort gekauft.

Dann aber gingen die Wochen ins Land. Weihnachten? Unmöglich. Silvester? Doch nicht bei der sehr gemütlichen und ganz und gar tigerfreien Party bei M. und M. Ausgehen? Keine Ahnung, was Sie tragen, wenn Sie ausgehen, aber ich bevölkere die Bars von Berlin, und da lachen vermutlich alle, wenn ich aufkreuze mit meinen Pailletten. Mein geschätzter Gefährte J. lacht wahrscheinlich am meisten. Bälle? Der J. kann nicht tanzen. Premieren? Wir sind in Berlin … Parties? Ich wüsste nicht wo.

Da hängt das Kleid nun also im Schrank. Sogar das Etikett ist noch dran. Ab und zu fällt das Licht durch die offene Schranktür und bricht sich funkelnd in hundert Pailletten. Fernab der Stadt zucken die Pfoten der Tiger in Träumen, und ich trage das Kleid wohl nur für mich und zu Haus und allein.

17 Gedanken zu „Pailletten

  1. Das macht nichts. Du brauchst keine Tiger um ein Kleid zu rechtfertigen – du bist eine Frau, Punkt! Und so lange du dich für die Pailletten nicht verschuldet hast und dich immer noch freust, wenn du das Kleid siehst, ist alles in bester Ordnung.
    Ich habe mal ein Paar Schuhe gekauft, das drei Nummern zu klein war, nur weil es aussieht, als müsse man die Füße darin sofort küssen. Diese Schuhe stehen nun im Flur auf dem Schuhregal, egal welche Jahreszeit es hat, damit jeder Besuch gleich sehen kann: 11cm Absatz, Nieten, total geil – das sind die Schuhe, die meine Füße kleiden. Wer möchte küssen?

  2. Ich habe mal diese unglaublichen silbernen Schuhe mit Glitzer drauf, vorne sehr sehr spitz und mit Absatz wie bei Cowboystiefeln. Da es in der ganzen Welt keinen Ort gab, die wirklich zu tragen, habe ich sie einfach überall getragen, bevorzugt in den abgewrackten Hausbesetzerbars, in denen ich lange zuhause war. Das hat mir zwar auf Jahre die Verachtung der anderen verschafft, aber mein kleines Herz leuchtete bei jedem Schritt auf dunklem schmutzigen Asphalt. Manchmal muß man einfach tun, was man tun muß.

  3. Melde hiermit Ausgehbedarf in schickem Fummel an. Darf ich auch in lang und lila und mit Waschbärkragen? Clärchens Ballhaus böte sich auch an…

  4. Nur Mut!
    Am schönsten sind solche Kleider, wenn die so gerade nicht ganz zur Veranstaltung passen. Ich mochte das schon immer:
    mit Stöckelschuhen und tailliertem Kostüm im Labor stehen und alle um mich rum tragen löchrige Jeans oder mit Jeans, Cowboystiefeln und Samtblazer in die Oper gehen.
    Spaß am Auftritt hat man sicher mit dem Pailletenkleid, egal wo.
    Ich glaube, ich brauche auch eines.

  5. REPLY:
    Ja, das rote Kleid, das ich bei besserdresser gekauft habe, liebe ich sehr. Ich sehe damit aus wie Rotkäppchen, viel niedlicher, als ich es an sich bin, aber ich freue mich jedesmal, wenn ich das rote Kleid trage und komme unversehens an eine Spiegel vorbei.

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