Samstag, 26. September

Urlaub mit Kindern

Irgendwo habe ich gelesen, die frühe Neuzeit habe Kinder als Ungeheuer angesehen, reiner, böser Trieb. Erst seit Rousseau glauben alle, Kinder seien eigentlich nett, und nur die Gesellschaft verderbe den Charakter. Wie sich dieser Glaube zwei Jahrhunderte gehalten hat, ist mir zumindest allerdings schleierhaft. Nach drei Jahren des Lebens mit Kind und zwei Wochen mit vier von der Sorte weiß ich: Löwenbändiger nichts dagegen. Als Sklavin der Natur kann ich aber inzwischen damit leben, auch im Urlaub nicht länger als bis 8.30 zu schlafen, und vor zehn Uhr abends keine Unterhaltung von mehr als drei Sätzen am Stück zu führen. Weil ich mit den Familien H. und B. aber seit mehr als zehn Jahren befreundet bin, ist das nicht so schlimm. Wir sprechen weiter, wenn die Kinder nicht mehr ununterbrochen mit uns sprechen. In vier bis fünf Jahren oder so. In diesem Urlaub haben wir, glaube ich, im Wesentlichen spätabends miteinander gesprochen oder beim Wandern. Ich war allerdings nur einen Tag wandern, und auf einer weiteren Miniaturwanderung waren zwei der Kinder mit.

Urlaub in Le Thoronet

Zum Wandern und Anschauen ist die Provence ganz schön. Kulinarisch auch alles sehr toll, aber da liegt man in Frankreich ja selten ganz daneben.

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Mit den Kindern wäre allerdings ein etwas küstennäherer Ort besser, außerdem kann man in Le Thoronet nicht einmal zum Bäcker ohne Auto. Warum wir trotzdem exakt da gelandet sind? Finden Sie einmal ein Haus mit eingezäuntem Pool und ausreichend Schlafzimmern und Bädern und einem Rasen zum Spielen zu einem Preis, den sich auch Berliner Juristen und nicht nur Londoner Investmentbanker leisten können. Le Thoronet also. Sobald die Kinder alle schwimmen können und es auch ein nicht eingezäunter Pool tut, pirschen wir uns wieder an die Küste heran.

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Neue Erkenntnis: Ich bin streng

Mit dem Selbstbild ist das ja so eine Sache. Ich halte mich eigentlich für eine ziemlich wurschtige, halbwegs lässige Mutter, liberal aus Zeitmangel mit eher etwas unterentwickelten Ansätzen zu einer traditionell-bürgerlichen Erziehung. Offenbar stimmt das aber nicht, und die M. hat es mir sogar explizit bestätigt: Ich bin konservativ. Und ich bin streng. Ich bestehe darauf, dass mein Sohn während langer Mahlzeiten am Tisch sitzen bleibt. Ich korrigiere den Umgang mit Besteck. Ich finde, dass Kinder aufstehen sollten, um Erwachsene zu begrüßen, und wenn wir im Auto sitzen, bestimmen die Erwachsenen die Musik.

Ich weiß noch nicht, wie ich das finde. Aber ich muss wohl damit leben, und mein Sohn auch.

Alte Erkenntnis: Ich habe Höhenangst

Letztes Jahr also. Da waren wir in Sainte Maxime. An einem Tag fuhren der J. und ich mit dem Auto die Gorges du Verdon entlang. Ich starrte in die Schlucht, die Schlucht starrte zurück, und ich beschloss, zurückzukehren. Zu Fuß.

Überraschender Weise – zumindest für mich – liegt der Wanderweg durch die Schlucht leider nicht ganz unten. Er schlängelt sich vielmehr auf ungefähr halber Höhe die Schluchtwand entlang, und neben einem klafft also 22 Kilometer lang ein mehrere hundert Meter tiefer Abhang und fletscht, wenn man versehentlich mal hinschaut, mit den Zähnen.

