Ich kann ja noch nicht einmal behaupten, eine bessere Futterverwerterin zu sein als andere Leute. Ich esse einfach schrecklich gern und ich mag es, richtig, richtig satt zu sein. Also so knallsatt. So ein Zustand, in dem schon ein Minzplättchen unweigerlich eine sehr unappetitliche Körperexplosion nach sich zöge. Außerdem esse ich gern fett. Ich mag Schlagsahne. Ich mag kein Brot ohne Butter, ich mag Mehlspeisen. Knödel. Ich liebe Torten und finde nur vollfetten Käse lecker.
Dass man bei solchen Vorlieben nicht gertenschlank durch Berlin wandelt, versteht sich eigentlich von selbst. Wenn ich esse, was ich lustig bin, wiege ich deswegen unaussprechliche 66 Kilo. Bei diesem Gewicht lande ich immer. Mehr wird es nicht, weil ich mehr nicht essen kann. Weniger wird es nur, wenn ich mich quäle. Deswegen muss sich jetzt gequält werden. Und Sie quäle ich mit. Bis hier keiner mehr mitliest.
Wer möchte auch schon wissen, dass ich heute mittag einen Burrito gegessen habe? Er war gut, er war von dolores, wo es die besten Burritos von Mitte gibt. Schuldbeladen saß ich in der Sonne, erfreute mich an lauter schönen Menschen mit Sonnenbrillen und fraß meinen Burrito con pollo. Normale Leute lehnen sich dann zurück und können nie wieder etwas essen. Ich habe mir für den Nachmittag Bananen gekauft und Erdbeeren. Wenigstens war es Obst und keine Schokolade.
Drei Haribo-Schnuller habe ich auch noch gegessen. Das war so gegen 18.00 Uhr. Ich hatte ernsthaft Phantasien von Kuchenduft. Ich saß in meinem Büro, ich sah in den Himmel und bellte ins Diktiergerät, ich wollte so gern Kuchen essen, wie es sich kaum aussprechen lässt, und als ich zu Hause war, habe ich Tomatensuppe gekocht. Eine halbe Flasche Passata. Ein halber Liter Fleischbrühe. Suppengrün, Zwiebeln, Knoblauch, Rosmarin, Thymian und Lorbeer. Ein Löffel Olivenöl war auch dabei, und – jetzt kommt’s – eine Tasse Orecchiette. Ich bin mir sicher, dieser Topf reicht woanders für eine ganze Familie, aber ich habe ihn verschlungen und sitze jetzt auf dem Sofa und denke an eine Portion Dessert, die gestern übrig geblieben ist. Der J. sollte sie essen, aber der hat’s vergessen. Jetzt steht die Versuchung im Kühlschrank und wartet auf einen Moment der Schwäche. Ich fühle mich ein Mönch auf dem Heimweg aus dem Bordell. Ich würde sehr gern ein Törtchen essen, so ein kleines, rundes, hübsch dekoriertes Törtchen mit Cassis oder Zitronen. Ich hätte auch gern Pistazien. Ich habe aber nur einen Knall. Ich habe Übergewicht. Und schlechte Laune, die habe ich auch.
Aber nein nein, gerade zitronen: vitamin c, cassis, welche der schönsten schönheiten schwört nicht auf diese wunderkraft, bestimmt gibt es kluge statistiken inmitten fachlich herausragender bücher über kraft und nutzen von törtchen und pralinen besonders in kombination mit tomatensuppe, freie radikale, wispern diese weisen und behalten ihre geheimnisse allesamt für sich..
Ich würd so gern mal mit Ihnen essen gehen.
So. Jatzt habe ich richtigen Appetit bekommen und werde den ganzen Tag von Törtchen träumen. (Es ist so müssig wie unsinnig, das hier zu erwähnen, Ich weiß, aber selbstverständlich ist Ihre Figur meiner unwesentlichen Meinung nach perfekt wie immer, es ist Ihre eigene und einzigartige Figur, und Sie sollten keine Lebenzeit mit solchen Dingen wie Diäten vergeuden. Aus meinem Abstand von geschätzten 10 Jahren kann ich Ihnen versichern, dass Sie nie wieder so schön wie dieses Jahr sein werden, und Schönheit gehört genossen und gefeiert, nicht kritisiert, besonders die eigene.)
Ich habe nachher Tortelli di Zucca in der Bar Venezia. Nur Teig, Kürbis und etwas Parmesan. Ach so, und Butter natürlich, aber der schmeckt nach nichts.
