Archiv für den Monat: Mai 2013

So viele Jahre

Die Jahre aber fallen wie Laub.

„Hier war ich dreimal die Woche.“, sage ich zum Mek auf dem Weg zur Tür, und versuche mich zu erinnern. 2004, war das. 2005. Ich wurde 30, und saß mit der C. und dem J. und noch ein paar Leuten Abend für Abend auf den beigefarbenen Bänken und lehnte an der Wand. Ich habe P&S geraucht damals, glaube ich, und dann irgendwann diese Zigaretten ohne Parfum, deren Namen ich heute nicht mehr weiß. Ich war so gern da, damals, denn im orangenen Licht, so bildete ich mir ein, sah die Welt so aus, wie sie eigentlich immer aussehen  sollte, und ich mit ihr. Überhaupt waren wegen der günstigen Beleuchtung  die meisten Leute damals da ziemlich schön.

Irgendwann durfte man nur noch auf einer Seite der Bar rauchen, nämlich auf der unbeliebteren, der Seite zum Zionskirchplatz nämlich, und auf der anderen Seite war es auf einmal nicht mehr ganz so voll. Der Wein wurde von dieser Maßnahme leider nicht besser. Der Riesling war der schlechteste Wein der gesamten Ostberliner Gastronomie. Dafür gab es schon immer frischen Minztee und braunen Zucker. Auf den Regalen an der Wand zwischen den Fenstern standen Lilien und dufteten in den Raum.

Damals servierte eine lange, sehr, sehr dünne Schwarze mit Zöpfen, und eine kleine, dralle Kellnerin mit Tätowierungen an den Armen und im Nacken. Später haben wir sie im Grill Royal wiedergetroffen und in der King Size Bar, und mit einer ganzen Entourage oder auch allein an der Bar saß immerzu Maxim Biller irgendwo herum und schaute ziemlich streng die anderen Leute an, als ob die ihm irgendwie missfielen.

Ich habe da Hunderte gelassen, ach, vielleicht einige Tausend Euro. Gefrühstückt haben wir da nämlich manchmal auch und überhaupt ziemlich viel gegessen. Das Frühstück für zwei war sehr okay, auch das Club Sandwich mochte ich ganz gern. Meistens aßen wir aber gegenüber bei Sushi Hangi, wo es auch eine ordentlich Udon Suppe gab. Verabredet waren wir meistens weder zum Essen noch zum Trinken, sondern kamen so nach und nach vorbei, und wer Hunger hatte, ging kurz rüber und kam dann wieder zurück. So viel Gin Tonic und Sekt auf Eis.

Irgendwann aber kamen wir nicht mehr, und mir will scheinen: Auch nicht mehr die anderen. Es wurde leer. Eine Weile waren wir mehr im Visite ma tente in der Schwedter Straße wegen unseres Nachbarn Alban. Und im Dave Lombardo. Oder saßen am Helmholtzplatz in der Eka Bar, und schließlich zogen wir um. Viel zu weit weg ist der Zionskirchplatz seitdem. Die Kastanienallee auch viel zu ruhig. Die Freunde von damals haben Kinder und gehen selten weg. Doch letzten Samstag, das Dave Lombardo war voll, saßen wir dann doch im orangefarbenen Licht und sahen gut aus. Die Kellner kannten wir nicht mehr. Die Karte hat sich verändert. Doch Maxim Biller kam uns entgegen, als wir kamen, und zwei, drei andere Gäste waren auch damals schon da, und die Zeit rundete sich durch die fallende Nacht, und im Dunkel waren wir die, die wir immer schon waren.

This is how I work

Oh, denke ich. Ein Stöckchen. Dass es das noch … Also nun auch von mir:

Bloggerinnen-Typ: Ich bin die Abwesende. Wenn man meine Äußerungen im Internet pro festgelegtem Zeitraum über die Jahre seit 2004 einmal in eine Kurve eintragen würde, so mäanderte diese seit Jahren nahe der Nulllinie herum. Ab und zu fallen mir Zeilen oder ganze Texte ein, die ich gern schreiben würde, aber es wird selten etwas daraus.

