S. gibt es gar nicht

Vermutlich hat der D. recht, sich fürchterlich aufzuregen. Schließlich hat er sich ernsthaft an die S. attachiert, ihr sogar verhältnismäßig teuren Schmuck gekauft und sie für ein paar Tage nach Antibes eingeladen, und zwar ebenso komplett wie tiptop.

Dass die S. eigentlich nur in der Woche greifbar war, irritierte den D. ziemlich lange nicht. Der D. hat mit seiner Verflossenen zwei Kinder, da passte es ihm anfänglich eigentlich ganz gut, dass er die Wochenenden frei hatte. Er hatte der S. so gesehen die beiden Kinder auch erst ziemlich spät gestanden, weil diese die S. schließlich auch nichts angingen, und so fiel ihm auch erst nach Monaten auf, dass die S. immer nur an Montagen bis Donnerstagen Zeit hatte, und am Wochenende höchstens mal telefonierte.

Monatelang ging das gut. Der D. hatte seine Zahnbürste fest in S. Bad in Kreuzberg installiert, ein paar ihrer Freundinnen kennengelernt, und ab und zu dachte er sogar so gut wie ernsthaft daran, irgendwann mit der S. zusammenziehen. Da rief die S. auf einmal an und erklärte, sie könne ihn nicht mehr sehen.

Der D. läuft immer dann zur Hochform auf, wenn es Widerstände gibt. Er schickte also Blumen, körbeweise Delikatessen aus dem KaDeWe, handgeschriebene Briefe, und schließlich lauerte er der S. auf. Vor ihrer Wohnung in Kreuzberg. Leider kam die S. nicht.

D. wartete mehrere Stunden, kam ein paar Tage später wieder, klingelte Sturm, und irgendwann stand er auch einmal an einem Samstag vor der Wohnung, als der Summer ging. Er lief die Treppen hoch, stand vor S. Tür, und im Türrahmen stand eine fremde Frau. Eine fremde Frau allerdings, die S. ziemlich ähnelt.

Die Fremde wusste sofort, als sie D. sah, was die Stunde geschlagen hatte. Sie schlug die Tür wieder zu, reagierte auf nichts mehr, und drohte, als der D. immer weiterklingelte, per Gegensprechanlage mit der Polizei. Da zog der D. schließlich ab.

Ein paar Tage später stellte er die S. vor ihrem Büro. Da wollte sie dann keine Szene machen. Die Wohnung, so stellte sich heraus, gehört ihrer Schwester, der fremden Frau eben, die nur am Wochenende anwesend ist. Die S. wohnt in Wirklichkeit woanders, und zwar auch nicht allein, sondern mit ihrem Mann, der allerdings oft nicht da ist, weil er als Unternehmensberater durch die Republik reist und meistens nur am Wochenende nach Berlin kommt. Täuschen wollte die S. den D. aber nicht, wie sie behauptet, denn sie sei, so sagt sie, fest davon ausgegangen, dass auch der D. irgendwo in dieser großen Stadt eine Familie hat, und ebenso luftig und unter falscher Flagge herumsegele wie eben auch sie.

6 Gedanken zu „S. gibt es gar nicht

  1. da würde ich wohl einiges investieren, um den gehörnten Herrn Gatten ausfindig zu machen, und ihm ein Präsentkörbchen zukommen zu lassen: mit Knisterfolie und Schleifchen, Pralinen und Eierlikörchen und einem hübschen Päckchen Kompromat. Unternehmensberater klingt jetzt nicht so nach Hippie der seinem Weibchen in seiner Abwesenheit Weiterbildung gestatten würde.

  2. Wie Du mir so ich Dir, geschieht ihm ganz recht. Lügen und Heimlichkeiten, beide betrügen ihre Partner und auch sich selbst. Wie erbärmlich so triebgesteuert durchs Leben zu gehen und keine klaren Verhältnisse zu schaffen, was viel besser für alle Beteiligten wäre.

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