„Ein Abenteuerroman ist vielleicht doch ein bißchen albern.“, verkünde ich vorm Chez Maurice und versuche den F. davon abzuhalten, die Weinbergschnecken ganz genau in Augenschein zu nehmen. „Aha.“, sagt der J. nur und widmet sich seinem Sancerre.
„Ich schreibe statt dessen einen Krimi.“, verkünde ich. Also so einen ganz klassische Whodunnit. Zehn Personen in einem abgelegenen Haus. Und dann liegt am Morgen seines 80. Geburtstags der Patriarch auf einmal tot im Bett. Nackt und die Handgelenke mit einem Hermès Tuch gefesselt.
Verdächtig wären eigentlich alle. Die vierte Frau, sehr süß, Tänzerin, 36 oder so, aus Rumänien. Die zwei Exfrauen, die zum Geburtstag erschienen sind. Die ernste Lektorin. Die lebenslustige, verblühte Journalistin, die sehr viel raucht. Alle sechs Kinder, teilweise mit Kindeskindern und Partnern.
Den Patriarchen stelle ich mir ein bißchen vor wie eine Mischung aus Mynheer Peperkorn und Günter Grass. Also einen Großschriftsteller, alle zwei Jahre einen Studienratsbestseller. So aus der Gewichtsklasse, in der der Spiegel und die tagesschau Hauptmeldungen aus neuen Romane machen. Intellektuell mehr so mittel, eitel bis dorthinaus und ganz generell so diese Art linker Lebemann, wie man sie öfters trifft unter den Männern ab 70. Hat natürlich seit den Sechzigern nahezu jeden getroffen, der in der Bundesrepublik schreibt, malt oder regiert und erinnert sich in ein paar Rückblenden amüsant, aber durchaus lückenhaft an alle möglichen Leute. Vielleicht montiere ich ihn in die Gruppe 47 oder so.
Natürlich kommt im Laufe des Romans alles Mögliche raus. Die Kinder zum Beispiel haben alle irgendwelche bizarren Pleiten zu vermelden. Die Frauen hassen einander und den alten Kerl hassen sie auch. Oder sie lieben ihn, das ist fast noch schlimmer. Natürlich müsste ich alle Leute in das ganz reale Deutschland montieren, das würde ein bißchen mühsam, man bekommt es aber hin. Ich hasse die meisten Lebenserinnerungen dieser fetten alten Männer, aber immerhin gibt es genug. Ich habe mir irgendwann mal geschworen, nie Lebenserinnerungen zu lesen, in denen sowohl Willy Brandt als auch Peter Suhrkamp auftauchen, aber was soll man machen.
Auf einen Detektiv habe ich keine Lust. Vielleicht lasse ich eins der Kinder ermitteln. Ganz privatim. Ich denke, ich habe mal Lust auf einen Mann. Ich stelle es mir sehr interessant vor, einmal eine Welt mit den Augen eines Mannes zu betrachten. 35 soll er sein, Musikredakteuer. Oder DJ. Geschieden. Ein Kind. So ein Mann, der nicht gern erwachsen wird mit Hipsterbart und Wollmütze. Die großen Geschwister nehmen ihn alle nicht ernst.
Am Ende weiß der Leser natürlich, wer es war. Aber der Polizei, die erfährt nichts. Dann, letzte Szene, fahren alle wieder in die Welt hinaus. Ein ungewollter Autokorso, und ihre Lebenslügen nehmen sie mit. Ein bißchen banal, aber vermutlich ganz lustig.
Aber vielleicht schreibe ich ja auch ganz was anderes.
Klingt ein bißchen nach „Gosford Park“ und würde mir deshalb gut gefallen. Es käme darauf an, möglichst interessante Charaktere zu bauen. So etwas wie Maggie Smith, oder die beiden Haushälterinnen im Film.
REPLY:
Ich denke, es wäre sehr lustig, so etwas zu versuchen. Man müsste gut planen und straff erzählen.