Ihre Weiße, sagt der Kellner, und ich strahle erst ihn an und schaue dann durch die smaragdgrüne Flüssigkeit in den Park. Es ist Hochsommer, ein geschenkter, falscher Sommer im September, und ganz Berlin liegt mit und ohne Bier auf Decken, spielt Ball oder greift auf Wandergitarren immer wieder dieselben Akkorde.
Ein paar hundert Meter abseits findet in einer Ecke des Parks gerade ein Kindergeburtstag mit Sohn F. als Gast statt. In zwei Stunden müssen wir ihn abholen, aber jetzt sitzen wir hier, trinken Bier, sprechen über alles und nichts und dann wieder über alles, und ich bin ein bisschen träge, weil ich gerade mit der lieben S. einen Zwiebelrostbraten gegessen habe und nun ungefähr 90% meiner Lebensenergie zum Verdauen brauche.
Auf dem Ententeich glitzert die Sonne, als sei die Welt in Ordnung, und ich versuche mit verhältnismäßig viel Erfolg, nicht an die Arbeit zu denken, die auf meinem Schreibtisch liegt. Gerade, spüre ich mir nach, ist alles im Lot. Der lange Nachmittag gestern mit den Freunden vor einer Pizzeria, Luftballons und Wein und plattenweise Antipasti. So viel gelacht wie in einem ganz normalen Jahr. Der Abend mit dem J. und dem F. im Cavallino Rosso, der extra einen Anzug angezogen hat und den ich viel öfter küssen möchte, als er es noch gern hat mit seinen acht Jahren.
Die lustigen Freundinnen in Nikolassee, die ich vor 15 Jahren vielleicht beneidet hätte um ihr fabelhaftes Aussehen und ihre fulminanten, völlig unwahrscheinlichen Abenteuer, aber von denen ich inzwischen so gern höre, weil es grandios ist, dass es das wirklich gibt, wenn auch nicht für mich. Der Kollege, der mir einen Geburtstag mit Lieblingskeksen und tollem Kuchen im Büro beschert hat. Weintrinken in Mitte, und wie gern hätte ich den Namen des Gewürztraminers nicht vergessen, um ihn gleich nochmal zu kaufen, aber vielleicht ist er ohne lange Sommernacht nicht halb so gut. Ach, und endlich einmal wieder zu einem Vortrag, nach Monaten ohne Veranstaltungen, über die ich nie nachgedacht habe, um sie dann 2020 so schmerzlich zu vermissen wie die Gemeinschaft, der man nicht gerecht wird, wenn man sie „Fachwelt“ nennt, weil auch sie am Ende mehr ist als das.
Nichts zu wünschen, sage ich dem J. oder ich sage es einfach so vor mich hin. Mögen an vielen Himmeln schwarze Wolken ziehen: Hier und heute ist meine Welt die beste aller möglichen Welten in diesem ganz und gar außerordentlichen Jahr. Es wird, ich weiß, nicht so bleiben: Aber heute um kurz vor fünf war alles, alles gut.
<3
Entsprechend Ihrem Schlusssatz freue ich mich für Sie und wünsche Ihnen ganz schlicht und einfach noch viele Stunden, an denen Sie die Seele baumeln lassen können.
Danke.