So. Jetzt ist mein Text also weg. Gut, er war vielleicht nicht besonders toll, weil in meinem Dasein eben so wenig passiert, wie das bei Vierzigjährigen mit bürgerlichem Job und Familie eben so zuzugehen pflegt. Trotzdem ärgere ich mich. Über wen? Wer kann das wissen.
Zeitung könnte ich lesen. Aber dann ärgere ich mich. Ich habe nichts gegen Komiker, aber warum findet die versammelte deutsche Presselandschaft einen Komiker und seine Probleme wichtiger als die verzweifelten Syrer an der mazedonischen Grenze, in Syrien, in Lagern in der Türkei? Ich ärgere mich jedesmal, wenn ich online Zeitung lese, über die Selbstgerechtigkeit der Kommentatoren, die sich offenbar für unfehlbar halten und ihr eigenes Weltbild für absolut wahr statt relativ fehlbar. Ich habe inzwischen ziemlich viel Geld für blendle ausgegeben, weil da wenigstens keiner kommentiert.
Wenn ich mal was schreibe, ärgere ich mich über die Autokorrektur. Irgendwann fahre ich aus der Haut, weil ich Worte dreimal schreibe, und dann ändern die sich jedesmal in irgendetwas, was ich nicht schreiben will. Gehe ich vor die Tür, ärgere ich mich über Radfahrer, die dermaßen rapide über die Bürgersteige brettern, als gebe es ein Gesetz, nach dem dort, wo besonders viele Kinder verkehren, besonders schnell gefahren werden muss, um die Überbevölkerung einzudämmern. Apropos: Viele Kinder nerven mich auch. Erzieht die eigentlich keiner? Die Berliner Verwaltung regt mich auch auf wie jeden rechtschaffenen Berliner. Außerdem habe ich mehrere Tage weniger gegessen, war danach aber schwerer als zuvor. Natürlich ärgere ich mich auch über das Wetter.
Die Konvention erfordert es leider, sich gleichgültig zu geben. So wenig, wie man, freut man sich, auf der Straße tanzen und sich auf die Brust trommeln darf, kann man auf der Straße herumpöbeln und mit Kraftausdrücken um sich werfen. Das macht man alles ganz heimlich, und bisweilen, heute zum Beispiel, ärgere ich mich über dieses Verbot, sich öffentlich zu ärgern, und würde gern, sehr gern, mich jetzt auf der Stelle auf die Straßenkreuzung stellen, dort – man sieht derzeit weder Menschen noch Autos – dreimal ganz laut Dreckswelt schreien.
Dann gehe ich wieder rein.
Mein Gott nur dreimal. Ich könnte 24 Stunden schreien und hätte dann noch Stoff für weitere 24 Stunden. Aber selbst wenn die Kreuzung voll wäre. Es interessiert niemand. Tatsächlich darfst du schreien und toben, so lange du willst. Es geht den anderen am Arsch vorbei. Solange du nicht auf die Straße kackst ist dir alles erlaubt.
Nur es ist nutzlos. Deshalb zeig dieser Welt die Zähne. Sei gnadenlos. Lächele sie nieder und schreib was du denkst. Dein Schreiben ändert die Welt nicht. Aber du kannst nach dem Weltuntergang wenigstens zitieren dass du es vorausgesagt hattest.
Selbst auf die Straße kacken geht. Zumindest in Frankfurt am Main.
Zumindest in Berlin-Kreuzberg auch. 😉
Danke, liebe Leser, für diese Hinweise, von denen man ja nie weiß, wann man sie mal brauchen kann.
Bin auch so drauf seit gestern. Da ließ mich jemand drei Stunden warten, drei Stunden und nochmal: drei Stunden. Als ich meinen Ärger in lauten Worten und heftigem Gefühlsausbruch loszuwerden versuchte, antwortete der Dreistundenmensch, ich solle keinen Staatsakt draus machen. Aber ich bin immer noch sauer. Und vor einigen
Tagen ärgerte ich mich wieder tierisch, aber das ist eine andere Geschichte, der ich schriftlich Ausdruck verlieh.
Schlimmer ist warten lassen,updates und dsnn nicht kommen und nicht absagen. Immer wenn ich denke, drunter geht’s nicht, geht noch einer aufrecht und diesem neuen Messpunkt durch… Streichen. Wer sich so verhält, will nicht im.meinem Leben sein und kann zum Ausgleich auch nicht genug zahlen. Hinfort dsmit.
Würde ich auch sagen, aber es gibt ja solche Leute, die drei und mehr Stunden durch das Vergnügen ihrer Gesellschaft aufwiegen. Man muss abwägen.
Dsnke für den schönen Text! Ich gründe bald einen Club. „Regeln sind einzuhalten“ Ich will lieber selbst mehr Regeln einhalten, als sie von Trotteln zur Disposition gestellt zu sehen…
Ich auch.
Verehrte Madame Modeste,
Konventionen machen unglücklich, sogar wenn sich auch alle anderen an sie halten. Das kann ich, der ich vor zwei Jahren aus dem bunten, unkonventionellen Prenzlauer Berg in den grauen, konventionellen Süd-Westen Berlins gezogen bin, aus eigener Erfahrung berichten. Der Druck, sich an Konventionen zu halten, ist hier viel größer und „Fehlverhalten“ wie Fahrradfahren auf dem Bürgersteig oder bei rot über die Ampel gehen entsprechend selten. Interessanterweise führt das nicht dazu, dass die Menschen hier besser gelaunt sind. Eher das Gegenteil ist der Fall.
In diesem Sinne: Lassen Sie Konventionen Konventionen sein und brüllen Sie so laut Sie können. Es wird Ihnen guttun. Fragen Sie Ihren Sohn, falls Sie mir nicht glauben…
Mit unkonventionellen Grüßen aus Wilmersdorf
Ihr Stephan
Oje. Wilmersdorf. Ich hoffe, Sie freunden sich entweder mit dem tiefen Westen an oder kehren zurück.