Omnia mea mecum

Im Grunde brauche ich nichts. Ich fahre in Urlaub mit zwei blauen Kleidern, die man zusammenrollen kann, Unterwäsche zum Zusammenknüllen, einem Paar Ballerinas in der Handtasche und Sandalen an den Füßen. Ich reise außerdem mit dem Zeug, in das man Kontaktlinsen tut, meiner Zahnbürste, Zahnpasta und je einem Stück Seife und Haarseife. Weil ich mich nicht richtig schminken kann, komme ich kosmetiktechnisch mit einem Lippenstift aus, weil ich mir einbilde, dass man mit Lippenstift irgendwie geschminkt aussieht. Seit man Bücher auch am Handy lesen kann, braucht man nicht mal die mehr. Laufschuhe nehme ich außerdem noch mit und eine Turnhose und ein T-Shirt. Ich bin schon mit einer großen Handtasche eine Woche lang verreist. Diesmal habe ich auch noch mein Notebook dabei.

Der geschätzte Gefährte dagegen reist mit seinem gesamten Besitz auf sieben vollgepackten Kamelen. In seinen Taschen und Koffern befinden sich Fahrradflaschen und Schuhe für jede Witterung. Pullover für draußen und Pullover für abends. Hemden, ein Fieberthermometer, die gesamte Kollektion eines Fahrradfahrerausstatters namens Rapha, genug Hosen, um keinesfalls hosenlos dazustehen, komme, was wolle, ein Gartenschlauch, ein Mammutoberschenkelhalsknochen und die Encyclopedia Brittanica.

(Okay, ich habe ganz leicht übertrieben)

Sohn F. braucht wiederum nichts. Der Sohn trägt voraussichtlich immer dieselben Kleidungsstücke, wenn man ihn lässt. Er liest Krimis, einen SPIEGEL, den er im Zug gefunden hat, und ein Buch über Chemie.

So stehen wir hier also da: Der J. stopft alles, was er hat, in alle Taschen, die wir haben. Der F. malt in der Küche in einen Collegeblock sehr konzentriert ein großes Atom mit einer gefährlich schiefen Elektronenwolke. Und ich versuche, eine lange, lange, lange Liste von Dingen zusammenzustellen, an die ich auf jeden Fall denken muss, denn auch, wenn ich kaum Kleider mitnehme: Mich hab‘ ich halt dabei. Mit meiner Unruhe. Mit meinen immer viel zu vielen Plänen, mit meiner Neigung, alles, was lustig klingt, zuzusagen und es zu meinem Glück wie Unglück zugleich dann auch irgendwie jedesmal zu schaffen. Mit meiner Unfähigkeit, die Wasser des Lebens einmal ruhen zu lassen, mit meinen Talenten, die für viel ein bisschen reichen und für nichts so richtig, und wenn wir morgen ins Auto steigen, werden meine Lasten nicht kleiner sein als die des geschätzte Gefährten, nicht leichter, nur weniger leicht zu sehen.

3 Gedanken zu „Omnia mea mecum

  1. …auch gerne gelesen 😉
    sehr gerne sogar!

    am meisten zum herzerfrischenden lachen brachten mich die
    „sieben vollgepackten kamele“ – herrlich!!!

    liebste grüße
    aus den herbstbunten eifelwäldern!

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