Ich kann nicht wegsehen. Ich sitze neben dem J. auf dem Beifahrersitz, hinter uns schläft der F. mit offenem Mund, und rechts und links erstrecken sich Wäldchen, sanfte Hügel und Dörfer in saftigem Grün. Wir haben den F. abgeholt nach einer Woche bei den Großeltern, und ich sitze da und starre ins Internet. Schon optisch ungemein unsympathische Menschen reißen Münder auf, schütteln Fäuste und verteidigen einen leeren Baumarkt, weil es ihnen offenbar lieber ist, dass das Gebäude verkommt, als dass da Leute unterkommen, denen es irgendwo so dreckig ging, dass sie alles, was sie liebten, stehen und liegen lassen mussten.
Wie man so sein kann, frage ich mich sei Wochen. Wie man nicht bemerken kann, wie hässlich der Neid macht, die Engherzigkeit, die Missgunst, die Kälte und der Geiz. Wie verkommen man sein muss, um Entkommenen – vor Krieg, vor Terrorismus oder vor Armut, wer weiß das schon – nicht Güte, Mitleid und Freundlichkeit entgegenzubringen, Brot und Salz, einen sauberen Satz Kleider, ein Bett und einen Blumenstrauß. Wie phantasielos man sein muss, um sich nicht zu überlegen, wie jedermann empfangen werden möchte, wenn es einem schlecht geht, und wie sich Leute eine ideale Welt eigentlich vorstellen, für die Herzlichkeit offenbar keinen Wert hat. Wenn so deren Heimat aussieht, dann kennen sie das schöne Leben nicht, klicke ich die Schreihälse weg, und freue mich über mein Berlin. Da klappt zwar nichts, wenn der Staat mitmacht. Vor dem LaGeSo türmt sich die Unfähigkeit der Berliner Verwaltung zu einem Berg an administrativer Unmenschlichkeit, aber die Berliner entrümpeln ihre Keller, kaufen ein, kommen mit Kleidern, Kinderwagen und Wasserflaschen, schälen Melonen, geben Sprachkurse und laden Flüchtlinge nach Hause ein. Manche geben sogar Verpflichtungserklärungen ab, damit Menschen auf würdigeren Wegen als in Gummibooten einreisen können, sammeln für eine echte Wasserwacht im Mittelmeer, vermitteln Flüchtlinge in WGs und reagieren so, wie es mir menschlich erscheint: Bestürzt, hilfsbereit, manchmal chaotisch, aber selten herzlos.
Und wo immer Sie gerade vorm Rechner sitzen: Ihre Zeit ist ein großes Geschenk. In Ihrem Keller gibt es garantiert irgendetwas, was jemand, der neu hier ist, dringend benötigt. Und Geld hilft. Denken Sie an sich. Wenn Sie mit zwei Tüten in der Hand hilflos in einem anderen Land stranden.
Mensch, prima!, bei uns in den Messehallen läuft auch eine Kleider- Sammlungs- Sortier- und Verteilaktion, die von Bloggern begonnen wurde und immer größer wird.
..sehr schön und herzlich geschrieben.
LG B.