So viele Jahre

Am Ende der Woche aber bin ich wieder in Berlin, und die J. und ich erzählen uns im Banh Xeo Saigon das Beste aus unserem Leben, und dazu essen wir stundenlang einen vietnamesischen Feuertopf, also so eine heiße Brühe auf einem Gaskocher, in die wir Fleisch, Fisch, Krabben, Tofu und viel Gemüse werfen, um sie dann mit Reisnudeln und Sauce zu essen. Langsam beschlägt die Scheibe zur Greifswalder Straße, und ich nippe vom viel zu süßen Tee. Schwarz ist die Nacht und funkelt in den Fensterscheiben, als lebten andernorts Abenteuer fort, die wir nun nie mehr erleben.

IMG_0959

Auf einmal ist man alt, denke ich später auf dem Weg die Christburger Straße hoch Richtung Westen und sehe meinem Spiegelbild direkt in die Augen. Mir geht es ganz gut, schärfe ich mir ein, und jung war ich so lange, dass es zuletzt doch auch schon ein wenig fad war, dieses ständige Hoffen und Erwarten und auf dem Sprung sein nach irgendwohin. Angekommen bist du doch leidlich, rufe ich alles auf, was gut ist an meinem Leben, und dann lächele ich entschlossen in die fallende Nacht, lache mit der J. in der Saphire Bar, bestelle einen Drink, dessen Namen ich sofort wieder vergesse, und freue mich auf dem Weg zurück auf den Duft warmer Haare und den ruhigen Atem der Nacht.

IMG_0961

 

3 Gedanken zu „So viele Jahre

  1. Liebe Frau Modeste, es tut mir ein bißchen weh, das zu lesen .. manchmal scheint die Zeit ein wenig stiller zu stehen, wenn zu viele Dinge einen umrahmen, die Freiheit in Form von Flexibilität nur bedingt zulassen.. und ich glaube, insbesondere wenn die Kinder lange Zeit „klein“ also betreuungsintensiver sind.. aber wissen Sie was? Lassen Sie den süßen F mal etwas älter werden, irgendwann ist er 16/17 und Sie (und Ihr Gefährte) können wieder genauso unabhängig und Dank Ihrer – ich nenne es mal „Bildungsposition“ – „flausig“ im Kopf werden wie „früher“. Ihnen steht nach wie vor und noch sehr lange die Welt, nicht nur Berlin, offen! Meine Empfehlung bzgl. Gruseligkeiten das Altern betreffend ist lediglich, sich körperlich geschmeidig zu halten. Und das ist übrigens schon für manchen Mittzwanziger problematisch, wir befinden uns also sehr viele Jahre in bester Gesellschaft, unseren inneren Schweinehund einen herrlichen Leitwolf anknurren zu sehen. Es gibt also eigentlich noch keinen Grund zur Verzweiflung, schon gar nicht mit 30, 40 oder 50. Liebe aufmunternde Grüße

  2. Alt? Also nee, also wissen Se nee! Alt fühlt man sich eigentlich erst, wenn die Zähne wackeln, die Haare weiß werden und die Gelenke knacken. Und das kann noch mindestens 20 Jahre dauern. Und selbst dann kann man jung im Kopf sein, Träume haben und Blödsinn machen wie mit 15. Sie sollten die Definition von „alt“ und „jung“ noch mal überdenken.
    Allerdings, erschöpft sein ist völlig normal, wenn kleine Kinder die gesamte Alltagsplanung bestimmen und das Leben zur Routine wird. Das wird immer leichter, je älter sie werden. Ganz bestimmt!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sie möchten einen Kommentar hinterlassen, wissen aber nicht, was sie schreiben sollen? Dann nutzen Sie den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken