Oktober
Als hätte die Einschulung einen eingebauten Turbo angeworfen, wird der F. von Woche zu Woche mehr er selbst. Jemand, der sich für Technik begeistert und Maschinen zeichnet, deren Funktionen er säuberlich mit 1 – 2 – 3 markiert. Der nicht auffallen möchte und darüber nachdenkt, warum es anderen Leuten anders geht. Der fest an Gott glaubt. Der sich gern gut anzieht und mit seinem neuen Freund P. in der Schulhofpause darüber spricht, ob er, wenn er einmal groß ist, Fliegen oder Krawatten tragen wird. Der sich für Politik interessiert. Und für Pferde.
Der F. saß schon oft auf Pferden. Voltigierte, wurde geführt, arbeitete das erste Mal mit Steigbügeln zu Ostern, aber im Oktober in Diacceroni reitet er das erste Mal richtig: Die Zügel in den Händen, die Füße in Steigbügeln. Gangwechsel, rechts und links an kleinen Hütchen vorbei. Eine ganze Woche trägt der F. im Wesentlichen Reithosen, spricht über Pferde, zuckt nachts mit den Beinen, als würde er selbst über die sanften Hügel der Toskana reiten, und freundet sich mit den anderen Kindern an, die auf dem Hof Urlaub machen. Ich lese, lese, lese. Und als ich eines Abends zwischen Pinien und Zypressen über die Äcker reite, fühlt die Welt sich an, als sei sie fehlerlos und wunderbar.
November
Ich habe mir jahrelang eine BahnCard 100 gewünscht, und weiß nicht, warum ich sie mir nicht gekauft habe. Es ist großartig. Nichts geht über Fortbewegung, und einfach losfahren, Aufbruch mit Köfferchen ist das Beste, was es gibt. Ich fahre viel herum in diesem Jahr, weil ich muss, aber ich fahre auch viel herum, weil ich will, und am ersten Novemberwochenende fahre ich mit dem F. nach Nürnberg.
Dem F. gefällt alles. Die Burg. Die Stadtmauern, das Spielzeugmuseum, die Bratwürste, der Pool im Hotelkeller, das Frühstück mit fünf verschiedenen Sorten Wurst. Das machen wir jetzt immer, sagt er, als wir wieder in Berlin am Bahnhof stehen, aber vorerst fahre ich ohne den F. quer durch Deutschland, spreche mit Leuten, höre mir an, was sie erzählen, aus diesen unruhigen, zornigen Zeiten, und sitze mit vielen, vielen alten und neuen Freunden zusammen, weil ich das endlich schaffe, mit dem neuen Job und dem schon recht großen Kind.
Dezember
Was für ein gutes, gnädiges Jahr, denke ich, als ich heimfahre, Silvester, von Freunden. Was für ein Glück, geliebt zu werden, was für ein Glück, zu können, was man will. Vielleicht ist dieses Jahr das Beste, das Dir gegeben sein wird, denke ich und mich fröstelt, und ich bete an die Mächte, von denen ich nichts weiß, dass auch 2019 mir lächeln wird und auf mich wartet mit einem Arm voll Trauben, voll Blüten, Honig und Wein und das rauschende Meer von Kythera.
Wie schön sich das liest. Und Dezember unterschreibe ich genau so. Bis auf „heimfahren“, denn die M. und ich waren ja zuhause.
sehr sehr sehr schön zu lesen!!!
und toi toi toi für 2019!!!