Bei Tristan

Weil wir bei der tollen Katia Kelm etwas zu lange geblieben sind, stehen, als wir ankommen, schon ein paar Bewohner vor der Turnhalle, in der jetzt, wie ich dem F. erkläre, Leute wohnen, die vor schlechten Menschen weggelaufen sind, die alles kaputtmachen und den Leuten wehtun wollten. Die Leute haben Kinder und ich google schnell, was auf Arabisch „Mütze“ heißt. Es ist kalt geworden in Berlin, und ich sehe mit ein bisschen Sorge die unbedeckten Kinderköpfe auf dem Weg zur Bahn.

In der M 10 reißt ein kleiner Junge aus der Gruppe immer wieder den Mund auf, um seiner Mutter zu erklären, wie groß das Sauriermaul ist. Der Saurier ist offenbar weltweit das Pony der kleinen Jungen.

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Vorm Naturkundemuseum ist es sauvoll. Ich löse Gruppentickets, rudere mit den Armen, poche auf Uhren, und dann drängelt der F. an mir vorbei in den Innenraum. Mit Riesenschritten marschiert er zweimal um die großen Sauriergerippe herum, erklärt Kindern, die ihn nicht verstehen, wer ein Pflanzenfresser ist und wer Fleisch isst, und dass keiner weiß, ob die Saurier ausgestorben sind, weil ein anderer Stern an unseren Stern gestoßen ist. Dann zieht er mich weiter in einen anderen Raum. Da steht er also: Tristan. Der T-Rex, der Saurier, den alle sehen wollen, und der F. starrt für mindestens 30 Minuten am Stück den Saurier an. Es ist gut, dass er tot ist, sagt der F. mehrmals, und dann verlassen wir Tristan.

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Die Urmenschen, die den F. gerade überaus faszinieren, hat das Museum leider gerade abgeräumt, so dass ich ihm demnächst zuhause zeigen muss, wie wir alle eines Tages aus dem Meer gekrochen sind, unsere Schuppen, unser Fell, unsere Klauen abgeworfen haben, uns hochgezogen haben. Wie aus Knurren und Quieken Worte geformt wurden, und wie wir nun, alle, die wir da sind, durch Berlin laufen. Wer gestern gekommen ist, und wer vor zwanzig Jahren.

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