Aber bitte nicht heute

„In einer halben Stunde ist sie da.“, ächzt der J. am Samstagabend und stopft sich resigniert ein weiteres Kissen unter der Kopf. Ich nicke matt. Der J. hat recht: Wir haben den Babysitter bestellt, und zum Abbestellen ist es viel zu spät.

Pläne haben wir jedenfalls keine. Wir sind nicht verabredet. Gut essen waren wir letzte Woche, da saßen wir vier Stunden im fabelhaften Rutz, und außerdem hatten wir Freitag Besuch zum Grillen und essen heute auf keinen Fall Fleisch. Im Kino läuft nichts, was wir sehen wollen würden, im Theater gibt es auch nichts, in der Oper bekommen wir keine Karten mehr, und um ernsthaft auszugehen reichen die vier bis fünf Stunden Freiheit bis ungefähr Mitternacht ohnehin nicht aus, die uns der Babysitter verschafft.

„Halt irgendwo was trinken.“, nuschele ich und lese entschlossen weiter. Ich könnte nämlich ganz gut den ganzen Abend hier liegenbleiben auf dem neuen, grauen Sofa, und P G Wodehouse lesen. Ich feiere gerade meine englischen Lesewochen und lese hintereinander Nancy Mitford’s Love in Cold Climate, Julian Fellowes‘ Past Imperfect und auch ein paar Bücher über den unübertrefflichen Jeeves. So heuschnupfengeplagt, wie ich bin, bin ich ohnehin gerade kein sehr erfreulicher Anblick.

„Es ist sogar noch Wein da.“, bedauert auch der J. die voreilige Bestellung. „Warum haben wir die K. eigentlich angerufen?“, schaut er mich anklagend an, aber ich habe es auch vergessen und murmele nur so etwas von „auch mal zu zweit vor die Tür“.

„Ich mach‘ nicht auf.“, behauptet der J. zwischenzeitlich und legt sich noch etwas bequemer hin. Auf seinem linken Schienbein räkelt sich genüsslich die Katze. „Sei nicht kindisch.“, entgegne ich und schaue im Internet nach den Veranstaltungstipps des Tages. Es ist Gallery Weekend, lese ich, aber auf das Herumstehen in Galerien habe ich gerade so gar keine Lust. Ich glaube, ich mag moderne Kunst vielleicht gar nicht so sehr. Früh ins Bett wäre ganz gut, aber wenn die K. extra kommt, um den F. zu hüten, können wir schlechthin nicht nach zwei Stunden heimkommen, weil sie K. schließlich nicht zum Spaß einhütet und das Geld bitter braucht.

„Keine Ahnung.“, seufze ich, als es schließlich klingelt, erhebe mich mühsam und öffne die Tür.

(Pisco Sour in der Amano Bar, Negroni in der The Grand Bar, Pizza und Hauswein im Due Forni)

 

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