Ach, ach. Federpuschel

„Halt!“; rufe ich direkt nach dem Eingang und bleibe stehen. Hinter mir ziehen fremde Frauen mit Einkaufstaschen scharf die Luft ein und weichen taumelnd aus. Ich wende mich nach rechts. Da hängen sie: Grobgestrickte Wollmützen in bunten Farben mit einem großen Federpuschel in der Mitte.

„Haben, haben!“, singe ich und setze mir begeistert eine Mütze nach der anderen auf den Kopf. Mein Favorit ist rot mit einem lila Puschel.

Peinlich berührt steht der J. ein paar Meter von mir entfernt zwischen Tüchern und Taschen. Es ist voll im Lafayette, sehr voll sogar, und der J. sucht sichtbar nach den richtigen Worten im Umgang mit den Mützen, die mir irgendwie schöner zu sein scheinen als ihm.

„Findest du 199 teuer?“, frage ich ihn und setze eine safranfarbene Mütze mit einem grünem Puschel auf und bewundere mich im Spiegel. Okay, man könnte schlanker, gepfleger und besser frisiert sein. Die Mütze aber sitzt.

„199!“, ächzt der J. und nimmt erkennbar Anlauf zu den richtigen Worten. Ihm ist klar, ein falsches Wort kann die Statik dieses Nachmittags zum Einsturz bringen. Ich habe nicht sonderlich viel gegessen, außerem ist es uns beiden zu voll hier, aber dann traut er sich doch. Betroffen schaue ich ihn an. Einen Moment stehe ich leicht begossen und ziemlich traurig vor dem Spiegel.

Dann fällt es mir auch auf. Ich bin tatsächlich 37. Ich bin nicht 15. Die Zeit der bunten Mützen ist vorbei und kehrt nimmermehr wieder.

19 Gedanken zu „Ach, ach. Federpuschel

  1. Das ist jetzt vollkommen unglaublich, aber letzte Woche war ich in Frankfurt, und da stieg an der EZB eine der Autorin sehr ähnelnde Frau zu, die auch eine Mütze mit einem wirklich sehr grossen Puschel trug, allerdings in Petrolfarben und der Puschel in fellig. Und ich fand,

    a) dass ihr das sehr gut stand und

    b) würde die Modeste das sicher auch gut kleiden.

  2. Auch älter. Und in tannengrün. Allein was mich besorgt, dass ich sie auf vielen Tussihäuptern sehe. Aber ach, sind wir nicht alle ein bisschen Tussi?

  3. Allein auf weiter Flur schlage ich mich auf J.s Seite. Herbstzeitlos. Puschelmützen fand ich nämlich bereits mit fünf unsäglich, weswegen ich sie (seitdem) vehement boykottier-t-e. Wärmetechnisch ziehe ich melodramatisch geschwungene Schaltücher vor. Selbstredend in dezent eleganter Farbgebung. Püschel- und Fransen-los. Und selbstredend nicht gestreift. Streifen finde ich nämlich ebenfalls unzumutbar und boykottiere sie. Seit kleinauf. Ich Spieverderberin, ich.

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