Es war eine schöne Strecke, es sah auch toll aus. Aber ich habe nicht sehr viel davon gehabt.

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Sehr tolles Essen

Es ist ein paar Wochen her, da sprachen wir zu sechst darüber, ob wir im Urlaub eigentlich ab- oder zunehmen. Ich glaube, ich bin die einzige, die zunimmt. Ich esse nämlich für mein Leben gern, und zwar ausschließlich ziemlich fettes Zeug. In Frankreich: Törtchen, Fleisch, Muscheln, Fisch, ach: Eigentlich alles. Ich liebe es auch, üppig einzukaufen und dann stundenlang zu kochen.

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Das beste Essen gab es aber auch diesmal wieder außer Haus: Am vorletzten Abend fuhren wir zu viert – die Kinder blieben beim dritten Paar – zu Chez Bruno und aßen Trüffel.

Ich habe niemals mehr Trüffel gegessen oder leckerere Trüffel, und es wird nach menschlichem Ermessen Jahre dauern, bis ich irgendwo Trüffel esse, die diesem Trüffelerlebnis auch nur halbwegs nahe kommen. Aber angefangen bei dem ersten Trüffeltoast, gefolgt von einer sagenhaften Kartoffel mit Sommer- und Albatrüffeln, einer unsagbar tollen dunkelroten Taube mit Foie Gras und Trüffeln, einem fabulösen, vanilligen, angesichts unserer Begeisterung freundlicherweise gleich doppelt gereichten Trüffeleis und einem Pfirsich Melba war jeder Gang perfekt, der Service herzlich, der Wein gut, und wenn ich jemals wieder in diese Ecke Frankreichs komme: Ich komme wieder.

Ganz alte Erkenntnis: Freunde sind toll

Mit Familie H. fuhren wir ja schon weg, als wir alle noch nicht einmal richtige Berufe hatten. Wir waren in Stockholm, in Venedig, in der Toskana, wir waren an der Ostsee, und obwohl wir eigentlich kaum gemeinsame Urlaubsinteressen haben, weil der J. und ich weder campen noch wandern, und Familie H. weder kocht noch teure Restaurants bevölkert, läuft das immer gut. Mit Familie B. waren wir noch nie verreist, auch wenn wir uns auch schon seit 13 Jahren kennen, aber auch mit Familie B. würde ich morgen wieder wegfahren. R. und I. und M. und M.: Ihr seid nämlich super.

5 Gedanken zu „Samstag, 26. September

  1. Schöner Bericht! Mit Kindern ist es im Urlaub so: sehr früh aufstehen, Frühstück machen, Schwimmflügel anlegen, nasse Handtücher aufheben, Mittagessen kochen, Mittagsschlaf einfordern, damit man mal wenigstens eine halbe Stunde in Ruhe lesen kann, Nachmittagssnack bereiten, spazierengehen, Abendbrot machen, vorlesen, ins Bett scheuchen, einschlafen, früh aufstehen…Aber in Südfrankreich regnete wenigstens nicht so viel 🙂

    1. Ach, das war schon sehr schön. Die Kinder haben tatsächlich viel miteinander gespielt, ich habe deswegen sogar Einiges gelesen, aber ausgeschlafen hätte ich schon gern mal.

    1. Ich denke das eigentlich auch, aber es scheint da sehr viele Sichten zu geben. Meine Freundin meint, sie habe das Stillsitzen müssen als Kind immer gehasst. Ich habe das als gar nicht so schlimm in Erinnerung.

  2. Vielleicht ginge auch ein Kompromiss: das Besteck ordentlich auf den Teller legen und fragen: „Darf ich aufstehen?“ So war das bei uns zuhause und ich finde, das ist höflich genug. Denn Kinder können schwer begreifen, warum eine Mahlzeit so lange dauern muss, wennl sich die Erwachsenen dabei unterhalten.

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