Die Jahre aber fallen wie Laub.
„Hier war ich dreimal die Woche.“, sage ich zum Mek auf dem Weg zur Tür, und versuche mich zu erinnern. 2004, war das. 2005. Ich wurde 30, und saß mit der C. und dem J. und noch ein paar Leuten Abend für Abend auf den beigefarbenen Bänken und lehnte an der Wand. Ich habe P&S geraucht damals, glaube ich, und dann irgendwann diese Zigaretten ohne Parfum, deren Namen ich heute nicht mehr weiß. Ich war so gern da, damals, denn im orangenen Licht, so bildete ich mir ein, sah die Welt so aus, wie sie eigentlich immer aussehen sollte, und ich mit ihr. Überhaupt waren wegen der günstigen Beleuchtung die meisten Leute damals da ziemlich schön.
Irgendwann durfte man nur noch auf einer Seite der Bar rauchen, nämlich auf der unbeliebteren, der Seite zum Zionskirchplatz nämlich, und auf der anderen Seite war es auf einmal nicht mehr ganz so voll. Der Wein wurde von dieser Maßnahme leider nicht besser. Der Riesling war der schlechteste Wein der gesamten Ostberliner Gastronomie. Dafür gab es schon immer frischen Minztee und braunen Zucker. Auf den Regalen an der Wand zwischen den Fenstern standen Lilien und dufteten in den Raum.
Damals servierte eine lange, sehr, sehr dünne Schwarze mit Zöpfen, und eine kleine, dralle Kellnerin mit Tätowierungen an den Armen und im Nacken. Später haben wir sie im Grill Royal wiedergetroffen und in der King Size Bar, und mit einer ganzen Entourage oder auch allein an der Bar saß immerzu Maxim Biller irgendwo herum und schaute ziemlich streng die anderen Leute an, als ob die ihm irgendwie missfielen.
Ich habe da Hunderte gelassen, ach, vielleicht einige Tausend Euro. Gefrühstückt haben wir da nämlich manchmal auch und überhaupt ziemlich viel gegessen. Das Frühstück für zwei war sehr okay, auch das Club Sandwich mochte ich ganz gern. Meistens aßen wir aber gegenüber bei Sushi Hangi, wo es auch eine ordentlich Udon Suppe gab. Verabredet waren wir meistens weder zum Essen noch zum Trinken, sondern kamen so nach und nach vorbei, und wer Hunger hatte, ging kurz rüber und kam dann wieder zurück. So viel Gin Tonic und Sekt auf Eis.
Irgendwann aber kamen wir nicht mehr, und mir will scheinen: Auch nicht mehr die anderen. Es wurde leer. Eine Weile waren wir mehr im Visite ma tente in der Schwedter Straße wegen unseres Nachbarn Alban. Und im Dave Lombardo. Oder saßen am Helmholtzplatz in der Eka Bar, und schließlich zogen wir um. Viel zu weit weg ist der Zionskirchplatz seitdem. Die Kastanienallee auch viel zu ruhig. Die Freunde von damals haben Kinder und gehen selten weg. Doch letzten Samstag, das Dave Lombardo war voll, saßen wir dann doch im orangefarbenen Licht und sahen gut aus. Die Kellner kannten wir nicht mehr. Die Karte hat sich verändert. Doch Maxim Biller kam uns entgegen, als wir kamen, und zwei, drei andere Gäste waren auch damals schon da, und die Zeit rundete sich durch die fallende Nacht, und im Dunkel waren wir die, die wir immer schon waren.
Soeben korrigiert mich der J.: Es war nicht die King Size Bar, wo wir die Kellnerin wieder getroffen haben. Es war die bar tausend.
Sind das nicht Nebensächlichkeiten? – Vor allem, wenn man nicht weiß wo die Dame heute ist.
Und, will man das überhaupt wissen.
Sie nicht, aber für mich ist das ein Teil meines Lebens.
Was für ein wunderbarer anschaulicher Spaziergang durch die eigene Vergangenheit (mit minimalen Abweichungen. Danke dafür!
Schön war’s.
Oh ja, an die Kellnerin mit den Zöpfen erinnere ich mich auch noch gut. Ich habe mich immer gefragt, nach welchen Kriterien sie freundliches Lächeln oder oberarrogantes Gehabe an die Gäste ausstreute. Das 103-Rätsel.
Das habe ich auch nie verstanden. Wir waren aber so viel da, da war’s dann auch egal.