Das Katzometer

Bei meinem Lateinlehrer waren es die Zigaretten. Mehr als eine Schachtel am Vormittag bedeutete einen nervlichen Zustand, bei dem man besser etwas Abstand hielt. Beim J.2 bemerkt man Gereiztheit an einem leichten Zucken der rechten unteren Gesichtshälfte, und einer meiner Profs fing bei etwas heftigeren Amplitudenausschlägen an, hektisch mit den Händen herumzufuchteln. Ab und zu ging dann irgendwas zu Bruch.

Mir, so sagt man, bemerkt man nervliche Strapazen eigentlich nicht so schrecklich an. Auch ich bemerke oft erst nach Wochen, ach: Monaten, dass irgendwas nicht stimmt. Als ich über Wochen jede Nacht um 3:20 aufgewacht bin, da habe ich mich dann schon irgendwann gefragt, ob der seelische Haussegen vielleicht so ein Stück weit schief hängen könnte. Oder damals, als ich 17 war und mich in ein grauenhaftes, so zum Glück zumindest in meinem Leben einmaliges Durcheinander verschiedener kreuz und quer verliebter Leute verstrickt hatte, irgendwann Überblick und Fassung verlor und auf einmal am ganzen Körper fürchterlichen Juckreiz bekam, vor allem auf der Kopfhaut, schrecklich war das, und außerdem hatte ich nach einigen Wochen quasi überall trockene Hautschuppen vom vielen Kratzen.

Nun bin ich nicht mehr 17 und ich schlafe wie ein Stein. Wie es mir geht, kann ich allerdings bis heute nicht auf Anhieb ganz zutreffend sagen, irgendwie fehlt mir da ein Organ, das andere Menschen haben, aber zum Glück benötige ich das auch gar nicht. Ich habe ja die Katze.

Nun ist es nicht so, dass meine Katze über besondere Fähigkeiten verfügen würde. Vielleicht verfügt sie nicht einmal über die normalen Fähigkeiten einer Katze. Es handelt sich um eine Rassekatze, sie bewegt sich also kaum und sieht im Wesentlichen eigentlich nur schön aus. Das Katzometer für Madames persönliches Wohlbefinden hat deswegen weniger mit dem wirklich sehr schönen Tier, als mit mir zu tun, denn mein ganz persönlicher Grad an Genervtheit ist unmittelbar an meinem Verhältnis zur Katze abzulesen: Geht es mir gut, bekommt die Katze Streicheleinheiten, ich sage ihr schöne Dinge und genieße ihr lautes Schnurren. Geht es mir mehr so mittel, verhalte ich mich zur Katze neutral, freue mich aber immer noch über ihre Schönheit und ihr freundliches Wesen. Aber dann, wenn ich wirklich ziemlich genervt bin, nervt mich sogar das Schnurren und Maunzen, und ich habe mich auf dem Höhepunkt meiner Genervtheit tatsächlich bereits dabei ertappt, wie ich der Katze eine vorwurfsvolle Ansprache darüber gehalten habe, dass ich nun wirklich genug davon hätte, dass nun auch noch sie etwas von mir will. Und wenn es nur Trockenfutter ist.

Gerade wird es aber deutlich besser.

5 Gedanken zu „Das Katzometer

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