Danach gehe ich zu Pavesi und besorge Biccherini con Crema di Burro. Drei Stück. Mit kandierter Kirsche.
Hunger ist es, der schlechte Laune macht. – Und? Törtchen gegessen??
Meine Freundin Amelie sagt immer mit dem Fett isses wie mit dem Geld – es kommt und geht. Das triffts recht gut find ich. Solang es (das Fett) auch ab und zu mal wieder geht. Was nicht so leicht ist, wenn man sich erstmal in den Fresswahn reingemampft hat, kenn ich gut. Und den ganzen Tag eigentlich nur drüber nachdenkt, was man als nächstes essen könnte. Das Törtchen lauert zum Sprung bereit im Kühlschrank, die Tanke umme Ecke winselt hinterhältig in der Nacht und knistert mit den Chipstüten. Kurzfristige Freude, führt aber insgesamt meist doch eher zu Unzufriedenheit, unnützem, nicht wohligem, sondern leicht angeekeltem Völlegefühl im Bauch, im Kopf, in jeder Hinsicht. Oder ist es anders um und führt die Unausgeglichenheit zur übermäßigen Mampferitis über die Essfreude hinaus? Egal. Was hilft, als einziges hilft bei mir, mein Gleichgewicht und die Zufriedenheit wieder zu finden ziemlich unabhängig vom Gewicht (weg mit der Waage, saublöde Dinger) ist (1) Sport machen – so WUNDERSCHÖN ist es doch im Moment draußen zum Laufen oder eben, was einem ohne allzu zahnfletschende Schweinehunde Spaß macht (Tennis? durch den Park spazieren?) und (2) MIT FREUDE weiter essen; freudiges Essen macht viel weniger dick als schlechtgewissiges Essen. Mit dem Sport kommt wieder Luft in den Kopf und Fröhlichkeit und verdiente Müdigkeit in die Beine und verdientes leckeres Essen in den Bauch mit Freude (großer). Und komischerweise hat man plötzlich viel weniger Hunger, viel mehr Energie, viel leichtere Gedanken, ist ein bisschen stolz auf sich und alles schmeckt so viel besser. Klingt schwer, wenn man gerade in der Essschleife hängt. Ist es auch. Aber eigentlich ist nur der Anfang schwer. Der dauert halt ne Weile. Aber es lohnt sich.
frisch verliebt sein wirkt bei mir immer appetithemmend. aber das ist ja auch kein(e) dauerzustand/ lösung.
Liebe Frau Modeste, vielleicht habe ich ja die Pointe verpasst, aber darf ich fragen, wie groß Sie sind? Unter 150cm? Wenn nein, schlagen Sie sich das mit dem Übergewicht bei 66Kg bitte mal schnellstens aus dem Kopf.
Und bitte reflektieren Sie auch über die Konditionierung, die Sie offensichtlich erfahren haben. Sinnieren über nur drei Hariboschnuller, come on. Da hat mein Frühstückskaffee mehr Kalorien.
Wenn Ihr BMI auf die 30 zurast oder drüber liegt, dann haben Sie ein Problem, vorher nicht.
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Ah! Das höre ich gern. Ich hätte das Törtchen also essen können?
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Dann melden Sie sich doch einfach, wenn Sie in Berlin sind – ich gehe gern essen. Viel zu gern.
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Gerade der Umstand, dass es vermutlich künftig abwärts geht, hat mich bewogen, diesen Sommer noch mal weniger als 60 Kilo wiegen zu wollen. Ich bin allerdings mittelmäßig optimistisch. Samstag heiraten Freunde, das wird bestimmt kalorienreich.
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Oh, Du Sadist! Jetzt habe ich fiese kulinarische Phantasien, in der ich auf dem Sofa liege und nach und nach ungeschlachte Tortenberge in mich hineinschaufele.
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Leider nein. Aber gerade immerhin Pilze mit Nudeln. Nahezu fettfrei, aber okay.
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Sport. Auch so ein finsteres Kapitel. Nächste Woche, ganz bestimmt. Ich gehe laufen.
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Wirklich? Ich reagiere auf die meisten Gemütsregungen mit Appetit.
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Ich habe kein gesundheitliches, sondern mehr so ein optisches Übergewicht, wie es halt Damen haben, die 38 tragen und gern 34 hätten.
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Ja, Phantasien sind gefährlich, das sehe ich auch so. Tut mir Leid, hier ist dafür ein Faktum, hart und unbestreitbar: