„Schnell!“, zische ich dem geschätzten Gefährten zu. „Er hat schon die Augen zu.“ Der J. legt den Finger auf den Mund und rollt den Buggy in möglichst gleichmäßiger Geschwindigkeit zwischen den Taschen und Tüchern hindurch Richtung Parfümerie. Es ist Samstag, kurz nach zwölf, und das Lafayette noch halbwegs leer.
Der J. und ich sind auf dem Weg zur Damenoberbekleidung, denn anders als der geschätzte Gefährte, der gleichbleibend groß und dünn seit Jahren dasselbe trägt, wechseln bei mir Größen, Farben, Formen und Vorlieben, und just für diesen Frühling habe ich rein gar nichts. Also so richtig gar nichts. Zumindest nichts, was mir passt. Ich brauche also mindestens ein Kostüm, diverse Oberteile und – wenn ich schon mal da bin – vielleicht noch ein paar Tücher, Shawls, Klimperketten oder so ähnlich. Wenn mir ein Mantel über den Weg läuft, um so besser.
Mit einem hellwachen F. ist allerdings schlecht einkaufen. Entweder er langweilt sich. Dann fängt er nach fünf Minuten an, rhythmisch mit den Beinen zu schaukeln, bis der Kinderwagen umzukippen droht, laute Oden an Würste und Plüscheulen zu singen oder so spitz zu schreien, dass ich entweder gar nichts erwerbe, oder irgendetwas ganz schnell zusammenknülle und damit zur Kasse renne, egal, ob es passt oder nicht. Ich kaufe deswegen an sich ganz gern online, aber weil ich nie Lust habe, etwas zurückzuschicken, geht die Anschaffung unpassender oder erschreckend hässlicher Kleidungsstücke auf Dauer zu sehr ins Geld.
„Jetzt schnell anprobieren.“, dränge ich den J. Richtung Aufzug. Inzwischen schläft der F. so tief und fest, dass man praktisch jedwede Tätigkeit, und sei sie noch so geräuschvoll, in seiner Nähe ausführen könnte, und was das Beste ist: Das wird nun für mindestens eineinhalb Stunden so bleiben. „Auf in die zwei.“, sporne ich mehr mich als den J. an und kreise mit dem Zeigefinger für einen Moment unschlüssig über dem Knopf mit der zwei. In Ruhe Anprobieren, sage ich mir. Das wär’s. Dann hätte ich vielleicht auch endlich einmal passende Sachen an und nicht nur irgendwas, was nicht platzt, wenn ich es trage.
„Was für eine langweilige Entscheidung.“, wispert es auf einmal neben meinem rechten Ohr. Ich drehe mich um. Der J. steht schweigend mit maximal neutralem Ausdruck auf meiner linken Seite und starrt auf sein iPhone. „Was hast du gesagt?“, frage ih sicherheitshalber und ernte ein langgezogenes „nichts“. „Du kaufst sogar Reinigungsmittel lieber als Kostüme.“, flüstert es weiter, und diesmal stimme ich zu. „Jaja.“, antworte ich ganz leise, damit der J. mich nicht für meschugge hält. Kostüme sind schrecklich. Anprobieren ist blöd. Ich mag mich nicht im Spiegel, ich mag mich nicht in Businesskleidung, und außerdem – jetzt spüre ich es auf einmal ganz deutlich – habe ich Hunger. „Ich könnte schon gut was essen.“, behauptet zeitgleich der J. und schaut mich auffordernd an. Entschlossen betätige ich den Aufzug. Nach unten, nicht nach oben.
Zwanzig Minuten später sitzen wir vor der Fischtheke des Lafayette auf zwei Stühlen und ordern die fabelhafte Fischsuppe des Hauses. „Und zwei Muscadet!“, bestellt der J. „Und einen salade du jour.“, füge ich hinzu. Dann stellen wir dem F. die Rückenlehne ganz nach hinten, öffnen seine Jacke, streichen ihm über die runden Wangen und die geschlossenen Augen und heben unsere Gläser. „Man muss die Feste ….“, nuschelt der J., und ich nicke energisch und tauche meinen Löffel tief in die duftende Suppe.
Mmmm, lecker Fisch, Essen ist definitiv wichtiger als Kleidung, gerade am kostbaren Wochenende. Bei uns gab’s diesen Samstag Daniel Wischers Goldbarschfilet mit Gurkensalat in der City, immerhin nach dem Kauf von Schuhen. Aber unser Kind ist ja auch schon groß. Damals wollte er immer Fangen und Verstecken zwischen den Kleiderständern spielen.
Strapaziös. Ich beneide immer diese sehr gut angezogenen Mütter. Entweder haben die jemanden, der auf die Kinder aufpasst, damit sie einkaufen können. Oder sie zehren von ihren alten Sachen. Dass kann ich aber nicht, dafür habe ich zu viel zugenommen.
diese bouillabaisse ist aber auch halleluja. bloss nie die kleine portion. aber wem sag ich das!
Kleine Portionen sind sowieso Käse. Für eine konsequente Umsetzung des Übermaßgebots!