Bei ihr wird sich wohl keiner melden. Sie ist ja auch nicht die Mutter, das ist schon klar, aber ein paar Jahre, vier oder fünf vielleicht, da landeten die ungelenk getöpferten Schälchen, die Papierblumen und Rupfendeckchen neben ihrem Teller. Sie war die Stiefmutter, aber sie machte die Hausaufgaben mit den Kindern, sie füllte die Brotboxen, sie richtete die Kindergeburtstage aus, und wenn sie abends die Kinder zu Bett brachte, legten die Mädchen ihre Arme um ihren Hals und riefen nach ihr, wenn sie schlecht träumten.
Als sie einzog, war die Jüngere drei und die Große sieben. Die Große blieb immer etwas zurückhaltend, aber Menschen sind unterschiedlich, und schließlich war sie sogar zweimal allein mit der Großen weg. Einmal in Paris und einmal wandern. Der Kleinen rutschte ab und zu sogar ein „Mama“ heraus, das war schön gewesen, und es war auch nicht schlimm, dass der Vater, ihr Lebensgefährte, keine weiteren Kinder wollte. Es wäre auch etwas eng geworden in den vier Zimmern in Friedrichshain.
Von der Mutter hörten sie ein paar Jahre lang wenig. Sie lebte im Ausland, arbeitete wohl viel, hatte einen neuen Mann und sogar ein neues Kind. An manchen Tagen vergaß sie, dass es diese Frau gab.
Es änderte sich etwas, als die Mutter nach Deutschland zurückkam. Es wurde zwar Köln und nicht Berlin, aber die Mädchen fuhren nun alle zwei Wochen entweder zu ihr oder sie kam nach Berlin und wohnte dort in einer Airbnb-Wohnung ganz in der Nähe. Die Mutter war eine freundliche, kluge Frau, sie hätte sie gern gemocht.
Zu Ende ging es dann, als er sich neu verliebte. Die neue Frau zog ein, sie zog aus. Es gab Tränen, aber keine Vorwürfe, keinen Streit, und einige Monate kam zumindest die jüngere Tochter öfters zu Besuch. Sie plante ein Wochenende als Geschenk zum zehnten Gebutstag, aber letztlich verlief das im Sand.
Jetzt hört sie nur noch selten von den Mädchen. Von der Großen kaum, von der Kleinen alle paar Wochen. Kürzlich waren sie mal wieder gemeinsam Eis essen. Die neue Frau des Vaters erwarte ein Kind, erzählte ihr das Mädchen, das einmal fast ihre Tochter war, und das traf sie dann doch.
Deine Geschichte lässt mich einigermaßen verstört zurück… Wunderbar geschrieben…
Puh.
Als Kinderloser bin ich ja der Meinung, dass bedeutungsvolle Beziehungen die man sich selber schafft, viel wichtiger sind als vererbte Verbindungen. Wie du das hier so schilderst ist dann doch sehr betrübend.
Auch vererbte Beziehungen muss man pflegen und letztlich „schaffen“, der Meinung bin ich.
Und ich fürchte, dass die Kinder aus der Erzählung mit drei weiblichen Bezugspersonen (Mutter, ehemalige Stiefmutter, neue Stiefmutter) einfach überfordert sind, denn eine Beziehungspflege auf Distanz ist schwierig, für relativ junge Kinder sowieso und wenn die Erwachsenen das nicht intensiv unterstützen, sowieso.
Ich hoffe für die ehemalige Stiefmutter, dass die Mädchen sich an die guten Jahren erinnern, wenn sie groß sind und dann den Kontakt von sich aus besser pflegen.
Sie können einen aber auch wirklich in die Melancholie schreiben, madame. Schnüff.
Vielleicht sollten junge Frauen das lesen, um sich bei vorhandenem Kinderwunsch konsequenter zu verhalten, aber allein wer bin ich, anderen da reinzureden.
Guten Morgen,
deine Geschichte erinnert mich sehr an meine eigene Geschichte. Ich bin jetzt 51 Jahre und bereue es zutiefst, keine eigene Familie gegründet zu haben. Das was du schilderst kenne ich gut.
Damals vor 20 Jahren als ich darauf angesprochen wurde, mir einen anderen Partner zu suchen und eine eigene Familie zu gründen meinte ich noch, dass sei mir nicht so wichtig. Stimmt nicht, im Nachhinein weiss ich , dass diese Freundinnen mehr als recht gehabt haben aber ich nicht auf sie gehört habe.
Liebe Grüße
Barbara
Autsch. Man kann nur hoffen, dass sie während dieser Jahre nicht auf Teilzeit gegangen ist und jetzt darin festhängt und auf die Altersarmut zusteuert.
Und ich stimme panna Kraweel zu. Alle jungen Leute, aber insbesondere junge Frauen sollten solche Texte lesen.
Um dann bewusst zu entscheiden oder bewusst alles dem Zufall zu überlassen.