„Schön hier!“, seufzt der J., und ich hebe meine Kaffeetasse und seufze ein bisschen mit. Morgen geht es heim. Das Meer wird mir fehlen. Das gute Essen. Ohne auf die Uhr zu schauen stundenlang durch provenzalische Gässchen zu laufen. Überhaupt, das Leben im Freien. Côte d’Azur also: Immer wieder.
Nicht so sicher bin ich mir, ob es auch wieder ein Ferienhaus sein muss. Schön, so ein Garten ist nett. Der F. spielt den ganzen Tag draußen, hat eine kleine Rutsche, ein Spielhäuschen, es gibt eine Laube und einen Grill, und wir haben so viel Platz, dass wir uns in das kleine Gästehäuschen im Garten leichtsinnigerweise – aber dazu später mehr – Besuch eingeladen hatte. Nachteil aber: Ich hasse es, zu putzen. Und hier ist ja die getreue B. nicht vor Ort, die dafür sorgt, dass wir in Berlin nicht im Dreck versinken. Subjektiv trage ich also den ganzen Tag Teller, Lappen, T-Shirts und volle Tabletts von der Küche auf die Veranda und zurück. Ich hänge Wäsche auf, ich fege aus, und wenn mir der J. keinen Kaffee kocht, dann tut es keiner. Scheußlich ist das. Vielleicht beim nächsten Mal doch wieder ein Hotel. Oder eins dieser Resorts, in denen man so eine Art Haus hat, aber jeden Tag kommen Zimmermädchen, und morgens gibt es Frühstück. In Thailand im Januar war das ganz gut. Da hatten wir ein Hausboot, das aber zu einem Hotel gehörte. Perfekt war das, das Beste aus beiden Welten. In Sainte Maxime aber vermutlich weder verfügbar noch bezahlbar.
Was auch an diesem – an sich sehr hübschen – Haus nervt: Sogar um Brot zu holen, braucht man ein Auto. Dorfbewohner stört das vermutlich nicht. Die kennen das nicht anders und betreiben ohnehin eine ausgefeilte Vorratswirtschaft. Ich aber empfinde das als deutlich einschränkend. Letztes Jahr waren wir in der Innenstadt von Menton, da konnte man abends einfach zu Fuß Essen gehen. Da hatten wir gar keinen Wagen. So abgelegen möchte ich nicht wieder wohnen. Überdies verträgt der F. Serpentinen, Kurven und lange Fahrten generell sehr schlecht. Man sieht dann leicht die jeweils letzte Mahlzeit zweimal.
Auch, wie der Volksmund so sagt, auf der Streichliste steht Familienbesuch. Wir hatten diesmal in das Gästehäuschen eingeladen. Nicht ganz ohne Hintergedanken: Für zwei, drei Tage Großeltern da zu haben, erschien uns eine großartige Sache. Tolles Essen zu zweit, ein Ausflug ins Gebirge. Ich mailte also, man könne für ein paar Tage vorbeikommen. Meine Schwiegermutter buchte dann ohne weitere Rückfrage Flüge für einen Aufenthalt von acht langen Tage und setzte sich mit meinem Schwiegervater erwartungsvoll auf die Terrasse. An Tag drei fasste ich einen festen Vorsatz: In Zukunft verbringe ich meinen Urlaub nur noch mit Leuten, die klug, weltoffen, freundlich, hilfsbereit und ehrlich am Urlaubsland, seiner Küche und meiner Gesellschaft interessiert sind. Wenn diese Leute dann auch noch Kinder in F.’s Alter haben, um so besser. Ein weiterer – nicht auf Urlaubszeiten beschränkter – Vorsatz: Für Kompromisse ob des lieben Friedens willen, habe ich keine Zeit, und Verwandtschaft gibt niemandem das Recht, mich anzuöden oder zu verärgern.
Ansonsten gern mehr vom Gleichen. Mehr Mittelmeer. Mehr vom Glanz der leuchtenden Küste. Mehr Muscheln, mehr Eis, mehr von diesen großartigen Törtchen. Mehr Zeit mit dem singenden, tanzenden F., mit dem J., mit Füßen im Sand und schwankenden Pinien. Mehr Cannes. Mehr von diesem grandiosen Roten von einem Weingut namens Chateau de Mauvanne, in dem ich gern baden würde. Mehr von diesen durchgelebten, aufgeputschten und behängten alten Damen mit ihren Hündchen, die mir beruhigend vor Augen führen, dass das Leben mit 80 zwar nicht mehr gut anzusehen, aber offenbar immer noch recht vergnüglich sein kann. Und mehr vom Licht. Dieses Licht. Dieser Himmel.
Ich kann gut nachfühlen wie es Ihnen geht. Das Licht ist wunderbar am Meer. Ich hab mal gelesen, dass es die Salzkristalle in der Luft sind, die all das so zum Leuchten bringen.
Mit Herzensfreunden die freien, schönen Tage in fremden Landen zu verbringen, ist etwas, was ich in den letzten Jahren immer mehr genieße. Der gemeinsame Blick auf etwas Neues, der Austausch zwischen offenen Geistern, der Witz und die Anregungen in den Gesprächen: was kann es Schöneres geben.
Sind die Begleiter allerdings unvorsichtigerweise und spontan zugesagte Gefährten mit begrenzten Interessen gewesen, verwandt oder nicht, fühle ich noch heute im Rückblick sofort die Zähigkeit der Tage, die kaum endend wollenden Gespräche, die Redundanz in allem.
Ja, das Licht. Mir wird schon anders, wenn ich an den in den Berlin besonders lichtlosen Winter denke.
Provence, ein Traum, da waren wir zuletzt vor 25 Jahren mit dem Kleinen, als er 10 Monate alt war. Wir hatten unser „Haus“ dabei, einen gemieteten Campinganhänger. Das war völliger Wahnsinn, über 1000 Km mit unserem Benz im Hochsommer bei 40° im Schatten ohne Reservierung nach Südfrankreich zu fahren, aber so what, dachten wir damals. Und das Glück war auf unserer Seite, eine deutsche Mitarbeiterin der Touristeninformation vor Ort hat uns den allerletzten Platz auf einem Campingplatz nicht weit vom Meer unter Pinien mit kleinem Pool auf dem Gelände vermittelt. Hausarbeit im Campingwagen ist romantisch und einfach, Franzosen sind auf Campingplätzen ausgesprochen entspannt und freundlich zu Leuten mit Kindern. Das würde ich jederzeit wieder machen, aber nie und nimmer selbst wieder da runter kurven.
Herrliche Gegend. Auch der F. fand’s toll.
Ich bevorzuge als Begleitung in meiner Erholungszeit auch eher die Wahlverwandtschaften, die ich teilweise mit meinen Freunden pflege. Für Verwandte gilt – nach der Schwiegermutter-Woche in diesem Jahr – ab sofort: klare Ansage „mehr als vier Tage geht nicht“.
Vier Tage wären auch okay gewesen. Aber acht ist schon arg über der Schnur.