Arbeitsweise: Als Bloggerin? Welche Arbeit?

Welche Tools nutzt du zum Bloggen, Recherchieren und Bookmark-Verwaltung?

Ich habe die Frage nicht verstanden.

Wo sammelst du deine Blogideen?

Ab und zu schreibe ich mir etwas auf, damit ich es nicht vergesse. Mit einem Kugelschreiber oder Bleistift. Auf die Rückseite von alten Briefumschlägen oder Kassenzetteln.

Was ist dein bester Zeitspar-Trick/Shortcut fürs Bloggen/im Internet

Ich will ja nicht schnell, sondern gern bloggen, deswegen habe ich über Tricks nie nachgedacht. Ich blogge ja eh nur, wenn ich Zeit habe. Also hätte.

Benutzt du eine To-Do List-App? Welche?

Nein.

Gibt es neben Telefon und Computer ein Gerät ohne das du nicht leben kannst?

Den Kühlschrank. Das wäre ganz schön hart, so völlig ohne. Selbst in einem kalten Jahr.

Gibt es etwas, das du besser kannst als andere?

Bestimmt, aber das hat nichts mit meinem Blog zu tun.

Was begleitet dich musikalisch beim Bloggen?

Ich glaube nicht an Multitasking. Ich kann immer nur eins.

Wie ist dein Schlafrhythmus – Eule oder Nachtigall?

Halb zwei ins Bett, halb acht aufstehen.

Eher introvertiert oder extrovertiert?

Extrovertiert. Außer, es ist wichtig.

Wer sollte diese Fragen auch beantworten?

Sven. Auch wenn die Frage nach dem Schlafrhythmus keine wirklich überraschende Antwort erwarten lässt.

Der beste Rat den du je bekommen hast?

Gemocht zu werden macht nicht glücklich.

Noch irgendwas wichtiges?

Verflucht

Ich stelle mir das ja etwa so vor: Ich schlendere irgendwann im Januar aus der M 4, wende mich nach links, und dann: Pardauz. Einer alten Frau auf den Fuß getreten. Es knackt, die Alte schüttelt die Faust, ich entschuldige mich, aber zu spät: Man hat mich verflucht.

Zwei Tage später fange ich an zu husten. Der Husten hört gar nicht wieder auf, wird quälend für mich und für alle anderen auch, irgendwann kann ich morgens nicht mehr aufstehen, und schließlich bin ich zwei Wochen krank. Lungenentzündung.

Als ich wieder aufstehe, ist der Husten noch nicht weg. Leider sticht und spickt es auch immer noch so ein bißchen. Ich bin verspannt, sage ich mir, das geht schon wieder weg, aber da geht nichts weg. Statt dessen kann ich – inzwischen ist es ungefähr Mitte April – die Arme nicht mehr höher als bis zu den Schultern heben. Ich keuche schrecklich, meine Lunge fiept, aber an diese merkwürdigen Geräusche habe ich mich schon gewöhnt.

Weil auch mein Sohn F. keucht, schreibe ich das Ganze einem besonders fiesen Infekt zu. Wir gehen mehrfach zum Arzt. Nichts wirkt. Ich verschiebe Zahnarzttermine, weil ich dermaßen huste, dass der Bohrer vermutlich sonstwo landet, und irgendwann kapituliere ich. Wir fahren demnächst nach Griechenland. Da ist es warm und alles wird gut.

Als wir am Sonntag heimkehren, ist gar nichts gut. Okay, es ist besser, aber mein Rücken fühlt sich immer noch an, als seien die Muskeln mit einer dünnen Schicht aus Metall überzogen und entsprechend etwas unbeweglich. Ich habe auch einen Stein irgendwo rechts unten im Brustkorb, der ziemlich stört. Ich huste auch noch, und F. hustet auch.

