Irgendwann nachmittags aber sitze ich in der Sonne, lächele dem Sommer zu und freue mich, wie gut die Stadt aussieht, und wie viele Leute hier eigentlich hübsch sind und gut angezogen durch die Straßen laufen.
Ich ordere noch einen Latte Macchiato, entkoffeiniert, und lästere mit einer Bekannten über den Natürlichkeitswahn der Hebammen, die oft so tun, als habe es vor Erfindung der Schulmedizin ein goldenes Zeitalter der Geburtshilfe gegeben, in dem die Menschheit dank Hausgeburt und Ganztagsstillen glücklich, ausgeglichen, gesund und frei von Traumata jedweder Art einhergewandelt sei. Wir lachen ein bisschen über den Homoöpathietick der Geburtshelferinnen, der vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass Hebammen keine richtigen Medikamente verschreiben dürfen, und machen uns über den Muttermilchkult lustig, der bei manchen Hebammen geradezu religiöse Züge annimmt. Später erzählen wir uns noch, was wir uns für Schuhe und Taschen gekauft haben, wenn man schon keine schönen Kleider kaufen kann, und zählen Musik auf, die wir richtig gut finden.
Der Sommer braucht Musik, sage ich mir, heimgekehrt nach Hause, und tanze durchs Wohnzimmer, Kind F. auf dem Arm, drehe Tocotronic ziemlich laut und frage mich, was für den F. die Musik seiner Jugend gewesen sein wird, wenn er einmal 35 ist, im Jahre 2047.
(Abends dann mit dem J. im femmina morta. Antipasti und Spaghetti Carbonara.)
Bei geöffneter Balkontür mit dem Kleinstkleinchen auf dem Arm durch die Altbauwohnung tanzen – herrlich! Nicht so herrlich: die naturheilkundliche Stillmafia. Die war mir auch schon auf den Versen und wollte mich mantramäßig zum Adoptivstillen überreden. Grundsätzlich ist das ja eine ganz schöne Sache, aber für mich zu aufwändig. Pumpen, pumpen, pumpen, um zu gucken, ob überhaupt was kommt. Nein danke, ich habe auch noch ein Leben!
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Im Ernst? Das ist ja unglaublich. Ich hätte nie gedacht, wie massiv und unangenehm dabei diese Leute sind.
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naja, die fläschenmafia ist – zum glück per gesetz – natürlich deutlich subtiler, aber auch nicht ganz ohne.
[da habe ich vor geburt mal völlig anders drüber gedacht]
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Von einer Fläschchenmafia habe ich noch nichts mitbekommen, Mir reicht der Tugendterror der Muttermilchfraktion mit der scheinheilig-besorgten Frage: „Und klappt es mit dem Stillen?“. Ich bin mir immer nicht ganz sicher, was sie hören wollen. Bisweilen scheint es mir, ein „nein, gar nicht“ wäre ihnen am liebsten, so als Gelegenheit, um mal so richtig auf die Pauke zu hauen und Rede zu schwingen über die Überlegenheit des Stillens (und damit natürlich auch der Stillmütter).
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nestle, procter, unilever, usw. … die üblichen verdächtigen halt. die sind leider auch dafür verantwortlich, dass das thema so polarisert ausgetragen wird. in den 60ern haben die es prima geschafft über die mondflug-atomkraftwerke-schöneneuwelt schiene das stillen in den bereich der rückständigkeit zu werben. noch heute durfte man sich von der eigenen so verwerbten mutter anhören, „ob man die milch den auch untersucht hat, ob sie reicht?!“. den exkurs über die unfehlbarkeit der evolutionstherie habe ich mir gespart, sie hätte es eh nicht verstanden. und da das ganze so lange so schwer gesellschaftlich offen zu vertreten war [ist es letztendlich immer noch, erstaunlicherweise liegen die usa da deutlich besser] haben sich da so gewisse gräben aufgetan und manifestiert, die sowohl auf der einen als auch der anderen seite sehr schädlich auf das thema einwirken. de facto hat es aber der staat verkackt, der sich da viel zu spät mit hilfe der who eingemischt hat. bis da ein gesellschaftliches umdenken einsetzt gehen noch ein paar generationen durchs land.