Verblendung

Früher, als ich noch eine bisweilen lustige Rechtsreferendarin war, fuhr ich regelmäßig mit der C. und der J. ein paar Tage weg. Wir aßen auf dem gesamten Kontinent fürchterlich viel, sahen uns an, was Leute irgendwohin gebaut hatten und tranken die geistigen Getränke des jeweiligen Landes. Das war eigentlich immer sehr schön.

Aber wie es geht: Es kamen Männer, die sich dauerhaft festsetzten und sogar zum guten Ende geheiratet wurden. Die C. und ich bekamen je ein Kind. Wir arbeiteten uns alle drei jeweils einen riesengroßen Wolf, und wenn ein Jahr zuende ging, waren wir schon wieder nicht gemeinsam verreist gewesen.

Manche sagen, das wäre ganz normal. Wenn man erst einmal ein Kind hat, schreiben manche Leute ihre Freunde nämlich quasi ab und melden sich da wieder, wenn die Kinder 18 sind. Oder nie. Vielleicht liegt es aber auch an den schrecklichen Gören, die ihren alten, im Falle der J. zumindest derzeit noch kinderlosen Freunden nicht zuzumuten sind. Ich aber, überzeugt von dem hohen Unterhaltungswert, dem guten Aussehen und der Freundlichkeit meines fünfjährigen Knaben, habe mit der lieben J. eine Woche Kroatien gebucht, habe einen Koffer mit Kindersachen und Damenkleidern vollgestopft und bin mit dem F. an der Hand nach Schönefeld gefahren, um dort ein Flugzeug zu besteigen.

Was soll ich sagen. Es war großartig. Die Gegend rund um Split sieht super aus. Der Kleine hat auch gar nicht gestört und ist brav Tag für Tag mit uns endlose Kilometer durch die Gegend gelaufen, um sich alte Steine anzusehen oder Sonnenuntergänge zu bewundern. Zwischendurch hat er lustige Sachen gesagt und manierlich gegessen.

Oder die J. ist zu sehr gute, langjährige Freundin, um mir das Gegenteil zu verraten.

 

6 Gedanken zu „Verblendung

  1. Na wunderbar, geht also doch. Ich wäre gern mal mit einer Freundin mit Kind verreist gewesen, als ich noch keins hatte, einfach um hautnah zu erleben, wie das so ist, das Leben mit Kind. Und Fünfjährige können ganz zauberhaft sein.

    1. Man muss schon weiblich sein und es mal selbt erlebt haben, um das zu verstehen mit den aufdringlichen Männern, die sich nur respektvoll verhalten, wenn ein Mann in Begleitung ist.

      1. Ja, das habe ich auch so erlebt, als ich vor Jahren mit dem J. in Tunesien war. Mit Mann alles freundlich, angenehm. Ohne Mann kurz Spazieren oder Einkaufen gegangen, und sofort unwohl gefühlt, unangenehm taxiert bis unverschämt angestarrt.

        1. Ich auch, vor vielen Jahren in Marokko. Da ich blond bin, wurde ich nicht nur taxiert, angestarrt und kommentiert, sondern auch sofort angesprochen, wenn mein damaliger Freund – ein Tamazight – mal nicht direkt neben mir ging.

          Seine 13-jährige Nichte war ebenfalls eine Tamazight, aber blond und grünäugig, die konnte sich auch immer alles mögliche auf der Straße anhören. Die Leute dachten, sie würde es nicht verstehen.

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