Am Montag wird es dann fürchterlich kalt. Am Dienstag friere ich, am Dienstagabend sitze ich fröstelnd in der Wanne, und Mittwoch lege ich mich um acht ins Bett. Meine Nase läuft, ich huste, ich habe den warmen Jogginganzug an, den ich eigentlich das ganze Jahr noch nie beim Sport getragen habe, sondern nur im Bett, und denke nach. Wo die alte Frau wohl steckt. Und was ich ihr versprechen muss, damit sie den Fluch wieder aufhebt.

Strandhotel

Irgendwo hat doch kürzlich jemand gejammert, immer mehr Lebensbereiche würden inzwischen dem Diktat des Designs unterworfen, und so könne man heute nicht einmal mehr einfach so und ohne gut dabei auszusehen schwanger oder alt sein, und das setze die meisten Leute unzutunlich unter Druck. Ich kann diese These insbesondere dieser Tage nur bestätigen, denn auch der Urlaub mit Kindern ist alldieweil nicht mehr eine Angelegenheit, die halt stattfindet, ohne dass man in den Augen der Welt dabei allzu großen Ansprüchen zu genügen hat, seit in den einschlägigen Publikationen der Öffentlichkeit eingehämmert wird, auch mit Kleinkindern könne man auf einer Yacht – also so etwas von leicht patiniertem Charme aus Holz, vielleicht aus den Fünfzigern, nichts Neues – die Welt umrunden. Oder den Amazonas befahren. Durch Indien mit dem Zug, durch Neuseeland mit dem Caravan oder in Finland Beeren sammeln und campen.

Ich glaube ganz gern, dass das alles geht. Ich plane nämlich nicht, die nächsten Jahre an der Nordsee zu verbringen. Doch gleichzeitig mit dieser doch so wünschenswerten Erweiterung der Möglichkeiten des Reisens mit Kindern fühle ich mich tatsächlich ein wenig geniert, nun von den all den großartigen Optionen glatt keine gewählt zu haben, und den einwöchigen Pfingsturlaub nun schlicht auf Kreta zu verbringen, und auch nicht, wie es sich, wie ich glaube, gehört, in einem kleinen, weißen Haus individuell im Landesinnern, sondern direkt am Strand in dem auch keinerlei höheren Ansprüchen an Eleganz gewachsenen Grecotel Creta Palace in einem Bungalow mit Halbpension.

Wer mag, darf das jetzt googlen und sich ein wenig gruseln. Ich gehe solange an den Strand.

Abflughalle (11.5.2013)

„Wieso hast du nicht nachgesehen?“, versuche ich die Verantwortung für das Desaster dem J. unterzuschieben. „Wieso hast du nicht nachgesehen?“, kommt es postwendend zurück. Ich senke den Kopf. Dabei habe ich nachgesehen. Leider nur den Flughafen, denn bekanntlich hat es in Berlin drei davon, und nicht den Tag des Abflugs.

„Und ich habe extra noch die Abflugzeit gecheckt.“, jammert der J. ein bisschen vor sich hin. Dann drehen wir wieder um. Der J. mit dem Riesenkoffer, ich mit dem Buggy mit dem F. darin, und dann fahren wir wieder zurück. RE 7, M 4. 45 Minuten.

„Immerhin haben wir dann morgen schon gepackt.“, rede ich mir den Vorfall schön, aber der J. grunzt nur schicksalsergeben vor sich hin. Der J hasst namlich öffentliche Verkehrsmittel und benutzt die S-Bahn nur, wenn ich alle paar Monate denke, wir müssten sparen und sollten nicht immer Taxi fahren.

In seinem Buggy sitzt fröhlich plappernd der F., und es will mir scheinen, als lache auch er mich ein wenig aus.