Freitag ist der Tag der Rituale. Ich kenne ein Paar, das geht jeden Freitag ins Kino. Ein anderes Paar holt sich auf dem Weg vom Büro heim einen Film, bei der Weinhandlung nebenan eine richtig gute Flasche Wein und setzt sich damit aufs Sofa. Eine Freundin von mir kauft jeden Freitag in der Mittagspause etwas Gutes zum Essen und einen Haufen Illustrierte ein, legt sich abends daheim sofort in die Badewanne, isst anschließend im Bett alles auf und blättert in den Journalen. Der J. und ich gehen jeden Freitag essen.
So richtig mit Reservierung und vorher nachschauen schaffen wir allerdings nie. Im engeren Sinne geplant sind die Abende auch nicht. Meistens telefonieren wir so gegen 17.00 Uhr. Ich teile dem J. dann mit, der Kühlschrank sei leer. Der J. antwortet, er habe jetzt auch keine Luft, einkaufen zu gehen, und gemeinsam beschließen wir, irgendwo etwas zu essen. Für eine sorgfältig erwogene Auswahl ist es dann zum einen zu spät, zum anderen wollen wir auch nirgendwo hin, wo man noch extra hinfahren muss, und deswegen waren wir jahrelang jeden Freitag (oder zumindest so jeden zweiten) im Pappa e Ciccia. Das ist ein Italiener im Prenzlauer Berg.
Das Pappa e Ciccia ist jetzt kein so besonderer Italiener. Es schmeckt ganz gut da, der Service ist auch nett und herzlich, alles schön, lässig, aber nicht unelegant, doch der größte, der entscheidende Vorteil des Pappa e Ciccia bestand eigentlich in dem Umstand, dass er nahezu nebenan gelegen war. Jetzt allerdings sind wir umgezogen und dass Pappa e Ciccia ist ziemlich weit weg. Bestimmt 15 Minuten Radweg.
Unstet sind seither unsere Freitage. Im Brot und Rosen an der Ecke waren wir mehrfach, auch ein Italiener, aber da fehlt es an der fröhlichen Quirligkeit des Pappa e Ciccia, die Gäste wirken alle ein bißchen gedämpft, etwas Herbstliches wallt durch die Räume – wir sind da nicht so heimisch geworden. Für das Chez Maurice um die Ecke gilt etwas Ähnliches. Man isst ziemlich gut da, das ist es gar nicht. Es ältelt halt so ein bißchen. Es isst da oft nicht die nette, etwas aufgekratzte Nachbarschaft, sondern so ein wenig getragene Menschen, keine so reizvolle Umgebung, und so essen der J. und ich uns nun am Freitagabend etwas unbehaust durch den Prenzlauer Berg. Diesen Freitag waren wir einmal wieder im großartigen Filetstück (oh, das göttliche Pommersch Rind!), auch wenn da jedesmal am Nachbartisch irgendwelche Hornochsen lautstark ihre Bedeutung in Kunst und Medien in die Welt posaunen. Den nächsten Freitag geht es vielleicht wieder ins Sasaya, wo man so großartig Sushi isst wie fast nirgendwo sonst, aber einen festen Hafen, einen Ankerplatz am Ende der Woche, einen Laden, den man nicht aushandeln oder wählen muss, kurz: Ein Pappa e Ciccia diesseits der Greifswalder Straße ist nicht in Sicht.
Liebe Frau Modeste,
ich würde Sie ja gerne einmal am Freitag Abend in eines meiner Lieblingslokale einladen, aber dann müssten Sie doch schon in der Frühe losfahren.
Und bitte schimpfen Sie mich dann nicht, wenn Sie schlußendlich feststellen, dass Sie diese Genüsse auch in Berlin hätten haben können.
Ich bin ja echt gespannt, wann ich Ihnen mal über den Weg laufe 🙂