Die Sonne ist rot

Jemand hat einmal geschrieben, die Stadt sei abgeschnitten von den Jahreszeiten. Nur das Land atme und wiege sich im steigenden und fallenden Jahr. Nichts aber, weiß der Berliner, könnte unrichtiger sein, denn so, wie am Land die Felder reifen, wie das Laub fällt, erwärmt sich der Asphalt, weiten sich die Häuser und reichen bis auf die Bürgersteige, wo die Leute an Tischen sitzen und trinken, wo musiziert wird, Kinder spielen, die ganze Stadt ein Salon, eine ellenlange Theke, und im Winter nichts davon und nur ein Schatten ihrer selbst. Noch aber ist Sommer, und an den Winter nur zu denken wäre Sünde und falsch.

Noch nämlich füllt die warme Luft die Straßen. Noch schiebe ich den F. im Wagen ohne Jacke durch die Stadt. Noch sitzen wir im Hof des Gropius Baus, der W. und ich, und schauen dem F. zu, der auf und nieder läuft, vergnügt, Lieder singend, die nur er kennt und die versinken, kaum sind sie gesungen. Noch sitzen der J. undich am Abend im offenen Fenster im Hasir und vorm Bateau Ivre und schauen den Leuten zu, die vorüberlaufen. Wie sie wohl sind. Die stolzen Mädchen mit Kopftuch, die Studentinnen mit ihren riesigen Taschen, die ganz jungen Männer mit ihren Hüten und Bärten, und die alten, hutzeligen Leute, bei denen man sich nie vorstellen kann, dass sie jemals jemand anders waren als heute.

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Die Sonne aber ist heute – noch – rot und wunderbar und groß in ihrer Würde und nährt den Tag mit ihren offenen Armen. Und doch züngelt in der Wärme schon klamm das fallende Jahr, der Herbst, und all die Wärme wird zur Seite gekehrt, gewesen und einmal – ein paar Wochen nur noch – erinnert allein: So rot war dein Sommer.

3 Gedanken zu „Die Sonne ist rot

  1. Hier aber in Israel ist die Sonne noch gelb, ein feuriger, heißer Ball und gelb färbt sicher der Asphalt, die Bäume biegen sich vor Hitze und selbst in den Bergen hoch oben über den Dächern der Stadt ist keine Handbreit Schatten zu finden.

  2. Berlin hat doch anscheinend ein kontinentaleres Klima als Hamburg, hier weht schon eine kältere Meeresströmung vorbei. Und ich wollte doch letzten Samstag, als es noch südlich warm war, so gern noch mal ins Freibad. „Seit 30.08. geschlossen. Sommersaison beendet.“ Schnief.

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