Seit der jüngsten Entdeckung des Märchenbuchs durch den F. eine ungewisse Unruhe bei Begegnungen mit älteren Frauen im Straßenbild. Die Vorstellung, wie der F. auf einmal ganz laut: „Da, die böse Hexe!“, brüllt, wirkt sich auf mein inneres Gleichgewicht nicht so gut aus.
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In der Kita wird der geschätzte Gefährte angesprochen. Er solle doch mal sein Cello mitbringen und für die Kinder spielen. Der J. hat aber gar kein Cello. Das Cello der Familie existiert nur in der Phantasie des F., der eine Vorliebe für dieses Saiteninstrument entwickelt hat. Seit einem Sommerfest mit Orchester letzte Woche führt er anscheinend nicht nur zu Hause lautstark, aber nicht unmelodisch Cellokonzerte mit einem Besen und einem Plastikschwert als Bogen auf.
Was mich am meisten irritiert: Wieso wird das imaginäre Cello dem J. zugeschrieben? Wieso nicht mir? Geht die Zuschreibung auf den F. zurück, und diesem ist meine fehlende Musikalität aufgefallen? Trotz des ganzen Gesangs? Habe ich umsonst in die Tasten gehauen, und schon ein Zweijähriger bekommt mit, dass Mama Modeste musikalisch so ein bisschen unterentwickelt ist? Oder stammt die Vermutung, der J. sei der Cellist des Hauses, von den Kindergärtnerinnen, und wenn dem so sein sollte: Wieso?
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Mehrfach geschworen, nicht mehr so viel Zeug für den F. anzuschaffen. Dann hat er doch den neuen Arztkoffer. Irgendwo müssen die Flugmeilen des J. ja hin, und für Freiflüge reicht es leider doch nicht. Der F. ist also seit gestern zum Mediziner avanciert und untersucht engagiert belebte wie unbelebte Familienmitglieder.
Heute morgen im Bett dann endlich die erlösende Diagnose. Der J. und ich leiden unter Ohrkrümeln. Das ist ein Schlag. Es gibt aber Spritzen gegen dieses Übel. Zu verabreichen in unregelmäßigen, aber enggetakteten Abständen. Es hilft auch, wenn man einen kleinen, roten Schlauch laut brummend in die Ohren hält.
Wer uns also auf der Straße trifft, darf uns bemitleiden. Ziehen Sie aber besser nicht am roten Schlauch. Der geht sonst ab. Und klopfen Sie dem J. nicht auf den linken Arm. Der ist gebrochen. Behandelnder Arzt ist aber nicht der F., sondern ein Chirurg hier um die Ecke.
Man stelle sich vor, dass der F. später Cellist werden will, weil er mit drei Jahren ein Cello so toll fand, oder Mediziner, weil der Arztkoffer so toll war, oder Schauspieler, weil er solch eine blühende Fantasie hat.
Zum Glück ist die Weltmeisterschaft vorbei und kann vergessen werden, jetzt muss er nicht mehr Fußballer werden.
Einen Musiker würde ich in unserer Etagenwohnung ja sehr ungern sich ausbilden sehen oder besser: hören.