Ja Zuckerschoten für Jedermann

Ich habe das ganze Konzept nicht verstanden. Ich verstehe nicht, was sich kiffende Pizzaboten davon versprechen, Satiriker für ein paar Cartoons zu erschießen. Den lieben Gott als ein unzweifelhaft höheres Wesen dürfte es nach jeder überhaupt vertretbaren Lesart kalt lassen, was irgendwelche Leute, die Zeitschriften illustrieren, über ihn denken. Und dass die Attentäter selbst ihr Leben durch diese Maßnahme nicht eben verschönert haben, liegt auf der Hand. Ich frage mich auch, ob solche Menschen eigentlich nie über die Restunsicherheit nachdenken, die an der Richtigkeit jeder Glaubenswahrheit zwangsläufig bestehen muss. Selbst wenn ich sehr, sehr, sehr gläubig wäre: Auch eine Unsicherheit von 1% sollte eigentlich ausreichen, um jemanden davon abzuhalten, dermaßen radikale Maßnahmen zu ergreifen.

Ich verstehe aber auch nicht, warum es diese Leute in Dresden auf die Straße treibt. Mir ist doch auch egal, wie die religiösen Vorstellungen meiner Nachbarn aussehen. Oder was sie anhaben, sagen, essen oder tun. Mein Gott, wenn mir die Leute um mich herum nicht gefallen, dann lade ich sie halt nicht zu mir nach Hause ein und mache mich maximal hinter ihrem Rücken bei meinen Freunden über ihre schrecklichen Lebensgewohnheiten  lustig. Wenn es ganz übel kommt, ziehe ich weg, wobei, wenn ich das richtig verstanden habe, sich diese Frage bei den Demonstranten gar nicht stellt. In Sachsen gibt es quasi keine Ausländer.

Ich will nicht ungerecht sein: Ich habe mir sogar Interviews dieser Leute angehört, in denen einige der Befragten fürchterlich lamentiert haben, wie schlecht es ihnen gehe. Da fragt man sich doch aber auch, wieso sie sich nicht die deutsche Sozialpolitik, sondern irgendwelche armen Flüchtlinge vorknöpfen, die selbst nichts haben.

Ganz generell weiß ich nicht, warum alle diese Leute – die mit den Waffen und die mit den bösen Worten – sich nicht mehr um sich und weniger um andere kümmern können. Warum sie glauben, das gute Leben beginne, wenn alle anderen Leute sich ihren Vorstellungen anpassen, statt so unterschiedlich zu leben, wie es jedem einzelnen gerade gefällt. Warum sie nicht, statt fruchtlos bis neidzerfressen über andere Leute nachzudenken, ihre Tage mit Tätigkeiten füllen, die glücklicher machen. Wie einen Garten anlegen, backen, eine Holzhütte für die Kinder bauen oder mit geschlossenen Augen allein  den Messias dirigieren. Das Klavierspiel zu erlernen, ein Bild zu malen, oder auf einen Berg zu steigen, oder was auch immer die Leute wirklich freut und befriedigt.

Das Leben sei nicht gut zu diesen Menschen, liest und hört man immer, und ganz sicher kommen eine ganze Menge Frustrationen zusammen, bis einer so böse und bitter wird, dass er anderen Leuten, die ihm nichts getan haben, alles Schlechte wünscht oder antut. Doch selbst in der größten Tristesse, in einem schmutzigen, verfallenden Hochhaus, ohne Job und ohne Aussichten gibt es doch Äpfel und Brot, Gespräche und Freundschaft, Gedichte aus der Stadtbücherei, Musik aus dem Internet und das reine, schlichte Glück, da zu sein, lebendig, so frei wie kein anderes Tier.

(Aber ich weiß: Ich hab‘ gut reden.)

7 Gedanken zu „Ja Zuckerschoten für Jedermann

  1. Die Attentäter waren schwer gestörte, vaterlose junge Männer voller Hass, die nirgends dazu gehörten und unglaublich dumm waren und glaubten eine Rechtfertigung für ihren Hass gefunden zu haben. Gott war nur vorgeschoben.

    Und die Leute mit den bösen Worten glauben anscheinend, Sündenböcke gefunden zu haben für Ihre Unzufriedenheit und Angst. Das ist und war schon immer ein weit verbreitets Motiv von Menschen in aller Welt zu allen Zeiten, die nicht wissen was Liebe ist, und dass man bei sich selbst beginnen muss etwas zu ändern, wenn man unglücklich ist, und nicht bei anderen.

  2. Weil es grad über Twitter reinkam, als ich diesen Text las: Eine Studie der @tudresden_de zeigt den ‚typischen‘ #Pegida-Anhänger: männlich, 48 Jahre alt, gut ausgebildet, berufstätig http://tu-dresden.de/aktuelles/news/pegida_pk
    Das ist keiner, zu dem das Leben nicht gut war, im Gegenteil. Ich frage mich: Will dieser Mann einfach nur das Schlechte tun? Oder ahnt er, dass er sein Glück durch nichts verdient hat, dass es anderen ebenso zustände wie ihm, und schreit er deshalb so laut: Weil er nicht wissen will, dass es ihm geschenkt wurde? Ich glaube Letzteres, und für solche Leute wäre Ihr Argument lehr- und hilfreich.

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