Zwei Katzen sind – nun, wie Katzen halt so sind. Mal fegen beide durch den Raum. Mal sieht man drei Stunden nichts von den Tieren und fragt sich, ob man wohl welche besitzt. Dabei besitzt man Katzen bekanntlich nicht. „Katzenhalter“ zu sein ist stets eine Amtsanmaßung. Die Katze wohnt bei einem. Lange Zeit also wohnten bei mir deren zwei.
Eines Tages wurde die andere Katze krank. Dann wurde sie wieder gesund, ein letzter Tierarztbesuch wurde vereinbart, und dann fiel die Katze eines Abends einfach um. Ein paar Monat lang war der Kater allein.
Dass es mit einem einsamen Kater nicht geht, wurde ziemlich schnell klar. Der Kater wurde anhänglicher. Noch anhänglicher, kann man sagen. Tags blieb er ungern allein, abends umtanzte er die Heimkommenden und nachts war er aus dem Bett nur schwer zu verjagen. Der Kater brauchte Gesellschaft.
„Wir fahren ins Tierheim.“, kündigte der geschätzte Gefährte an und verzog missmutig das Gesicht. Der geschätzte Gefährte ist nicht so viel in Berlin, und wenn er da ist, fährt er ungern in obskure Außenbezirke. Außerdem haben Freunde von uns zwei Katzen aus dem Tierheim, und dass der Psychologe nicht mitgeliefert wurde, ist, nun, eigentlich eine veritable Schlechtleistung. Der äußerste Akt der Katzenaquise war also eine E-Mail. Und ein Facebook-Eintrag, wer eine über habe, möge sich melden.
Außer meinem Schulfreund S., der auf die einsamen Katzen von Bangkok verwies, meldete sich keiner. Die Zeiten, wo überall mal unvorhergesehen irgendwo in der Waschküche oder unter dem Dach Kätzchen zur Welt kommen und verschenkt werden müssen, scheinen vorbei zu sein oder finden woanders statt. Einsam starrte der Kater von der Fensterbank aus auf die Straße und kuschelte sich nachts an anklagend an die Füße des J.
Vor zwei Wochen oder so hatte ich frei. Zeitung lesend saß ich also hier herum, irgendwann kam die Reinmachefrau und wir hielten einen Schwatz. Wir sehen uns manchmal monatelang nicht, ratterten also Neuigkeiten herunter, und ich erwähnte die Katzenlosigkeit. Armer Kater. Einsamkeit. Neue Katze. Und ob sie …?
Sie nickte. Unsere Putzfrau hat doppelt so viel Energie wie fast jeder, den ich kenne. Sie hat ungefähr sieben Kinder, gründet gerade ein Ladengeschäft, organisiert alles und so ziemlich jeden, und Katzen hatte sie bisher auch. Seit neuestem aber hat sie auch eine Katzenhaarallergie, und deshalb bot sie mir ihre Katze an. Sie heiße Lilly und sei blau.
Blaue Katzen sind eigentlich ein bißchen zu edel für unseren eher unedlen Haushalt. Rassekatzen stelle ich mir kränklich vor und anspruchsvoll, kleine Diven mit pflegeintensivem Fell, und deshalb wiegte ich den Kopf hin und her, versprach, drüber nachzudenken und dann dachte ich nicht mehr an Lilly. Am Wochenende, als der Kater besonders erbärmlich herummaunzte, schrieb ich dann doch noch eine SMS an unsere Putzfrau, kündigte an, die Katze demnächst zu besuchen, und als nichts kam, streichelte ich den Kater und versprach ihm einen Tierheimbesuch im Oktober.
Am Dienstag kam der J. deutlich vor mir nach Hause. An der Tür streichelte er den Kater. Im Flur schleuderte er seine Tasche irgendwohin. Im Schlafzimmer warf er Schuhe, Krawatte und Anzug ab und legte sich im Wohnzimmer aufs Sofa. Auf seiner Brust thronte der Kater. Irgendwann bekam der J. Hunger und ging in die Küche.
Auf dem Küchentisch lag ein Zettel. Der Zettel war von unserer Zugeherin, auf dem Zettel stand, sie habe Lilly mitgebracht, zur Probe sozusagen, und wenn wir Lilly nicht haben wollen, sollen wir anrufen. Sie komme sofort. Der J. begab sich unmittelbar auf die Suche.
Wenig später fand er das Tier im Gästezimmer unter dem Sofa. Zwischen der Rücklehne des Sofas und der Wand ist ein bißchen Platz, da geht gut eine Katze dazwischen, gerade eine kleine, blaue Katze, die sich stundenlang hinter dem Sofa aufhält, weil sie Angst hat vor der neuen Wohnung und den neuen Menschen und dem neuen Spielgefährten, der noch ein bißchen faucht.
Am nächsten Tag erst kam die Katze in die Küche. Noch einen Tag später saß sie auf meinem Schoß und ließ sich streicheln, erkundete die Wohnung, schnupperte am Kater und heute nacht, heute nacht saßen beide Katzen vor dem Bett, maunzten um Aufnahme und trotteten, von mir verjagt, gemeinsam in die Küche.
Lilly bleibt jetzt wohl hier.
Es ist wohl eher umgekehrt: Modeste nebst J. werden jetzt gnädig geduldet.
Na dann: Masseltov!
Liebe Madame Modeste,
Sie erzählen mir nichts Neues. Es freut mich aber besonders, dass Ihnen das Alleinsein Ihres „verwitweten“ Katers zu einer Herzensangelegenheit wurde. Es spricht für Ihr Einfühlungsvermögen, das erkennt, dass auch Ihr Vierbeiner gleichartige Gesellschaft braucht, an die er ohne menschliche Mithilfe in einer Großstadt ja kaum kommen könnte.
Er kann ja nicht wie wir auf die Piste gehen!
Auch wenn ich Ihren Kater nicht persönlich kenne, sage ich Ihnen in seinem Namen doch ein ganz herzliches und liebes „Miau-miau“, übersetzt: vielen Dank!
Blinkyman
Gratuliere! Bei uns hat es ein Jahr gedauert, bis sich Erst- und Zweitkatz nicht mehr umbringen wollten.
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Mal mehr und mal weniger gnädig – heute morgen war man schon sehr ungehalten, als das Futter etwas später kam als erwartet.
REPLY:
Danke, danke. Es läuft aber recht gut. Man ist lebhaft und maunzt fröhlich vor sich hin.
REPLY:
Willy maunzt gut gelaunt zurück.
REPLY:
Für Mordversuche ist Willy zu träge und Lilly zu neu.
Die finden in Syrien statt. In der ungenutzten Zweitküche unseres Hauses haben vier von denen das Licht der Welt erblickt. Katzenaffin seit ich denken kann, habe ich die halb verhungerten Schätzchen unter meine Fittiche genommen und nun fühlen sie sich hier sehr zu Hause. Das ist schön für alle, aber es bricht mir jetzt schon das Herz, sie einem Leben als Straßenkatzen überlassen zu müssen, wenn ich hier in einigen Monaten alle Zelte abbreche :(. Aber ich kann ja schlecht vier Katzen ins Flugzeug packen…
Für ganz viel Katzencontent siehe hier.