Ich bin begeistert. Auf den Straßen Kyotos gehen die Frauen in geschmackvoll-dezenter Kleidung umher, Passanten weichen sich höflich lächelnd aus. In dem Geschäften werden die Waren angenehm beleuchtet in farblich passenden Ensembles präsentiert, und gerade als Berlinerin, die ja schon erleichtert ist, wenn ihre Umgebung voll bekleidet bleibt und nur halblaut herumpöbelt, erwäge ich ernsthaft die Umsiedlung. Zudem ist Kyoto tatsächlich so hübsch, wie alle sagen.
Die Ortsansässigen indes scheinen die eigene Eleganz nur bedingt zu genießen. Oder sie erkennen den eigenen Perfektionismus bei der Verwandlung ihrer selbst wie ihrer Stadt in ein Kunstwerk in den Franzosen wieder: Jedenfalls ist Kyoto voll von französischen Restaurants und Bars, in denen die ortsansässige Bevölkerung davon träumt, Paris zu bewohnen.
***
Ich persönlich dagegen hege keine Träume darüber, comme une parisienne durch mein Leben zu schreiten. Ich träume ja auch nicht von einem Dasein als Einhorn. Ich bin auch an sich sehr gern Berlinerin, besonders, wenn reichlich Distanz die Stadt vergoldet, und so lese ich in den Abendstunden (das göttliche Rindfleisch der japanischen Kühe liegt schwer in meinem Magen) tatsächlich ein bisschen Benn, ein bisschen Gryphius, ein paar Zeilen Hilde Domin und bedaure ein bisschen, nur im Urlaub Lyrik zu lesen.
Verstehe ich schon, schließlich gibts in Japan nicht so tolle Backwaren wie in Europa und immer Sushi wird ja auch irgendwann langweilig, obwohl ja viel gesünder.