Besuch

Dass ich noch weiß, dass der G. an einem 25. Juli vor der Tür stand, ist schon fast der größte Witz. Es waren Ferien, natürlich waren Ferien, und ich hatte vermutlich Jeansshorts an, also so selbst abgeschnittene mit lang herabhängenden weißen Fäden unter der schiefen Kante und dazu ein zu großes T-Shirt.

Meine Eltern waren arbeiten. Meine kleine Schwester verbrachte eine Woche in einem Feriencamp irgendwo an einem See und ließ sich von Mücken zerstechen. Ich war gerade ausgesprochen ungesellig, traf täglich die drei Freunde, mit denen ich gemeinsam ungesellig war, und wir lagen verdrossen und schweigend am See. Ich war 14, lachte quasi nie, konnte nichts Besonderes, interessierte mich für nichts Nützliches und muss für quasi jeden um mich herum eine ziemliche Enttäuschung gewesen sein, sogar für meinen Freund, in den ich ziemlich gern verliebt gewesen wäre. Warum wir trotzdem zusammen waren? Vermutlich aus einer Art Ordnungssinn heraus, und außerdem wollte ich nicht als fünftes Rad am Wagen hinter den anderen Paaren herstolpern.

Dass es mit dem G. nichts werden würde, war mir von Anfang an klar. Ich glaube, ich hatte das gar nicht versucht, nicht mal so halb ernsthaft. Wir würden zwei, drei Jahre später  befreundet sein bis heute, aber in diesem Sommer kannten wir uns quasi noch gar nicht, denn die coolen und die nicht coolen Kids gehören in Mittelstufen zwei unterschiedlichen Universen an.

Wir haben später nie über diesen Besuch gesprochen. Wenn ich ihn heute fragen würde, was er damals bei uns wollte, würde er vermutlich bestreiten, jemals geklingelt zu haben. Vielleicht kam er wirklich einfach nur vorbei. Vermutlich hat er es längst vergessen. Ich aber, ich weiß noch, wie sich diese Mischung aus Staunen, Freude, Angst vor Enttäuschung, Enttäuschung selbst und diesem Verliebtheitsgefühl, das bei mir als gespannte, gläserne Stelle am Hinterkopf, am Zwerchfell und in den Handtellern sitzt, angefühlt hat, als ich die wenigen Schritte zur Haustür ging, als ich öffnete, als er nicht reinkommen wollte und wir im Hausflur standen und er nur sagte, dass er vorbeigekommen sei und gleich weiterwolle und dann wieder ging.

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